My Summer of Love

Originaltitel
My Summer of Love
Jahr
2004
Laufzeit
86 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 22. Juni 2010

 

Es ist Sommer, es ist heiß, und es ist langweilig. Die jugendliche Mona (Natalie Press) lebt in einem englischen Kaff und hat nicht viel Spaß an ihren Ferien. Der Pub, der bisher im Familienbesitz war, wird von ihrem frisch aus dem Knast entlassenen und zum Fundamental-Christen konvertierten Bruder Phil (Englands Indie-Ikone Paddy Considine) dicht gemacht und zur Gebetsstätte für die örtlichen Jesus-Freaks umgebaut. Der Mann, mit dem sich Mona trifft, ist verheiratet und nur an einem schnellen Fick im Auto interessiert. Abwechslung kehrt erst in diese Einöde ein, als Mona die gleichaltrige Tamsin (Emily Blunt) kennen lernt - ein Mädchen aus besserem Hause, das sich im stattlichen Landsitz ihrer Eltern langweilt, nachdem sie wegen schlechtem Verhalten aus ihrem Internat geworfen wurde. Was als vorsichtiges Herantasten beginnt, entwickelt sich schnell zu einer erst intensiven, dann obsessiven Freundschaft. Doch jeder Sommer hat einmal ein Ende, und dort warten harte Wahrheiten.…

"My Summer of Love" des polnisch-stämmigen Regisseurs Pawel Pawlikowski gewann im letzten Jahr den BAFTA-Award (Englands Äquivalent zum Oscar) für den besten britischen Film - einzig, man versteht nicht so recht wieso. Gut, man kann einen anspruchsvoll angehauchten Filmpreis nicht wirklich an "Harry Potter 3" oder "Shaun of the Dead" vergeben - aber wenn das nun mal einfach die besseren Filme sind? Pawlikowskis Teenager-Drama setzte sich jedenfalls auch gegen Mike Leighs vielerorts gelobten "Vera Drake" durch, erscheint vergleichsweise aber als ein typisches artsy-fartsy Arthouse-Filmchen, das zudem reichlich prätentiös daherkommt.

Nichts an "My Summer of Love" ist irgendwie neu oder frisch, Vieles sogar so altbekannt und abgegriffen, dass es langsam nervt. In bester Independent-Manier wird auch hier mit der wackeligen Handkamera immer schön dicht auf die Gesichter gehalten, so als ob sich künstlerischer Anspruch und ein vernünftiges Kamerastativ von vornherein gegenseitig ausschließen. Was in einem Arthouse-Film über obsessiv-intensive Freundschaften natürlich auch nicht fehlen darf: Sex. Weil wenn man sich so richtig doll lieb hat (geistig), dann muss man sich auch so richtig doll lieb haben (körperlich). Dass sich die Mädchen-Freundschaft von Mona und Tamsin drum ziemlich schnell zu einer lesbischen Affäre ausweitet, ist ebenso leicht abzusehen wie auf ärgerliche Weise überflüssig - weil sich wieder mal ein Regisseur nicht in der Lage sah, die besonderen, intimen Gefühlsbeziehungen, die sich gerade zwischen Teenager-Mädchen entwickeln können, ohne den Sex-Faktor auf Film zu bannen. Wer einmal Peter Jacksons thematisch verwandten "Heavenly Creatures" gesehen hat, weiß wie man so etwas gefühlvoll und überzeugend vermittelt - ohne die billige Sexmasche.
So vergibt "My Summer of Love" leider ziemlich schnell die Chance, ein vielschichtiges Beziehungspsychogramm und realistisches Portrait der gegenseitigen Abhängigkeiten zu sein, die sich zwischen Mona und Tamsin entwickeln. Stattdessen hat man bald nur noch den Eindruck, den wechselnden Eskapaden zu zusehen, mit denen sich die beiden Mädchen die drückende Langeweile der Sommerferien vertreiben. Entsprechend ziellos dümpelt der Film auch dahin, ohne klare dramaturgische Linie und - abgesehen von der ständigen Konfrontation mit Phil und seiner dauerbetenden, Kreuze errichtenden Christengemeinde - ohne relevante Subplots, was auch an dem sehr beschränkten Handlungskosmos liegt: Die Anzahl der verwendeten Settings ist spärlich, und außer den beiden Protagonistinnen scheint es in der ganzen Gegend nicht einen einzigen Teenager zu geben. Kein Wunder, dass die beiden aus Langeweile zu viel rauchen, zu viel trinken, zu viel Unsinn stiften - und irgendwie auch nur deswegen zu viel Sex haben.

Dass "My Summer of Love" eine künstlerische und psychologische Tiefe für sich beansprucht, die er bis zur zugegeben exzellenten Schlussszene weitestgehend schuldig bleibt, ist umso trauriger angesichts des formidabel agierenden Hauptdarsteller-Trios. Paddy Considine liefert wie gewohnt ohnehin bei jedem Auftritt eine hervorragende Leistung ab. Die sehr positive Überraschung hier sind die beiden Newcomer Natalie Press und Emily Blunt, die dann auch berechtigterweise so ziemlich jeden Nachwuchspreis Englands im letzten Jahr abräumten. Ihr authentisches und feinfühliges Spiel entschädigt häufig für den drögen inhaltlichen Leerlauf.
Der bestimmt aber trotzdem den letztlichen Filmgenuss, und der fällt hier ziemlich gering aus. Einen heißen Sommer verbringt man selbst jedenfalls besser gelangweilt auf einer grünen Wiese, anstatt sich genau dasselbe im dunklen Kino anzuschauen.


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