Irgendwann kommt für uns alle der Zeitpunkt, an dem man endlich
erwachsen werden muss. Wo der Ernst des Lebens sich
endgültig
durchsetzt und Schluss ist mit dem spätpubertären Gehabe.
Bei vielen ist das spätestens dann der Fall, wenn der
erste
eigene Nachwuchs das Licht der Welt erblickt, und so war
es auch
für Kevin Smith, seines Zeichens einer der größten
Helden des amerikanischen Independent-Kinos der 90er
Jahre. Seit
seinem Debüterfolg "Clerks"
ist Smith bekannt für clever-knackige Dialoge,
unkonventionelle
Storys (bestes Beispiel: seine Religions-Satire "Dogma")
und vor allem einen konsequent vulgären Humor von
"Schwanz-
und Furz-Witzen", der auch bei den ernsthaftesten Themen
dafür
sorgte, dass der Tonfall zu Smiths slacker-Generation
passte,
die sich standhaft weigert, erwachsen zu werden.
Doch
diese Zeiten scheinen vorbei. Nachdem er sich mit seinem
letzten
Film "Jay
& Silent Bob schlagen zurück"
auf albernste Weise von seinem legendären Stoner-Duo
verabschiedet
hat, schlägt der Ehemann und Vater Kevin Smith nun reifere
Töne an - droht allerdings mit diesem Abschied von seiner Slacker-Welt
in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Denn "Jersey
Girl"
hat zwar immer noch Smiths unverkennbaren Dialog-Stil,
aber leider
auch eine Story, die an Konventionalität und Klischees
kaum
noch zu überbieten ist.
Im Zentrum steht der Yuppie Ollie Trinke (Ben Affleck), als mächtig erfolgreicher Popmusik-Publizist in New York ausgestattet mit einem Traumjob, einer Traumwohnung und einer Traumfrau in Gestalt seiner Kollegin Gertrude Steiney (Jennifer Lopez). Das junge Glück scheint perfekt, der erste Nachwuchs ist auf dem Weg - doch das Schicksal schlägt unbarmherzig zu, als Gertrude bei der Geburt stirbt. Völlig aus der Bahn geworfen bricht Ollies Leben zusammen, und ein paar Jahre später findet er sich ohne ordentliche Wohnung oder Job im Hause seines verschrobenen Vaters (George Carlin) in der Provinz von New Jersey wieder, wo er sich in seiner Rolle als allein erziehender Daddy seiner Tochter Gertie (Raquel Castro) zurechtzufinden versucht.
Wer
mit Smiths bisherigem Werk halbwegs vertraut ist, wird
angesichts
des folgenden Filmverlaufs recht ungläubig den Kopf
schütteln,
denn die Geburt seiner eigenen Tochter scheint bei Smith
alle Kanäle
für Schmalz und Familienkitsch geöffnet zu haben. Da
gibt's
dann rührselige Vater-und-Kind-Momente in rauen Mengen,
eine
herzallerliebste Ersatz-Mama in Figur der Videothekarin
Maya (Liv
Tyler), und einen moralinsauren Höhepunkt, den Smith
völlig
schamlos aus einer eingestaubten Klischeekiste
herauskramt, an die
sich selbst ideenlose Hollywood-Produktionen nicht mehr
herantrauen
- entsprechend ist das Ende auch meilenweit abzusehen und
verpufft
reichlich wirkungslos.
Die Story von "Jersey Girl" kommt derart konventionell
daher, dass man in der Tat befürchten muss, dass sich
Smith
als Windeln wechselnder Jungpapa als ebenso zahnlos
erweist wie
ein neugeborener Säugling. Für seine Ehrenrettung sorgen
Gott sei Dank hier und da eingestreute Dialog-Perlen, die
Smiths
bekannte Talente immer wieder im Familienkino-Babybrei
aufblitzen
lassen und zumindest für einen Moment die öde Flachheit
der Story vergessen machen. Das sorgt allerdings auch für
eine
ziemlich krude Mischung, denn so ganz konnte Smith seine
offenherzige
Vorliebe fürs Profane nicht ablegen: Auch wenn er eine
kindgerecht-süße
Variante von "toilet humor" hinbekommt - "Jersey
Girl" ist sicherlich der erste rührige Familienfilm, in
dem über Pornos und Selbstbefriedigung geredet wird.
Wie
nicht anders zu erwarten, erweist sich Ben Affleck in der
Hauptrolle
ebenfalls nicht als Pluspunkt für den Film: Zwar kann sich
Smith rühmen, so ziemlich der einzige Regisseur zu sein,
der
aus Affleck jemals eine wirklich überzeugende
Schauspiel-Vorstellung
herausgeholt hat (siehe "Chasing Amy"), wiederholen kann
er diesen Erfolg hier aber nicht. Afflecks extrem
begrenzte Fähigkeiten
sind gerade bei den tief emotionalen Szenen eher ein Grund
für
unfreiwillige Komik als für überzeugendes Drama und wecken
unrühmliche Erinnerungen an das doppelte
Schauspiel-Desaster
"Armageddon"/"Pearl Harbor".
Übrigens: Dass "Jersey Girl" hierzulande mit gut
einem halben Jahr Verspätung im Vergleich zu Rest-Europa
anläuft,
kann als Versuch des Verleihers interpretiert werden, der
miesen
PR durch die Präsenz des Duos Affleck/J.Lo zu entgehen:
"Jersey
Girl" entstand, als die beiden Stars gerade frisch
verliebt
waren und somit vor dem beispiellosen
Boulevardpresse-Overkill,
der in den Folgemonaten nicht nur ihre Beziehung, sondern
nachhaltig
wohl auch beider Karrieren ruiniert hat.
Dementsprechend
wurde an dem Film auch mächtig herum geschnitten: Als Ben
&
Jen verliebt und in aller Munde waren, überzeugte
Miramax-Boss
Harvey Weinstein Smith davon, Lopez' Part in der
Endfassung deutlich
auszubauen - was nach dem Ende des Traumpaars und dem
Desaster ihres
vorherigen Films "Gigli" schnell wieder rückgängig
gemacht wurde. Nun darf Frau Lopez wieder nach einer
Viertelstunde
das Zeitliche segnen. Besser ist das wohl. Seltsam präsent
bleibt sie dennoch für den Rest des Films, und nicht etwa,
weil der selige Schatten seiner geliebten Frau in Ollie
Trinkes
Zügen zu bemerken wäre (bitte, wir reden hier von Ben
Affleck!), sondern weil sich Raquel Castro in der Rolle
der kleinen
Gertie als fast schon unheimliche Reinkarnation der
Latino-Diva
erweist: Als hätte man einen Klon der fünfjährigen
Lopez angefertigt, hoppelt Castro wie eine
"J.Lo-in-klein"-Puppe
durch den Film und sorgt immer wieder für Staunen, wie die
Casting-Crew dieses Ebenbild ihrer Filmmama gefunden hat.
Fast schon
müßig zu erwähnen, dass Castro der heimliche Star
von "Jersey Girl" ist und ihren Filmpapa Affleck gnadenlos
an die Wand spielt - was ohnehin nicht sehr schwierig ist.
Weitaus
überzeugender bei den Erwachsenen sind Liv Tyler als
quirlig-kichernde
Maya und Standup-Comedy-Urgestein George Carlin als
raubeiniger
Großvater.
Auch wenn man sich nach dem Film bevorzugt an die treffenden Dialog-Highlights und die besten Szenen erinnert (besonders ein Kurzauftritt von Will Smith sorgt immerhin für eine überaus gelungene Einleitung für den überaus abgegriffenen Showdown): Diese können letztendlich nicht verhehlen, dass "Jersey Girl" eine unnötig rührselige, stellenweise grausam konventionelle Familienkomödie ohne rechten Biss oder zündende Ideen ist, welche die Stärken und Talente ihres Machers über weite Strecken vermissen lässt. Wenn das der erwachsene Kevin Smith ist, dann wollen wir den unreifen Slacker zurück. Und zwar sofort.
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