Einmal den ganz großen Durchbruch schaffen. Einmal mit der eigenen Band ein Studio mieten und ein Album aufnehmen. Ein für alle mal dem eintönigen Alltag entfliehen, um nach den Sternen zu greifen. So ungefähr sehen die Träume des namenlosen Straßenmusikers (Glen Hansard) aus, dem wir in "Once" zum ersten Mal in der Dubliner Innenstadt begegnen. Als ihm eines Tages eine junge Tschechin (Markéta Irglová) über den Weg läuft, die seine Leidenschaft zur Musik teilt, versuchen beide ihrem Traum, endlich professionell Musik zu machen, ein Stück näher zu kommen.
Der irische Regisseur John Carney, der mit seinen
vorherigen Filmen
"November Afternoon" und "On The Edge" schon
einige kleine Erfolge feiern durfte, liefert mit seinem
neusten
Streich "Once" seine ganz eigene Version eines modernen
Musicals ab und erfindet nebenbei das Genre neu. Dabei ist
die Geschichte,
die er uns erzählt, von purer Einfachheit. Schließlich
hält sich Carney an Billy Wilders Urformel für einen
gelungenen
Film: Boy meets Girl. Dabei reduziert er die Regel so
sehr, dass
er den Helden von "Once" nicht einmal mehr Namen gibt.
Durch ihre Musik kommen sie uns ohnehin viel näher, als so
manche ernste Charakterstudie es je bewältigen würde.
Das dies letztlich funktioniert, ist ohne Zweifel den
beiden tollen
Hauptdarstellern zu verdanken. Glen Hansard (der fast alle
Songs
für den Film selber geschrieben hat) war früher Mitglied
der in Großbritannien sehr bekannten Indie-Rock Band The
Frames.
Als er seine Solokarriere
begann,
nahm er sein erstes Album mit der tschechischen
Multi-Instrumentalistin
Markéta Irglová auf. Eine Zusammenarbeit, an die er
sich erinnerte, als ihn der Regisseur Carney darauf
ansprach einen
kleinen Film mit ihm zu drehen. Beide versprühen auf der
Leinwand
eine wunderbare Natürlichkeit. Sie agieren nie angestrengt
oder vorhersehbar und überzeugen restlos.
Das besondere an diesem wunderbaren Film ist nicht nur
die herzerwärmende
Singer-Songwriter-Musik, sondern die Art und Weise wie die
Songs
in den Plot eingebettet werden und so fast ausschließlich
aus der Erzählung heraus entstehen. Das unterscheidet
"Once"
auch von klassischen Vertretern des Genres, wie zum
Beispiel "Dreamgirls"
oder "Chicago". Bunte und opulent ausgestattete
Musicalnummern
sucht man hier jedenfalls vergebens. Wenn sie ihn
beispielsweise
in einem Bus fragt, wieso er nicht mehr mit seiner
Freundin zusammen
ist, greift er sofort zur Gitarre und erzählt unglaublich
lustig
aber zugleich auch brutal ehrlich, die Geschichte seiner
gescheiterten
Beziehung: But she went and screwed some guy she knew /
And now
I'm in Dublin with a broken heart. Oder wenn sie sich nach
einer
langen Session ans Klavier setzt und für ihren in
Tschechien
zurückgebliebenen Mann sing: Where are you now, angel now /
Don't you see me crying, dann eröffnet sich die volle
Tragik
und das ganze innere Gefühlsleben einer Person in einem
nahezu
magischen Augenblick. Und "Once" ist voller solcher
Augenblicke.
Dabei begegnet der Film seinen Figuren nie voyeuristisch
oder ausbeuterisch.
Vielmehr zeigt er ohne Umschweife, dass Trauer und Glück
im
Alltag oft dicht beieinander liegen. Wenn die beiden mit
ein paar
Straßenmusikern dann endlich die Möglichkeit bekommen,
in einem Studio ein Album aufzunehmen, schwingt sich der
Film zu
einem wahren Höhenflug auf und offenbart seine ganze
Schönheit.
Und was ist mit der
Beziehung der
Hauptfiguren? Oder anders gefragt: Wird der Boy sein Girl
erobern?
Als er und sie sich im Verlauf des Films zwangsläufig
langsam
näher kommen und eine mögliche
Beziehung für einen kurzen Moment am Horizont aufleuchtet,
dann ist Carney
mutig genug "Once" nicht verkitschen zu lassen. Denn
obwohl kein Zweifel bestehen dürfte, dass
die beiden für einander geschaffen sind, unterscheiden
sich
ihre Leben nun mal fundamental voneinander. Sie ist
verheiratet,
hat ein Kind und muss an dessen Zukunft denken. Er
hingegen hat
die Aussicht auf eine große Karriere im Musikgeschäft.
Zwei Menschen zu sehen, die zu einander passen aber nicht
zu einander
kommen dürfen, ist herzzerreißend und unglaublich traurig.
Gleichzeitig ist man aber auch gerührt und begeistert von
der
Liebenswürdigkeit und dem Respekt, den sich beide
entgegenbringen.
Der Film transportiert dieses Gefühl natürlich perfekt
auf der Ebene Songs, doch auch die grandiosen Bilder tun
ihr übriges.
"Once" ist sehr schön fotografiert. Kameramann Tim
Fleming hat es geschafft, durch den Einsatz einer
Handkamera die
Zerbrechlichkeit der Beziehung einzufangen und dabei doch
immer
auch sehr warme und vollkommen klare Bilder zu erzeugen.
In
den USA gewann "Once" zunächst den Publikumspreis
beim renommierten Sundance Film Festival und wurde dann zu
einem
kleinen Überraschungshit an den Kinokassen. Und es gab
selten
einen Film, dem man den Erfolg so sehr gegönnt hat wie
dieser
umwerfenden kleinen Perle. Man muss "Once" für seine
leichte und ungezwungene Art lieben, denn er ist
inspirierend, wie
es schon sehr lange kein Film mehr war, und seine Lieder
sind eine
wahre Erleuchtung. Und dies alles schafft der Film, obwohl
sein
Produktionsbudget kaum mehr als die Cateringkosten von
"Dreamgirls"
abgedeckt hätte. Der Effektivität tut das jedenfalls
keinen
Abbruch.
Der Zeitschrift USA Today sagte der große Steven
Spielberg:
"Ein kleiner Film mit dem Titel "Once" gab mir genug
Inspiration, um über den Rest des Jahres zu kommen." Wenn
das mal keine prominente Schützenhilfe ist. "Once"
feiert die Leidenschaft zur Musik und teilt diese
uneingeschränkt
mit jedem, der sich diesem süchtig machenden Sog hingeben
möchte.
Mehr will und kann man von einem Musikfilm nicht
verlangen. Chapeau!
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