Billy „The Great“ Hope (Jake Gyllenhaal) ist der ungeschlagene Weltmeister im Halbschwergewicht, der nach jedem harten Kampf heim zu seiner Frau Maureen (Rachel McAdams) und Tochter Leila (Oona Lawrence) kommt. Als es nach einer Provokation durch seinen Konkurrenten Miguel Escobar (Miguel Gomez) zu einem Handgemenge mit Schusswechsel kommt, verliert Billy nach und nach alles – seine Frau, seinen Titel, seinen Besitz und dann seine Tochter an das Sozialamt. Aber was wäre eine gute Boxerstory ohne ein gutes Comeback – und so macht sich Billy unter den Augen des Anfangs unwilligen Trainers Tick Wills (Forest Whitaker) an die Arbeit, um sich zurück in den Ring und in die Rolle als Familienvater zu kämpfen...
Der Boxerfilm hat mit Martin Scorseses „Wie ein wilder Stier“ ein unantastbares Meisterwerk hervorgebracht, aber auch viel Mittelmaß. Und hatte man im Falle von „Southpaw“ aufgrund der Namen der Beteiligten nur ganz verhalten auf Ersteres gehofft, so ist dann relativ erwartbar zweiteres eingetreten. Es kommt dabei schließlich auch auf das „wer?“ der Beteiligten an. Wenn hier jemand auf Großes hoffen ließ, dann natürlich Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal, der schon immer gut war, aber in der letzten Zeit mit Filmen wie „Prisoners“ und „Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis“ noch mal an Klasse zugelegt hat. Die Leute hinter den Kulissen stehen dagegen eher für gutes Mittelmaß: Antoine Fuqua ("Training Day", "King Arthur", "The Equalizer") ist seit jeher Mann für knackiges, aber eben auch mehr oder weniger durchschnittliches Actionkino, und Autor Kurt Sutter nicht eben für Subtilität und Vielschichtigkeit bekannt.
Und so hat sich im Falle dieses Films alles so entwickelt, wie vorausgesagt: Gyllenhaal ist wieder mal großartig, wird aber von Drehbuch und Film ein wenig im Stich gelassen. Natürlich kann man in den letzten Filmen erkennen, dass Jake Gyllenhaal das Ganze De Niro-Pacino-Arsenal an Kniffs durchgeht (körperliche Ticks in „Prisoners“, sich dünner hungern für „Nightcrawler“ und nun dicke Muskeln antrainieren). Aber eben auch, was für eine gute Arbeit er leistet. Diese Siegessträhne hält auch hier an, was aber nur bedingt für den Film gilt. Denn obwohl Gyllenhaal selbst in der schauspielerischen Schwergewichtsklasse antritt, sind Dramaturgie und Skript hier eher dem Fliegengewicht zuzurechnen.
Gerade Sutters Skript läßt vom windigen Promoter (durchaus charismatisch: Curtis "5O Cent" Jackson) über die kriminellen Entouragen der Boxer bis hin zum alten Ex-Fighter mit leicht abgewracktem Boxsaal (Forest Whitaker als schielender XXL-Box-Yoda) so gut wie kein Klischee aus, was wie gesagt wenig verwundert. Schon bei seinen Skripts für die TV-Serie „The Shield“ und dann als Showrunner von den „Sons of Anarchy“ hat Sutter ja eher Attitüde als Tiefgründigkeit walten lassen, und das gilt auch hier. Sutter ergibt sich ja auch im wirklichen Leben in dicken Machoklischees (und scheint manchmal – siehe seine Twitterfehden – seinen eigenen Machobullshit viel zu ernst zu nehmen) und hat ein paar davon hier gleich mitgenommen. Zudem dann ungewohnterweise richtiger Hollywoodschwulst: Wenn Billys Tochter Brillenträgerin ist und zudem ein wenig altklug aber gleichzeitig auch viel weiser als ihr Alte, haben wir es mit der typischen wie nicht unbedingt realistischen Darstellung von Kindern in Hollywoodproduktionen zu tun. Wenigstens hat man es sich gespart, ihr noch Asthma zu verpassen. Aber insgesamt wird hier so jedes erdenkliche Klischee bedient. Und Antoine Fuqua kann das alles sehr nett und bisweilen auch beschwingt, wie in den Boxszenen, aber eben doch ohne größere Inspiration abfilmen.
Wenn es etwas Positives gibt, dass „Southpaw“ zum Subgenre des Boxerfilms beiträgt, dann dass der Film endlich mal mit dem seit Ewigkeiten bestehenden Klischee der Art und Weise, wie Boxer im Film ihr Handwerk betreiben, aufräumt. Seit jeher wird in Boxerfilmen wie der „Rocky“-Reihe Boxen als reines Haudrauf ohne jegliche Deckungs- oder Verteidigungsversuche gezeigt. Hier wird dies wenigstens thematisiert. Wenn Billy Hope am Anfang die Film typische Taktik „erst ordentlich auf die Fresse bekommen um dann mit ordentlich Wut im Bauch und ein paar gezielten Schlägen den Gegner k.o. schlagen“ benutzt, wird dies postwendend von seiner Frau moniert, und im Training mit Tick Wills als Erstes in Angriff genommen.
Apropos seine Frau: Die Beziehung zwischen Billy und Maureen ist das emotionale Herzstück des Films und beiden gelingt es in ihrer kurzen gemeinsamen Leinwandzeit, glaubwürdig die Verbundenheit dieser beiden zu zeigen. Das tragische Ende dieses Leinwandpaars wäre allerdings packender und trauriger, wenn nicht in Maureens Sterbeszene weder Billy noch eine andere dieser Pfeifen je etwas von einem Druckverband gehört hat. Da werden die so emotional gemeinten letzten Worte zwischen den beiden schon ein wenig davon abgeschwächt, dass sich alle hier wie Idioten verhalten.
Dass „Southpaw“ mehr Schein als Sein ist wird schon ironisch in und durch den Titel deutlich. Denn mit der titelgebenden Südpfote sind im Boxen Linkshänder gemeint, Billy Hope schlägt aber zumeist mit der rechten Faust zu. Es war wohl zu schwierig, Gyllenhaal neben Boxkünsten auch noch eine komplette Veränderung der Haupthand beizubringen. Und so darf Billy dann zwar im großen Kampf auch mal fotogen eine knallende Linke abfeuern (und in der Originalversion wird dann auch endlich vom Kommentator von der „southpaw“ gesprochen), aber letztendlich bleibt die Relevanz des Titels mehr behauptet als gezeigt.
Womit man eigentlich auch beim Urteil über den Film angelangt ist. Ein Film, der gern mehr sein möchte, als er ist und sein kann. Das ist alles nicht schlecht und wird von Jake Gyllenhaals Vorstellung allein noch knapp über den Durchschnitt gerettet, aber wirklich zu empfehlen ist „Southpaw“ nur denjenigen, die ihre Kinofilme gerne ohne nennenswerte Überraschungen mögen.
Neuen Kommentar hinzufügen