Der 16-jährige Paul (Sebastian Urzendowsky) steht eines Tages ganz ohne Anmeldung an der Tür seines Onkels Stefan (Falk Rockstroh). Dessen Frau Anna (Marion Mitterhammer) und Sohn Robert (Clemens Berg) sind alles andere als begeistert. Doch da Pauls Vater erst vor kurzem Selbstmord begangen hat, wollen sie den Jungen auch nicht gleich abweisen. Man einigt sich, dass Paul vorerst bleiben darf. Damit er sich nicht langweilt, hat Paul sich schnell eine Aufgabe gefunden: Er will den vernachlässigten Pool, der im Garten vor sich hin schimmelt, wieder auf Hochglanz bringen. Aber seine Anwesenheit bringt auch die verdrängten Konflikte und Probleme der kleinen Familie zum Vorschein. Besonders, als Stefan für zwei Wochen beruflich weg muss. Was er nicht weiß: Wenn er wieder kommt, wird nichts mehr so sein wie früher.
Matthias Luthardt, der mit "Pingpong" seinen Abschlussfilm
an der Hochschule für Film und Fernsehen in Berlin abliefert,
darf man als Mitglied der so genannten Neuen Berliner Szene zählen.
Hinter diesem Label verbergen sich junge Filmemacher (z.B. Valeska
Grisebach, Henner Winkler, Christoph Hochhäusler, Christian
Petzold) die mit ihren äußerst präzisen Werken auf
den Festivals der Welt derzeit für einiges Aufsehen sorgen.
Egal ob Cannes, Toronto oder Venedig, man spricht schon von der
"Nouvelle Vague Allemande". Auffällig ist, dass in
den Werken der meisten dieser Regisseure die Familie im Vordergrund
steht. Um genauer zu sein ihre Zerbrechlichkeit und ihre Stellung
in der Gesellschaft, und das alles unter dem pessimistischen Blick
der jungen Regie-Generation. In dieses Muster fügt sich "Pingpong"
nahezu nahtlos ein.
Dabei
liegt über die gesamte Spielzeit eine tiefgründige Spannung
über der Geschichte. Ständig könnte sich da etwas
entladen, egal ob Streit oder kalkulierter Wutanfall, und unausweichlich
führt diese Atmosphäre zum nächsten Blitz (und Donner).
Paul dient als Katalysator, der die unterdrückten Gefühle
der einzelnen Familienmitglieder ans Licht bringt. Wenn Robert unter
dem penetranten Druck seiner Mutter am Klavier üben soll, flüchtet
er sich in den Alkohol. Das geht so weit, dass er betrunken zur
Aufnahmeprüfung geht. Ein grausames Bild der elterlichen Ignoranz.
Besonders erschütternd ist die Liebe, die Anna ihrem Hund Schubert
schenkt. Da hat sie natürlich für ihren Sohn keine positiven
Gefühle mehr übrig. Dann ist da wieder Paul, der sich
in der eiskalten Aura von Anna doch wohl zu fühlen scheint
und sich offensichtlich in sie verliebt. Eine Zuneigung, die Anna
fälschlicherweise als Sympathie auffasst. Später weiß
sie selber nicht, was sie fühlt.
Luthardt hebelt die gutbürgerliche Fassade gekonnt aus ihren
verlogenen Fugen. Er entwirft ein Bild der totalen Dekonstruktion.
Was aber "Pingpong" so bewundernswert macht, ist, dass
der junge Regisseur oft beeindruckende Bilder für seine Geschichte
findet und sich
nicht hinter dem Drehbuch versteckt. Bilder wie dieses: In einer
Nacht liegt Paul am Rand des noch immer nicht fertigen Pools. Er
starrt gedankenverloren in den nächtlichen Himmel. Aus dem
Haus kommen die Ballergeräusche einer Playstation. Es herrscht
Krieg. Und irgendetwas in dieser Einstellung macht einem unmissverständlich
klar, dass dieser Krieg keine Sieger übriglassen wird. Und
der Pool wird zur grausamen Metapher. Dieses viereckige Loch im
Boden wird zum Grab. Noch ein schwarzes Vorzeichen.
Bei der Vielzahl an Konflikten (da sind noch der von Paul unverarbeitete Selbstmord seines Vaters und Roberts problematisches Verhältnis zu Stefan) verliert Matthias Luthardt zum Ende hin ein wenig den Überblick. Außerdem wäre ein weniger träges Tempo sicherlich ansehnlicher gewesen. Aber das sind wirklich nur Kleinigkeiten, die den Gesamteindruck etwas trüben. Bei "Pingpong" handelt es sich um junges, ambitioniertes und beeindruckendes Kunstkino aus Deutschland. Dass dies hierzulande immer noch eine Seltenheit ist, ist dann noch ein Grund mehr, diesen Film zu empfehlen.
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