L.A. Confidential

Originaltitel
L.A. Confidential
Land
Jahr
1997
Laufzeit
138 min
Genre
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 20. Juni 2010

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Als am Weihnachtswochenende 1997 James Camerons "Titanic" in den USA anlief, setzte sich eine Lawine in Gang, die, als sie mehr als ein halbes Jahr später endlich zur Ruhe kam, alles mitgerissen hatte, was in der Filmwelt als unerschütterlich galt, und auch alles unter sich begrub, was tatsächlich so viel Aufmerksamkeit verdient hatte. Das tragischste Opfer von "Titanic" waren nicht die künstlerischen Ambitionen von Leonardo di Caprio, sondern Curtis Hansons "L.A. Confidential", der prädestiniert war fürs große Abräumen bei der ausstehenden Oscar-Verleihung, in seltener Einigkeit der Verleihenden auch jeden einzelnen amerikanischen Kritikerpreis auf dem Weg dorthin mitnahm, aber dann nur in zwei Kategorien ausgezeichnet wurde, in denen er nicht in Konkurrenz zum Eisberg-Epos stand. Dies beweist einerseits ein weiteres Mal, wie sehr sich die Oscar-Akademie von Glanz und Gloria blenden lässt, und ist andererseits die tragische Leidensgeschichte eines Films, der ohne Übertreibung zum besten gehört, was die letzten zwanzig Kinojahre hervorgebracht haben.

"L.A. Confidential" steht dabei in einer der bedeutsamsten und einfach nicht totzukriegenden Traditionen Hollywoods, dem "Film noir"-Krimi mit seinen halbseidenen Helden und gefährlichen Frauen, wo jeder seine Geheimnisse und Schwächen hat und nichts und niemandem getraut werden kann. Seit seiner Blütezeit in den 40er und 50er Jahren wurde diesem neben dem Western ur-amerikanischsten aller Genres alle paar Jahre eine bemerkenswerte Referenz erteilt, die bis dato mit Roman Polansikis "Chinatown" ihren Höhepunkt erreicht hatte. Hansons Adaption eines Romans von L.A.'s Krimi-Fürst James Ellroy nun kann sich mit aller Bescheidenheit auf die selbe Stufe stellen als einer der atmosphärisch dichtesten, brillant gespielten und gnadenlos zupackenden, kurz: besten Krimis, die die Traumfabrik je produziert hat.
Dass es eben nicht so träumerisch zu geht in der Stadt der Engel ist dabei die Ausgangssituation von "L.A. Confidential": Im Jahr 1953 erscheint die Pazifik-Metropole vielleicht nach außen hin wie das Paradies auf Erden, wo große Stars und die typisch amerikanische Kleinfamilie einträchtig Tür an Tür leben, aber die Realität sieht ganz anders aus: Geleitet von Danny DeVito als Skandalreporter Sid Hudgens (dessen "Hush-Hush Magazine" angelehnt ist an die real existierende Großmutter aller schmierigen Boulevard-Blätter dieser Welt) taucht der Zuschauer ein in eine Welt voller Drogen, Prostitution, Verbrechen und Morde. Eine Welt, in der die Cops des Los Angeles Police Department - in der Fernsehserie "Badge of Honor" (erneut eine Anlehnung an ein historisches Vorbild, die legendäre Polizei-Serie "Dragnet") als solch unberührbare und gewissenhafte Helden dargestellt - tatsächlich ein durch und durch korrupter, versoffener und überaus gewalttätiger Haufen sind, die ihre ganz eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeitsvollzug haben. Das kommt auch am Weihnachtsabend zur Geltung, als einige angetrunkene Polizisten ein paar just verhaftete Mexikaner verprügeln, dabei aber leider von einem Reporter fotografiert werden. Dieser Skandal hat für mehrere Beamte Folgen: Der aufstrebende, überkorrekte Ed Exley (Guy Pearce) sieht seine Karrierechance und staubt durch Verraten der Kollegen und cleveres Taktieren einen höheren Posten ab. Der Showbiz-Cop Jack Vincennes (Kevin Spacey) kollaboriert, als ihm der Entzug seiner Berater-Funktion bei "Badge of Honor" angedroht wird. Der kurz vor der Pensionierung stehende Dick Stensland, ein versoffener Schläger, wird als Sündenbock geopfert und suspendiert. Sein latent aggressiver Partner Bud White (Russell Crowe) steht alleine da, wird aber von Captain Dudley Smith (James Cromwell) für ein nicht ganz legales Sonderkommando rekrutiert, das es sich zur Aufgabe macht, die Anführer des organisierten Drogenhandels aus der Stadt raus zu halten - mit allen Mitteln.
Die Wege dieser Cops kreuzen sich mehrfach, nachdem Dick Stensland am Abend seiner Entlassung bei einer Schießerei umgebracht wird und sich scheinbar unabhängige Fahndungsstränge immer mehr überschneiden. Bei der Investigation eines Edelprostituierten-Service müssen sich die verhassten Cops Exley und White zusammenraufen - schwierig, wenn sich beide in die undurchsichtige Blondine Lynn Bracken (Kim Basinger) verlieben.

Dies sind nur die knappsten Umrisse der Handlung von "L.A. Confidential", die sich im folgenden zu einem Haufen komplexer Verstrickungen aufschwingt, auf den jeder klassische Genre-Vorgänger der Schwarzen Serie stolz gewesen wäre. Wenn sich am Ende alles nahtlos ineinander fügt, kommt man nicht umhin, die Eleganz des Storyaufbaus im zurecht mit dem Oscar ausgezeichneten Drehbuch von Curtis Hanson und Brian Helgeland zu bewundern, ebenso wie die Stilechtheit, mit der sie den prägenden Eigenarten ihrer Vorbilder respektvoll Referenz erweisen und sie gleichzeitig auf den modernen Stand bringen. So konnte z.B. physische Gewalt in den 40er Jahren höchstens durch eine theatralische Geste angedeutet werden, spritzendes Blut war ohnehin unmöglich. Das ist heutzutage anders, und so ist "L.A. Confidential" wohl auch der erste Noir-Krimi klassischer Prägung, der wirklich all die hässlichen Dinge zeigt, von denen die anderen stets nur reden konnten.
Seine formvollendete stilistische Eleganz auch in allen ausstatterischen Belangen ist jedoch nur die perfekte Dekoration für die facettenreiche Krimi-Geschichte, die in der Gegenüberstellung von Exley, White und Vincennes ein kongeniales Portrait dreier archetypischer Polizisten aufbaut: Der Karriere über Kameradschaft stellende Exley, für den Gesetzes- und Regeltreue alles bedeutet und der genau deshalb - laut Captain Smith - kein gutes Cop-Material darstellt; weil er eben nicht wie der Instinkt-Polizist Bud White dazu neigt, erst zu schlagen und dann zu fragen. White, der nach eigenem Moralverständnis für die Gerechtigkeit prügelt, aber schließlich erkennen muss, dass die Gewinner-Mischung auch ein Gehirn wie Exley braucht. Und schließlich Jack Vincennes, der sich von den Vorteilen seines Jobs hat blenden lassen, sich mit Bestechungsgeldern in der Tasche im glänzenden Schein der Stars neben ihm sonnt, und bereits vergessen hat, warum er überhaupt Polizist geworden ist.
Das geradezu verschwenderische Kreativpotential von "L.A. Confidential" kommt vor allem bei diesen drei Hauptfiguren zum Vorschein, denn mit ihren inneren Widersprüchen und eigenen Moralvorstellungen wäre jeder von ihnen allein in der Lage gewesen, einen Noir-Krimi erster Güte zu tragen. Hanson und Helgeland bescheren uns jedoch gleich ein Trio an komplexen (Anti-)Helden, und werfen in ihrer Begeisterung für die archaischen Typen des Genres noch ein Noir-Schmankerl der Güteklasse A oben drauf: Die Edelprostituierte Lynn Bracken ist eine der besten Femmes Fatale der Filmgeschichte. Verführerisch mit der Unschuld eines Engels, mysteriös und undurchschaubar wird sie zu einer entscheidenden Figur in einem hochkomplexen Spiel, und zeigt erst sehr spät ihr wahres Gesicht.
Großartige Figuren dieser Art sind dankbares Futter für nach anspruchsvollen Rollen lechzende Schauspieler, und gerade in dieser Hinsicht weiß "L.A. Confidential" als entscheidender Wendepunkt in vielen Karrieren restlos zu begeistern: Einer fast schon als niveauvoller Erotik-Star abgestempelten Kim Basinger gelang unerwartet ein grandioser künstlerischer Durchbruch, der mit massenhaft Darstellerpreisen (Oscar inklusive) gewürdigt wurde. Guy Pearce sicherte sich erstmals internationale Aufmerksamkeit und ebnete den Weg in die erste Hollywood-Riege. Und an ihrer Seite liefen sich zwei Akteure warm, die in den Folgejahren das männliche Schauspielfach in Hollywood fast alleine dominierten: Ein bis dato noch unbekannter roher, muskulöser Australier namens Russell Crowe als ebenso roher Bud Fox, und der in einfach jeder Rolle gnadenlos gute Kevin Spacey, der hier ein winziges und schnell übersehenes Highlight jüngerer Schauspielkunst ablieferte: Nie verschwanden die Lebensgeister so eindrucksvoll aus einem Paar Augen als in jener Szene, in der Jack Vincennes den Namen Rollo Tomassi preisgibt.

"L.A. Confidential" ist ein handwerkliches Meisterstück nahe an der Perfektion, ein Film, der beweist wie gut eine Hollywood-Produktion sein kann, wenn nur die richtigen der vorhandenen Möglichkeiten genutzt werden. Ein virtuoser kreativer Kraftakt von allen Beteiligten, der schlussendlich am meisten beeindruckt, weil er den mehr als fünfzig Jahre alten Geist des Film Noir ohne jegliche Verstaubungserscheinungen wiederzuerwecken weiß. Zurück in eine Welt, in der niemand frei von Schuld ist, und es keinen sauberen Sieg für die Gerechtigkeit gibt. "They just don't make ´em like this anymore", weinen englischsprachige Filmfans oft den großen, unvergessenen Perlen der Filmgeschichte nach. Mit einem Blick auf "L.A. Confidential" kann man antworten: Und wie sie das tun!

 

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