Berlin im März 1943. "Wir wollen unsere Männer wiederhaben!" skandieren die Frauen vor dem Gefängnis in der Rosenstraße. Plötzlich verstummen die Rufe, die SS marschiert auf und richtet ein Maschinengewehr auf die Gruppe. Offener Widerstand im "Dritten Reich"? Es handelt sich zwar um eine Szene aus dem neuen Film von Margarethe von Trotta ("Die bleierne Zeit") - fiktiv ist sie jedoch nicht. Erst jetzt, 60 Jahre nach dem Aufstand sogenannter "arischer" Frauen, die vor dem ehemaligen jüdischen Versorgungsamt in der Berliner Rosenstraße die Freilassung ihrer internierten jüdischen Ehemänner forderten, ist die Zeit reif für dieses weitgehend unbekannte Ereignis deutscher Geschichte. Widerlegt diese Episode doch die bequeme Behauptung, Widerstand gegen die Nazis sei unmöglich, ja lebensgefährlich gewesen.
Die deutschen Frauen aus den sogenannten "Mischehen" versammelten sich eher zufällig im März 1943 vor dem zum Gefängnis umfunktionierten Haus in der Rosenstraße. In völliger Unkenntnis über das Schicksal ihrer jüdischen Ehemänner, die nicht von ihrer Zwangsarbeit in den Fabriken zurückkehrt waren, warten sie hier angstvoll auf Informationen. Immer neue Frauen kommen hinzu, die Gruppe wächst stündlich an und plötzlich werden die Rufe laut. Das Wachpersonal fühlt sich schließlich dermaßen bedrängt, dass die SS gerufen wird - und unverrichteter Dinge wieder abzieht. Denn im Frühjahr 1943, nach Stalingrad und den Luftangriffen auf deutsche Städte, können die Nazis es nicht wagen, eine Gruppe "arischer" Frauen über den Haufen zu schießen. Schließlich geschieht das Unerwartete: die jüdischen Männer werden aufgrund des Aufstandes ihrer Frauen freigelassen. Der Sieg ist freilich nur ein vorübergehender. Die Nazis müssen dem Druck zwar nachgeben, sind jedoch fest entschlossen, die Häftlinge erneut zu internieren.
Von Trotta wollte den Stoff bereits 1995 verfilmen, erhielt jedoch keine Finanzierung - in der Blütezeit deutscher Beziehungskomödien war ein Film über diese Episode deutscher Geschichte, der einige unbequeme Fragen aufwirft, wohl zu unpopulär, wie die Regisseurin mutmaßt. Aus den Widerständlerinnen der Rosenstraße hat sie zwei - fiktive - Charaktere herausgegriffen, die eine Brücke über die vergangenen 60 Jahre schlagen. Hanna (Maria Schrader), eine New Yorker Journalistin, versteht die Welt nicht mehr, als ihre Mutter Ruth sich nach dem Tod ihres Mannes plötzlich auf ihre jüdische Religion besinnt und Hannas Hochzeit mit dem Südamerikaner Luis (Fedja von Huêt) verhindern will. In dem Bestreben, ihre Mutter zu verstehen, begibt Hanna sich auf Spurensuche in deren Vergangenheit - und landet schließlich bei Lena Fischer in Berlin. Die adlige Lena (Katja Riemann) hat Anfang der 30er Jahre den jüdischen Musiker Fabian (Martin Feifel) geheiratet.
Gegen den Widerstand der nationalsozialistischen Eltern und unter der Schreckensherrschaft der Nazis führten die beiden eine glückliche Beziehung - bis Fabian eines Tages nicht mehr von seiner Arbeit in einer Munitionsfabrik zurückkehrt. Verzweifelt versucht Lena, vor dem Gefängnis in der Rosenstraße Informationen über Fabians Verbleib zu erhalten. Dort trifft sie auf Schicksalsgenossinnen - und auf das kleine Mädchen Ruth (Svea Lohde), die nach der Internierung ihrer jüdischen Mutter und dem Weggang ihres "arischen" Vaters auf sich allein gestellt ist. Lena nimmt Ruth bei sich auf und kämpft - beschimpft als "Judenhure" - bei den Nazischergen und in der Rosenstraße um die Freilassung ihres Mannes. Doch auch die Unterstützung ihres Bruders Arthur (Jürgen Vogel), einem in Stalingrad verwundeten Wehrmachtsoffiziers, bleibt erfolglos. Bis es zu eben jenem Aufstand kommt. Im Laufe der Erinnerungen Lenas versteht Hanna die Gefühle ihrer Mutter und beginnt, an ihrer eigenen Beziehung zu zweifeln, als sie Luis am Telefon die Frage stellt, wie er sich vor 60 Jahren verhalten hätte.
Mit hervorragenden Darstellern verbindet von Trotta die Schicksale dreier Frauen über eine Zeitspanne von drei Jahrzehnten und hat einen wunderbaren Film über die Kraft der Liebe geschaffen. Das glamouröse Vorleben Lenas gerät ihr dabei etwas zum Klischee und wäre gar nicht nötig gewesen. Wünschenswert hingegen wäre eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Thema "Widerstand im Dritten Reich" gewesen. Auch wenn es sich bei den Ereignissen in der Rosenstraße weniger um einen politischen, organisierten Widerstand gehandelt hat - bei von Trotta gerät er doch zu sehr zu einem "Aufstand der Herzen". Bleibt zu hoffen, dass der Film das Thema mit seinen vielen unpopulären Fragen dennoch in das öffentliche Bewusstsein bringt.
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