Ist es gewagt einen Film lediglich mit seinem kurzen, nichtssagenden Titel sowie einem – was die eigentliche Handlung angeht - ebenfalls sehr im Vagen bleibenden Trailer anzukündigen? Nun, solch ein Vorgehen kann natürlich auch die Neugierde anstacheln und den Event-Charakter eines Films betonen und dürfte vor allem dann funktionieren, wenn allein der Name des Machers eben diese Neugier quasi schon garantiert. Jordan Peele heißt der Mann, der nach den beiden Hits „Get Out“ und „Wir“ bereits zu einer Marke geworden ist, auf deren neueste Veröffentlichung viele gespannt warten. Klar wird immerhin auch bei „Nope" sehr schnell, dass wir uns erneut im Mystery-Genre bewegen, und irgendwo zwischen den Grenzen von Horror und SF ist das Werk letztlich auch zu verorten. Mit einem erneut ganz eigenen Stil und einer Atmosphäre, die einen zwei Stunden lang gebannt auf die Leinwand starren lässt.
Auf eine große Öffentlichkeit und deren Aufmerksamkeit ist der eher scheue und zurückhaltende OJ (Daniel Kaluuya) eigentlich gar nicht scharf, daher überlässt er auch seiner Schwester Em (Keke Palmer) gern die Vermarktung und Werbeauftritte für ihr gemeinsames Unternehmen. Doch das Modell, speziell geschulte Pferde für Filmdrehs und andere Shows zu verleihen, läuft trotzdem nur mäßig, erst recht seit der Vater der beiden (Keith David) bei einem merkwürdigen Unfall durch den Einschlag mehrerer aus dem Nichts kommender metallischer Gegenstände auf der Farm zu Tode kam. Und es treten weiterhin merkwürdige, rational nicht erklärbare Phänomene auf, die bei OJ und Em den Verdacht wecken, sie könnten womöglich außerirdischer Herkunft sein. Doch statt sich ängstlich zu verziehen beschließen die Geschwister der Sache auf den Grund zu gehen und nach Möglichkeit Beweise für ihre Vermutung zu finden. Beweise, die man eventuell sogar lukrativ vermarkten kann.
Und so begeben sie sich gemeinsam mit dem nerdigen Elektronik-Verkäufer Angel (Brandon Pareia) auf die Jagd nach dem „Money Shot“ - ein Trio, das in Sachen clever eingesetzter Hilfsmittel plus eigenem Ideenreichtum wohl nicht ganz zufällig an die drei Männer erinnert, die sich einst bei Steven Spielberg auf die Jagd nach dem Weißen Hai machten. Allerdings muss man bei allem Respekt für das große Vorbild ganz klar zugeben, dass dieses bei der optischen Präsentation des „Monsters“ im Vergleich ganz schön abstinkt. Der Aufbau ist ähnlich, denn was zunächst nur schemenhaft und undeutlich zu erkennen ist wird dann im letzten Akt in all seiner Pracht gezeigt, und da beeindruckt „Nope“ mit einem äußerst originellen visuellen Konzept, das zudem im Verlauf noch immer weiter mutiert und sich verändert. Überhaupt hat Jordan Peele ja nun schon mehrfach Mut bewiesen, was das konsequente Durchziehen seiner im Kern oft doch ziemlich wilden und durchaus leicht trashig anmutenden Storys angeht.
Auch bei den von der Kritik überwiegend gefeierten und prämierten „Get Out“ und „Wir“ gab es diese Momente, in denen das Ganze ins Lächerliche hätte kippen können, ob nun bei den Experimenten eines verrückten Wissenschaftlers oder der Schilderung einer riesigen unterirdischen Population. Aber Peele bleibt da eben nicht wie viele Andere im Ungefähren oder stiehlt sich mit einer „Das kann dann jeder Zuschauer für sich deuten“-Auflösung davon. Nein, bei ihm gibt es konkrete Antworten und Bilder, was in dem phantastischen Umfeld, in dem seine Geschichten spielen, halt auch mal richtig schief gehen könnte. Dass dies dann aber eben doch nicht geschieht, ist eine wirklich beachtliche Leistung, und die Erklärung, warum dem so ist, gar nicht so einfach.
Denn Potential ins Alberne abzudriften bietet zweifellos auch „Nope“. Doch dank der in der Vorbereitung aufs Spektakel aufgebauten, extrem realistischen und beängstigenden Atmosphäre ist man gern bereit auch dann dabei zu bleiben wenn es wirklich wild wird. Wozu auch die lebensechte, glaubwürdige Leistung der Darsteller beiträgt. Insbesondere der bereits aus „Get Out“ bekannte Daniel Kaluuya interpretiert seinen OJ derart zurückhaltend und natürlich, dass man ihn einfach durchgehend für absolut „echt“ hält. Dass sieht bei Steven Yeun („The Walking Dead“) zwar etwas anders aus, doch da erfordert die Figur des überheblichen Showmannes Ricky halt auch eine andere Herangehensweise.
Diese Figur ist es dann auch, die eine immer wieder durch Rückblenden eingeschobene Backstory erhält, bei der es dann tatsächlich Interpretationssache bleibt, was genau die uns sagen möchte und in welcher Verbindung sie zum Rest des Geschehens steht. Das kann man ja auch gerne so machen, wirkt es doch eher wie eine kleine Kopfnuss als Bonus zum Hauptgang. Und der fasziniert auch diesmal wieder durch seine Stimmung und fesselnde Spannung, die sich in einem Finale entlädt bei dem man dann mit Einsetzen des Abspannes feststellt: Hat man so auch noch nicht gesehen.
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