Shine a Light

Originaltitel
Shine a Light
Land
Jahr
2007
Laufzeit
122 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Patrick Wellinski / 29. Januar 2011

Ab und zu, wenn er mal gerade genug hat von seinen monumentalen Hollywood-Epen mit oder auch ohne Leonardo DiCaprio, dann dreht Meisterregisseur Martin Scorsese gerne Dokumentarfilme. "It keeps me fit", sagt der 66-jährige Regisseur. Vorrangig begibt er sich dabei in das Musikmilieu. Doch diese Ausflüge sind mitnichten nur schlichte Fingerübungen, denn auch im Genre des Dokumentarfilms schafft es Scorsese seine Fähigkeiten zur Perfektion einzusetzen. Mit "The Last Waltz" kreierte er ein wahres Monument der Musik-Dokumentation, und auch sein hierzulande nur auf DVD erschienenes Bob Dylan-Porträt "No Direction Home" war eine beeindruckende Demonstration seines Könnens. In "Shine a Light" widmet er sich nun den absoluten Rock'n'Roll-Urgiganten, den Rolling Stones.

Der Film, der in diesem Jahr die Berlinale eröffnete, ist eine Aufzeichnung eines 2006 mitgeschnittenen Stones-Konzerts in New York, welches die Rocker speziell zu Bill Clintons Geburtstag gaben. Die erste halbe Stunde ist grandios. Die Vorbereitungen für das Konzert lassen den Oscargewinner Scorsese zur Höchstform auflaufen. Er inszeniert sich selber als äußerst akribischen und detailversessenen Filmemacher, der daran verzweifelt, dass Mick Jagger ihm immer noch nicht die Set-List überreicht hat und dass ihn der Lichtassistent ständig bittet, eine weniger starke Beleuchtung einzusetzen. Einmal sagt er: "Wenn Mick länger als 18 Minuten in diesem Licht steht, dann wird er verbrennen!" Darauf der Regisseur: "Wie meinst du das? Wir können Mick Jagger nicht verbrennen."
Diese Selbstinszenierung kann man peinlich und unangebracht finden, doch beweist Scorsese eine Menge Humor und wird dadurch eigentlich nur noch sympathischer, als er sowieso schon ist. Die Stones erscheinen in diesem halbstündigen Vorspiel als alte versierte Showhasen, die sogar gegenüber dem ehemaligen Präsidenten Bill Clinton keinen überbordenden Respekt zeigen. Besonders komisch äußert sich dies, wenn Keith Richards (der der eigentliche Star des ganzen Films ist) Hilary Clintons Mutter ganz cool mit dem Vornamen begrüßt. Der Schelm Richards flüstert dann auch noch ganz erregt in die Kamera: "Hey, Clinton! I've got bushed.".

Darauf folgt die Aufzeichnung des nahezu vollständigen Konzerts. Gespickt ist der Auftritt mit zahlreichen Gastauftritten von bekannten Musikern. So stehen unter anderem Popstar Christina Aguilera, Jack White (von den White Stripes) und auch Blueslegende Buddy Guy zusammen mit Mick Jagger auf der Bühne des New Yorker Beacon Theaters. Zwischendurch lockert Scorsese seinen Film auf, indem er kleine dokumentarische Aufnahmen über die jungen Stones und ihre Durchbruchsphase einstreut. Trotzdem ist "Shine a light" mitnichten ein Dokumentarfilm, auch wenn er überall so bezeichnet wird. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen klassischen Konzertfilm. Schließlich sehen wir keine Rekonstruktion oder Analyse des Mythos Rolling Stones. Dazu reichen die Doku-Schnipsel zwischen den einzelnen Auftritten bei weitem nicht. Aber Scorsese weiß ganz genau was er tut. Wie er in zahlreichen Interviews beteuerte, wollte er nicht einen weiteren Dokumentarfilm über die Stones machen. Derer gebe es genug, meint der Regisseur. Recht hat er.

Vielmehr interessiert Scorsese die Chemie zwischen den einzelnen Bandmitgliedern. Er beobachtet mit einer ausgefeilten Präzision ihr Verhältnis untereinander. Und das äußert sich nun mal am intensivsten und vielleicht auch am ehrlichsten während eines Konzerts. Deshalb ist "Shine a Light" immer dann besonders anregend und faszinierend, wenn er ganz nah an die Gesichter der Stones heranrückt. Manchmal hat man das Gefühl, als würde sich die Kamera förmlich in die tiefen Furchen von Mick Jaggers Gesicht eingraben. Tatsächlich bekommt man so einen guten Eindruck davon, dass die Falten seines Gesichts wohl wildere Geschichten erzählen, als es sich jedes Boulevardblättchen der Erde je erträumen könnte. Und gibt es einen größeren Freundschaftsbeweis als den Moment, als sich Keith Richards und Mick Jagger während eines Songs Stirn an Stirn tief in die Augen sehen? Zwischen diese beiden passt nun wirklich kein Blatt mehr. Ein ganz besonderer Moment, den Scorsese wie ein Carravagio-Gemälde ausleuchtet.

Man muss zwar nicht unbedingt der größte Stones-Fan sein um "Shine a Light" genießen zu können. Doch wenigstens der Musik sollte man grundsätzlich etwas abgewinnen können, denn sonst wird man es wahrlich schwer haben, diesen zweistündigen Film zu überstehen. Ansonsten freuen wir uns alle schon auf das nächste Musik-Doku-Projekt von Martin Scorsese. Szenentratsch zufolge soll es ein Film über Bob Marley sein.

Bilder: Copyright

Alte Oppas auf der Bühne gefilmt von einem alten Oppa...

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