
Er hat sich ganz schön Zeit gelassen. Fast genau zehn Jahre ist es her, dass Zach Braff auf dem Höhepunkt seines Fernseh-Ruhms als Star der gefeierten Comedy-Serie "Scrubs" sein Kino-Debüt als Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in Personalunion hinlegte und mit "Garden State" einen der meistgeliebten amerikanischen Indie-Filme des letzten Jahrzehnts ablieferte. Damals sah es so aus, als würde sich Braff in Stellung bringen als einer der vielversprechendsten Independent-Filmemacher des neuen Jahrtausends, und "Garden State" wirkte wie der fabulöse Grundstein einer großen Karriere. Das war vor zehn Jahren. Erst jetzt liefert Braff endlich seinen zweiten Film ab, ein Projekt, von dem schon viele Jahre die Rede war und das er letztlich nur dank der finanziellen Mithilfe seiner Fans via einer Kickstarter-Crowdfunding-Kampagne überhaupt realisieren konnte. Wenn man sich das Ergebnis nun ansieht, muss man leider ernüchtert feststellen, dass dieser Film a) keine gute Investition war, es b) nicht verwunderlich ist, dass Braff auf anderem Wege nicht das nötige Budget dafür auftun konnte, und c) man das Adjektiv "vielversprechend" in Zusammenhang mit Zach Braff wieder streichen kann.
Die Hauptperson von "Wish I was here" ist Aidan Bloom, seines Zeichens erfolgloser Schauspieler Mitte 30 und damit eigentlich ein Typus, der im Allgemeinen nur als Comedy-Figur gut funktioniert (siehe Joey aus "Friends" oder Penny aus der "Big Bang Theory"). Die Probleme dieses Films gehen schon damit los, dass man als Zuschauer aber ganz ernsthaft Mitgefühl damit haben soll, dass dieser Mann immer noch versucht, seinen großen Traum zu verwirklichen, und sich dafür von seiner Ehefrau (Kate Hudson) aushalten lässt, die mit einem stumpfen Bürojob für den Unterhalt der Familie mit ihren zwei Kindern sorgt. Da Aidan zu den laufenden Kosten quasi null Einkommen beisteuert, wird die teure Privatschule für den Nachwuchs aus der Tasche von Aidans Vater Gabe (Mandy Patinkin aus "Homeland") bezahlt. Als dieser seinem Sohn nun zu Beginn des Films verkündet, dass er die Schule nicht mehr zahlen kann, weil er erneut an Krebs erkrankt ist und das Geld für eine teure Therapie braucht, ist Aidans erster Gedanke dazu: Mist, heißt das, dass meine Kinder jetzt auf so eine beschissene öffentliche Schule gehen müssen?
Sympathischer Kerl, nicht wahr? "Wish I was here" ist kaum 15 Minuten alt, da hat der Film schon so dermaßen verloren, dass er kaum noch zu retten ist. Der Protagonist ist unreif, weinerlich und egoistisch, und der Film scheint das nicht mal zu merken. Von Anfang an denkt man sich nur: Alter, besorg' dir einen ordentlichen Job, hilf' deiner Familie und kümmer' dich mal um deinen Vater! Stattdessen geht Aidan erstmal hin und will seine Kinder selbst zuhause unterrichten, um ihnen die öffentliche Schule zu ersparen (wobei er natürlich völlig versagt). Wenn das mal keine uninteressanten Luxus-Probleme sind. Von diesem denkbar ungünstigen Start aus muss ein Film schon einiges leisten, um sich das Interesse und vor allem die Sympathie seines Publikums doch noch zu erarbeiten. "Wish I was here" leistet zwar ein bisschen was, aber bei weitem nicht genug.
Es ist auch nicht viel da, woran man sich hier wirklich festhalten kann. Der ganzen Geschichte fehlt es an echter Inspiration, die familiären Problemchen zwischen Aidan, seinem Vater und Aidans von beiden entfremdetem Nerd-Bruder Noah (Josh Gad) sind Allerweltskonflikte, die man auch schon tausendmal gesehen hat, und die Todes-Thematik, um die es hier eigentlich geht, wird mit solch vorsichtigen Fingerspitzen angefasst, dass echte Dramatik kaum eine Chance hat. Stattdessen zeigt sich Braff sehr darauf bedacht, sein Publikum bei Laune zu halten und möglichst oft mit flotten Dialogen und Situationskomik zu punkten, damit es auch was zum Schmunzeln gibt. Ob er sich und seinem Film damit wirklich einen Gefallen tut, darf deutlich angezweifelt werden.
Dass es "Wish I was here" so überdeutlich an richtiger Substanz fehlt, ist umso bedauerlicher, als dass es sich augenscheinlich um ein ziemlich persönliches Projekt handelt. Immerhin hat Braff das Drehbuch zusammen mit seinem Bruder geschrieben, und wenn da dann eine Geschichte heraus kommt, in der zwei Brüder sich mit dem nahenden Tod ihres Vaters auseinander setzen müssen, lässt das schon tief blicken. Wie sehr das ganze Projekt Braff jedoch am Herzen gelegen haben muss, lässt sich eben nur erahnen, wirklich spüren kann man es nicht. Dafür wirkt die ganze Sache viel zu selbstverliebt, schon allein dadurch, dass der Schauspieler Braff sich selbst in der Hauptrolle erneut einen Schauspieler spielen lässt (schon seine Figur in "Garden State" war ein Schauspieler, hatte im Gegensatz zu Aidan Bloom aber wenigstens ein echtes persönliches Drama zu bewältigen) und er ein paar berühmte Freunde in kleinen Gastrollen auftreten lässt (namentlich 'Sheldon Cooper' Jim Parsons und Braffs "Scrubs"-Kompagnon Donald Faison). Deren Auftauchen sorgt für garantiertes Schmunzeln im Kinosaal, aber nicht wegen dem, was sie tun, sondern nur, weil es eben sie sind. Ein kalkulierter "Crowd Pleaser", genau wie die eingestreuten Comedy-Momente nichts weiter sind als Anbiederung an ein Publikum, dem eine Geschichte über Tod und Abschied trotzdem irgendwie als feel-good-movie verkauft werden soll.
Braff besitzt natürlich immer noch genug Talent, dass ihm im Laufe der Geschichte doch einige pointierte, grundehrliche und sehr berührende Momente gelingen, vor allem, wenn diese unerwartet kommen, zum Beispiel als Aidans Teenager-Tochter Grace ihrem sterbenden Großvater mit herzergreifender Begründung eine Schweißerbrille schenkt. Überhaupt ist Grace bzw. ihre junge Darstellerin Joey King der heimliche Star und die eigentliche Entdeckung dieses Films. Diese kleinen Höhepunkte können jedoch auch nicht viel daran ändern, dass die ganze Geschichte sich unecht und aufgesetzt anfühlt, genau wie das Ende, das zwar als berührend durchgeht, in dem sich aber alles dann doch allzu sauber auflöst.
So ist "Wish I was here" am Ende ein Film wie eines der Marshmallows, die Aidan in einem ewigen amerikanischen Klischee auf einem Camping-Ausflug mit seinen Kindern über dem Lagerfeuer röstet: Im Ansatz vielleicht ganz schmackhaft, aber in seiner Zuckerigkeit viel zu sehr darauf bedacht, Gefallen zu finden, und darum letztlich ohne Nährwert oder Substanz.
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