"Sweet November" ist ein Remake von Robert Ellis Millers "Adieu, geliebter November". Ob die Vorlage zu Recht in Vergessenheit geraten ist, sei dahin gestellt. Vermutlich paßte der Stoff in die späten 60er Jahre, in denen thematisch ähnliche Filme wie Peter
So lebensfroh, daß einem fast schlecht wird: Sara
(Charlize Theron) mit ihrem selbstverständlich
schwulen Nachbarn (Jason Isaacs). |
Bogdanovichs "Is' was Doc" (1972) oder Clint Eastwoods "Breezy" (1973) populär waren. Zu Beginn des neuen Jahrtausends erscheint Pat O'Connors mißlungene Mixtur aus charmante-Chaotin-trifft-Karrieremenschen und "Love Story" reichlich überflüssig.
In den Figuren wird konsequent jedes Klischee verbraten, das ein Neo-Hippiemädchen und ein Werber hergeben. Sara Deever (Charlize Theron) ist eine unkonventionelle Lebenskünstlerin. Dies wird dem Zuschauer dadurch kenntlich gemacht, daß sie eine lässige Kombination aus Selbstgehäkeltem trägt, Hündchen aus Versuchslabors befreit, ausgelassen am Strand herumtollt, sich um den vernachlässigten Nachbarsjungen kümmert und ihre besten Freunde zwei Transvestiten sind. Nelson Moss (Keanu Reeves) bildet den dunklen Gegenpart zu dieser Lichtgestalt. Er ist ein Yuppie wie aus dem Bilderbuch. Es muß wohl nicht extra erwähnt werden, daß er ständig unter Zeitdruck steht, emotional inkompetent ist und ein unterkühltes Designerappartement bewohnt in dem sich ein Trimmdichgerät befindet und mehrere Fernseher gleichzeitig laufen. Die Gegensätze, die da bei der Führerscheinstelle San Franciscos zufällig aufeinanderprallen, könnten größer nicht sein.
Beten hilft leider auch nicht:
Nelsons Geschäftspartner versteht
die Welt nicht mehr. |
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat es sich Sara zur Aufgabe gemacht, fremde Männer mit ihrer penetranten Lebensfreude anzustecken. Zu diesem Zwecke muß jeden Monat ein Unglücklicher in ihre gemütlich-chaotische Wohnung einziehen. Da Nelson zum einen in Saras Schuld steht und zum anderen die uralte Yuppie-Lektion erteilt bekommt, daß die Luft ganz oben ziemlich dünn ist und sich plötzlich ohne Job wiederfindet, läßt er sich auf Saras Experiment ein und wird ihr "November". Dies hat für Nelson zur Folge, daß er seinen Designeranzug am Körper eines Obdachlosen wiederfinden und selbst in Jeans und Sweatshirt schlüpfen, mit Sara "Blinde Kuh" spielen und beim Abendessen mit dem Transvestiten-Paar an seine Toleranzgrenzen stoßen muß.
Wer es bis jetzt im Kino ausgehalten hat, ahnt, was kommen muß: Nelson fällt es wie Schuppen von den Augen, daß sein Leben oberflächlich und inhaltsleer war, bis er Sara kennen- und schließlich lieben lernte. Doch das junge Glück ist nur von kurzer Dauer, da Sara ein schreckliches Geheimnis mit sich herumträgt... Es ist allerdings vorwegzunehmen, daß der dunkle Schatten auf Saras sonnigem Leben ihre Erziehungsmaßnahmen um keinen Deut nachvollziehbarer machen.
Dieses Bild ist einfach zu
romantisch, um es mit einem
blöden Kommentar zu versehen. |
Die Charaktere sind derartig platt mit Klischees überladen, daß eine Identifikation mit ihnen unmöglich ist. Keanu Reeves, nicht gerade mit einem differenzierten Mienenspiel gesegnet, kann seiner Figur keinerlei Konturen verleihen. Seine Wandlung vom Yuppie zum Lebenskünstler wird tatsächlich allein am Kostüm- und Wohnungswechsel sichtbar. Auch Charlize Theron, die in "Gottes Werk und Teufels Beitrag" bewiesen hat, daß sie zur ersten Garde des jungen Hollywood gehört, kann da nichts retten.
Sowohl Nelson als auch Sara sind so überzeichnet, daß man schon aus Prinzip Partei gegen die - förmlich mit dem Holzhammer angelegte - Sympathieträgerin ergreift. "Laß Dir von dieser Öko-Tante bloß nichts bieten" möchte man Nelson anfeuern und hoffen, daß er ihren Bestrebungen, einen Gutmenschen aus ihm zu machen, kräftig Paroli bietet. Aber den Gefallen tut O'Connor uns nicht.
Wenn es in den gesellschaftlichen Umbrüchen der frühen Hippiebewegung durchaus innovativ war, Gegensätze aufeinanderprallen zu lassen, erscheint das Schubladendenken gefühlskalter Yuppie - lebensfrohe Chaotin in der Gegenwart, die unendlich viele gesellschaftliche Subgruppen hervorgebracht hat, jedoch gänzlich unangemessen und nicht glaubwürdig. Wer sich einen lauen Sommerabend nicht gründlich versalzen lassen will, sollte sich den "Süßen November" ersparen.
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