Wer meinte, Hollywood genügt es, seinen pathologischen Wiederholungszwang mit Trilogien zu befriedigen, der irrt. Trilogie war gestern: Wenn Robert Rodriguez, der nun seit einiger Zeit an der Hollywoodkrankheit leidet, noch einen vierten Teil der „Spy Kids“-Reihe will, dann bekommt er den natürlich. Und wenn Rodriguez seinen 3D-Film mit der neuen alten Idee des Geruchskinos aufmöbeln will, dann bekommt er auch das. Denn Rodriguez ist ein Kind und das Kino ist sein liebstes Spielzeug, an dem er sich so lange austobt, bis es kaputt ist.
Denn das „Aroma-Scope“, das uns hier als bahnbrechende Neuheit und Erweiterung der Sinne verkauft wird, ist weit davon entfernt, eine vierte Dimension zu eröffnen. Stattdessen kommt es ziemlich kümmerlich als eine kleine Rubbelkarte daher, die eklig süße Gerüche verbreitet, von denen keiner klar zugeordnet, geschweige denn mit dem Film in irgendeiner Weise in Verbindung gebracht werden kann. Und selbst wenn die Idee des Aroma-Scope einigermaßen passabel und mit weniger künstlichen Aromen umgesetzt wäre, so ist doch schleierhaft, wie dadurch das Kinoerlebnis aufgewertet werden soll. Da sitzt man im Dunkeln, linst angestrengt auf eine kleine Papierkarte, um das richtige Geruchsfeld zu finden, und rubbelt und schnüffelt, verzieht das Gesicht und schnüffelt noch mal. Dabei kommt man sich dann nicht nur unbeholfen und lächerlich vor, sondern wird auch vollständig aus dem Filmgeschehen gerissen. Gute Arbeit, Rodriguez: So leicht kann man Spielzeuge kaputt machen.
Neben dem umständlichen Schnüffeln hat man dann ab und zu noch Zeit, den SpyKids-Spürnasen bei der Arbeit zuschauen. Das sind in „Spy Kids 4D“ nicht mehr die altbekannten Gesichter von Carmen und Juni Cortez, sondern Rebecca (Rowan Blanchard) und Cecil Wilson (Mason Cook), die die neue Generation der Kinderspione verkörpern. Es ist zweifellos eine der besseren Entscheidungen des Films, die alten Rollen nicht einfach neu zu besetzen, auch wenn da die unausgesprochene Drohung mitschwingt, einen fünften und sechsten Teil zu drehen (Warum auch nicht? Die Kinowelt braucht unbedingt noch mehr Rubbelkarten und unnötige Gimmicks und Rodriguez braucht sicher bald neue Spielzeuge).
Bevor die neuen Spy Kids von der Geheimorganisation OSS als Spione engagiert werden, sind sie ganz einfach die Kinder einer vermeintlich normalen amerikanischen Familie mit einem Vater (Joel McHale), der als der Star einer Reality-Show, in der er erfolglos Spione jagt, keine Zeit für seine Liebsten hat, und einer Stiefmutter (Jessica Alba), die verdeckt als Spionin arbeitet. Dass die Absurditäten des Plots alles andere als dezent sind, tut dem Spaß keinen Abbruch und sei nicht zuletzt deshalb verziehen, weil der Film in erster Linie Unterhaltung für die gesamte Familie bieten will. Konsequent und ohne Rücksicht auf (Publikums-)Verluste zieht „Spy Kids 4D“ dieses Programm durch und treibt die Absurdität auf die Spitze, wenn Jessica Alba hochschwanger und später mit Kleinkind auf dem Arm ihre Gegner mühelos ausknockt.
Darauf kann man sich einlassen. Kopfschütteln ist erst dann angebracht, wenn der Film ernsthaft versucht, daraus die dem Publikum zu vermittelnden Werte zu schöpfen: Dass Familienzusammenhalt wichtig ist; dass die Familie nicht aus Karrieregründen vernachlässigt werden sollte; dass das, was eigentlich zählt, die Zeit ist, die man sich füreinander nimmt, usw. usf. Aus diesen gelinde gesagt seichten Inhalten bezieht „Spy Kids 4D“ sämtlichen Stoff für die Entwicklung seiner Charaktere sowie die Grundidee des zentralen Konflikts zwischen den Helden und den Superschurkenkollegen Tick Tock und Timekeeper (beide von Jeremy Piven verkörpert). Letzterer ist selbst traumatisiert von dem Verlust seines Vaters und will sich die verlorene familiäre Zweisamkeit zurückholen, indem er dem Rest der Menschheit die Zeit stiehlt.
Was da konkret passiert, nämlich dass der Schurke die Zeit beschleunigt, um in die Vergangenheit zu reisen, sollte nicht zu sehr hinterfragt werden. Hier Logik und Verstand zu bemühen, um dem Film eine plausible Erklärung dafür abzugewinnen, führt nur zu unnötigem Kopfzerbrechen, und es stellt sich auch als wenig hilfreich heraus, dass der junge Cecil beharrlich das Lehrbuch zur Quantenphysik in die Kamera hält. Bloß nicht zu viele Fragen stellen!
Da soll man die konsequente Anspruchslosigkeit der „Spy Kids“-Filme wohl widerstandslos hinnehmen, wobei man aber mit einiger Berechtigung argumentieren kann, dass Anspruchslosigkeit niemals damit entschuldigt werden sollte, dass es sich „nur“ um einen Kinderfilm handelt, denn gerade das macht sie bedenklich. Wenn man die Halbherzigkeit der pädagogischen Versuche mal außen vor lässt, so bleibt aber immer noch der Spaßfaktor, der glücklicherweise nicht zu kurz kommt. Für primitive Belustigung und freudige Unbeschwertheit braucht es ja auch nicht viel mehr als ein paar rasante Rutschpartien, die kindgerecht und schmerzfrei in einem Bad aus bunten Plastikkugeln enden. Dazu ein paar Kinderstreiche, die man nicht gleich als originell bezeichnen muss, die aber immerhin mit einer grundsoliden Kreativität umgesetzt werden.
Als Geschmacksfrage bleibt es dann jedem selbst überlassen, ob der kinderfreundliche Fäkalhumor von „Spy Kids 4D“ zu überzeugen vermag. Von Kotzbeuteln und vollen Windeln, die zu gefürchteten Wurfgeschossen werden, bis hin zu einem sprechenden Roboterhund, der statt stinkenden Häufchen kotförmige Metallkügelchen zur Abwehr der Gegner ausscheiden kann, ist alles dabei. Klingt eklig – ist aber (zumindest was die visuelle Ebene betrifft) fleckenfrei und sauber inszeniert. Ein Lob verdient der Film zuletzt auch für seinen Mut, Geschlechterkonventionen kurzzeitig zu durchkreuzen, wenn der Junge Cecil in ein pinkes, das Mädchen Rebecca aber in ein blaues Mini-Shuttle gesetzt wird.
Es mag also Gründe geben, sich diesen Film anzusehen, und weder über fehlende Unterhaltung, noch über einen schlechten 3D-Effekt (der übrigens ganz hervorragend zu dem Plastik-Look der SpyKids-Welt passt) braucht man sich zu beschweren. Was „Spy Kids 4D“ wohl am ehesten vorgeworfen werden kann, ist schlichtweg seine Unnötigkeit. Es ist ein Film, der nicht mehr als halbherzige Pseudo-Pädagogik hervorbringt, der nach eklig überzuckerten Süßigkeiten schmeckt, nach künstlichen Rubbel-Aromen riecht und weit davon entfernt ist, die Sehnsucht nach Kindheit in uns zu wecken. Ganz im Gegenteil: Angesichts von „Spy Kids 4D“ können wir uns ohne jegliche Spur des Bedauerns darüber freuen, dass wir keine Kinder mehr sind. Und dass uns dieser Film nicht mehr als anderthalb Stunden unserer Zeit stehlen konnte.
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