Volver - Zurückkehren

Originaltitel
Volver
Land
Jahr
2006
Laufzeit
120 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Simon Staake / 3. Juni 2010

 

 Als besonderes Merkmal von Spaniens bekanntestem zeitgenössischen Regisseur Pedro Almodovar verzeichnet die Filmdatendank IMDB unter anderem: "Hat oft Transvestiten oder starke Frauen als Helden seiner Filme". Wer dafür tatsächlich noch eine Bestätigung braucht, bekommt sie durch "Volver", denn Männer spielen hier so gut wie keine Rolle, und die Stärke der Frau zieht sich hier durch drei Generationen: Die der beiden Schwestern Raimunda (Penelope Cruz) und Sole (Lola Duenas), die ihrer früh verstorbenen Mutter Irene (Carmen Maura) und die von Raimundas Tochter Paula (Yohana Cobo). Dazu kommt noch die Familienfreundin Augustina (Blanca Portillo), die sich um die alte Tante von Raimunda und Sole kümmert. Wie die Schicksale dieser vier Frauen zusammenhängen, darüber sollen jetzt hier nicht zu viele Worte verloren werden, denn das entdeckt man in diesem wunderbaren Film am Besten doch für sich selbst.

Niemandem gelingt es so unwiderstehlich, Freud und Leid, Absurdes und Ernstes, Tragisches und Zum-Schreien-Komisches so zu verbinden wie Pedro Almodovar. Storytechnisch nehmen seine Geschichten alles mit, was Melodramen auszeichnet - und greifen dabei oft tief in die Schublade ernster Themen. So auch hier. Von Kindesmissbrauch über unerwartete Todesfälle bis zu tödlichen Krankheiten ist vieles dabei, was in anderen Händen düster, deprimierend und dröge anmuten könnte, von Almodovar aber mit Humor, Lebensfreude, Weisheit, Frivolität und einer ganz kleinen Prise Pathos zu einem bunten und, ja, lebensfrohen Film verarbeitet wird.
Da fühlt man sich schon ein bisschen ertappt beim Grinsen über die herrlich überzogen roten Blutlachen eines Toten, die mit wunderbarer "Einer muss es ja machen"-Mentalität von einer der weiblichen Heldinnen weggewischt werden. Aber Almodovar wäre eben nicht Almodovar, wenn er nicht jederzeit Herr über die Lage seiner fragilen Konstruktionen aus Lust und Leid wäre. Und das, obwohl der Tod hier eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Aber genau so wichtig in der Balance der Dinge sind der Zusammenhalt unter Freunden und ein gegenseitiges Helfen, das im ungewöhnlichen Lebensmittelkauf Raimundas seinen amüsanten Anfang hat und in einem nächtlichen Ausflug mit Kühltruhe seinen schwarzhumorigen Höhepunkt.
Unterstützt von der tollen Ausstattung, feiner Musikuntermalung (inklusive dem hochemotionalen und tieftraurigen Titelsong) und natürlich seinem großartigen weiblichen Ensemble gelingt Almodovar ein Film, der seine Stimmungen und Nuancen zwischen Elegie und Posse perfekt umsetzt.

Eben jenes weibliche Ensemble wurde in Cannes von der Jury komplett mit dem Preis für die beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet, auch mal was neues. Verdient haben sich das die hier auftretenden Damen allemal, allen voran Penelope Cruz. Während sie sich in Hollywood ja hauptsächlich als Püppchen und Anhängsel unter Wert verkaufen muss, kann sie hier - in ihrem "Heimatfilm" - zeigen, was für eine gute Schauspielerin sie unter ihrem attraktiven Äußeren doch sein kann. Die entsprechende PR zu seinem neuen Film lieferte Almodovar ja höchst selbst, indem der offen schwul lebende Regisseur behauptete, Cruz wäre so heiß, dass sie sogar ihn bekehren könnte und er zwanzig Jahre nach seinem ersten und einzigen Erlebnis mit einer Frau bei ihr tatsächlich sexuelles Interesse verspüre. Was man ihm erstens nicht übel nehmen kann und zweitens dann doch nicht recht abnimmt, aber ne gute Schlagzeile war's trotzdem.
Mindestens genauso schlagzeilenträchtig ist seine erneute Zusammenarbeit mit der spanischen Schauspiellegende Carmen Maura, nachdem sich beide vor ein paar Jahren öffentlich überworfen hatten. Die junge, hübsche Yohana Cobo hat sicher das Potenzial zu einer guten Schauspielerin, die neben Cruz beste Darstellung kommt aber von Lola Duenas als Raimundas herrlich nervöse, quirlige Schwester. Männer gibt's hier so gut wie keine, sie werden auch nicht gebraucht oder vermisst. Almodovars starke Frauen beherrschen hier die Leinwand ganz alleine.

Ein klassischer Almodovar ist es also geworden, und vielleicht ist das der größte der ganz kleinen Vorwürfe, die man diesem Film (neben einigen winzigen Längen in der zweiten Hälfte) machen kann: So richtig neu und innovativ ist an "Volver" angesichts des bisherigen Schaffens seines Regisseurs nichts. Aber das muss es natürlich auch nicht. Und einem Meister seines Fachs in Topform zuzuschauen, das ist manchmal mehr als genug. Ein großes Meisterwerk mag "Volver" nicht geworden sein, aber ein feines Meisterstück aus der spanischen Edelküche für Technicolor-getränkte Melodramödien mit fein abgeschmeckter Emotionssauce. Das macht hoffentlich nicht nur Cineasten Appetit.


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