Motown

Jahr
2003
Laufzeit
87 min
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 5. März 2011

Männer sind halt so. Das mag sich als Werbeslogan für florierende neue Magazine mit viel nackter Haut und wenig ernsthaftem Anspruch eignen, aber auch für das Kino-Debüt von Stefan Barth, der bisher vor allem als Regisseur der RTL-Serie "Der Clown" in Erscheinung trat und nun auf der Leinwand - wie sich das für ein ambitioniertes Debüt gehört - ein wenig mehr in persönlichen Gewässern fischt. Dass der Regisseur hier eine Menge eigene Erfahrungswerte eingebracht hat, kann man "Motown" an vielen Stellen anmerken, und soviel Ehrlichkeit ergibt dann einen Film, den man allen männerverstehenden Frauen (wenn es so etwas überhaupt gibt) nur wärmstens empfehlen kann. Auch auf die Gefahr hin, dass sie leicht schockiert sein werden. Denn Männer sind halt so. So, und nicht viel anders.
Die vier Paradebeispiele heißen hier Olli, Vince, Pat und Duke (einen weiteren Kommentar über die unnormale, englisch-angehauchte Coolness deutscher Jung-Charaktere im Kino wollen wir uns hier mal ersparen). Seit irgendwie schon immer eine kleine verschworene Clique, verbringen sie so gut wie jeden Abend in ihrer Stammkneipe, dem "Motown", bestellen bei Barkeeperin Meike eine Runde Bier nach der anderen (drei Pils und ein Weizen) und tun das, was Männer so tun, wenn sie unter sich sind und sich unbeobachtet fühlen: Sie reden übers poppen, wichsen, saufen, über geile und ungeile Frauen, und pampen sich dabei pausenlos gegenseitig an. Das Schimpfwort am Satzende gehört hier zum gepflegten Umgangston.
Das könnte eigentlich immer so weiter gehen, wären da nicht 1) Dukes Fernweh: gerade erst über Weihnachten von einem längeren US-Aufenthalt zurückgekehrt, eröffnet der idealistische Abenteurer seinen Freunden, dass er in New Mexico eine kleine Firma für Lama-Treks aufmachen wird und ergo auf absehbare Zeit nicht mehr zurück kommt; 2) die anstehende Hochzeit des erfolgreichen und ergo super beschäftigten Werbe-Managers Pat mit seiner Freundin Diaz, die arg ins Wanken gerät als sich Duke auf den ersten Blick in Diaz verliebt; und 3) die frustrierte Ria, seit der fünften Klasse oder so mit Vince zusammen und inzwischen mit ihm verheiratet, die sich die permanenten sexuellen Eskapaden ihres Gatten in fremden Betten nicht länger gefallen lassen will und bei Vinces Halbbruder Olli weitaus offenere Arme findet als zunächst angenommen.

Was Regisseur Stefan Barth hier entwirft ist von Grundkonstrukt her nicht viel mehr als die simple Doppelung eines Klassikers unter den RomCom-Basisplots: Der Typ, der sich in das Mädchen seines besten Freundes verliebt. Dass man diese Story hier gleich zweimal serviert bekommt - die geringfügige Variation spielt kaum eine Rolle, da das Problem dasselbe bleibt - macht die Sache nicht unbedingt interessanter, und Barth hätte sicherlich gut daran getan, beim Konfliktpotential ein bisschen mehr Kreativität walten zu lassen. So erweist sich die eher unspannend und vorhersehbar ablaufende Geschichte denn auch vor allem als Bremsklotz für die wahre Stärke des Films, und die liegt wieder einmal in seiner Authentizität.
Gedreht auf Digital Video mit nur dem nötigsten am Equipment und einem sehr flachen, direkten visuellen Stil, der sich sehr gerne nahe bei seinen Charakteren aufhält, versprüht "Motown" bisweilen den kantigen Charme eines Amateur-Spielfilms. Oder sagen wir eher einer Amateur-Doku, denn er erweist sich als relativ erfolgreich darin, aus der technischen Not eine dramaturgische Tugend zu machen: Das Feeling (wie Andi Möller sagen würde) passt hier einfach. Ohne falsche Scham inszeniert Barth hier ein ehrliches Stück wahrhaftiger, dreckiger Männer-Kultur, knallt die kleinen Kneipentische realitätsgetreu mit Biergläsern und überquillenden Aschenbechern voll, und gerät so richtig in Fahrt, wenn die Wohnung von Dauer-Student Olli (18. Semester, 10 Fachwechsel oder so) ins Bild rückt: Von der Spiele-Konsole, die zum sinnlosen Daddeln einlädt, über die extensive Pornosammlung hin zu den Bierflaschen, die als einzig greifbare Sache aus dem allgemeinen Chaos hervorragen, bekommt man (oder genau genommen eigentlich Frau) hier alles präsentiert, was das Leben eines überzeugt verwahrlosten Junggesellen ausmacht. Weist "Motown" in vielerlei Hinsicht nicht zu leugnende Schwächen auf, hier punktet der Film ganz enorm: Als Film über (nicht unbedingt für) Männer erweist er sich als erfrischend authentisch. Und falls du, holde Dame, diesen Film mit deinem Schatz zusammen siehst und er nachher leugnet, sich jemals so aufgeführt zu haben, dann sei dir versichert: Entweder er lügt, oder er ist ein hoffnungsloser Spießer.

Apropos nicht zu leugnende Schwächen: Auch wenn die meisten Unkenrufe in diese Richtung gehen, Oliver Petszokat - besser bekannt als GZSZ-Veteran und Schnulzpop-Chartstürmer Oli.P - gehört nicht dazu, genau genommen ist er in der Rolle des Olli beinahe der schauspielerische Höhepunkt im insgesamt ganz ordentlichen Ensemble. Der katastrophale Durchhänger ist hier Thorsten Grasshoff in der Rolle des Pat. Dem gelingt es tatsächlich, beinahe jeden einzelnen Dialogsatz in der einen oder anderen Form zu verhunzen, so dass er mit seiner hölzernen Vorstellung fast die ganze Gruppe mit runter zu ziehen droht. Was Gott sei Dank nicht ganz gelingt, so dass der unangenehme DailySoap-Geruch, der gerne mal durch Filme dieser Art wabert, hier trotz bekannter Stars aus diesem Gefilde zum Glück ausbleibt.

Die Story ist nicht viel mehr als eine Behelfslösung, was deutlich zu spüren ist und sich auch an dem zaudernden und wenig wirksamen Schluss zeigt. Oder es ging Regisseur Barth lediglich um die kleinen Änderungen im Leben und nicht ums große Szenario. Das würde der puren Unterhaltsamkeit seiner Geschichte aber auch nicht helfen. Was jedoch offensichtlich ist: Barths wahrer Beweggrund war das Einfangen besagter Mitzwanziger-Männerkultur zwischen Playstation, Porno und Pils, und zumindest das ist ihm gelungen. Darauf Prost! Denn Männer, tja, Männer sind halt so.


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