James Bond - Stirb an einem anderen Tag

Originaltitel
Die Another Day
Jahr
2002
Laufzeit
134 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Simon Staake / 6. Februar 2011

 

Für James Bond gilt: Keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten. Wie kaum eine zweite Serie haben die Bondmacher das Formelhafte zur Kunst erhoben. Wer in einen James Bond-Film geht, weiß genau, was ihn erwartet, so wie die Macher wissen, was der Zuschauer erwartet. Zutaten wie direkt aus dem Männermagazin: Schöne Frauen, Schnelle Autos, High Tech Spielzeug, Jagden zu Land, Wasser oder Luft, zusammen mit ausgefeilten Stunts. Dies alles schön gerührt, nicht geschüttelt. Funktioniert seit über 25 Jahren, wird auch ewig so weiter funktionieren. Oder nicht? Wären wir alle darin einig, dass Stillstand, gerade auf hohem Niveau, reicht für James Bond - gerade für James Bond - könnte diese Rezension in circa zwölf Sätzen enden. Kurze Inhaltsgabe, Fazit: Alles wie immer, dazu vielleicht eine gefällige Sieben-Augen-Wertung. No Alarms and No Surprises.

Aber so einfach ist's nicht.
Zuerst: Es gibt ein paar vorsichtige Neuerungen. Bespiel: James Bond surft jetzt auch. Und wenn er diesen Anfangsstunt später in einer lächerlich überzogenen Szene im schmelzenden Eis wiederholt, sind wir fast im "XXX"-Gebiet angelangt. Dazu passt dann der unpassend hüpfelige Titelsong von Madonna (die auch ein kurzes Cameo hat, "nur" der Titelsong reicht der Dame wenig überraschend nicht) und die vorsichtigen Electronica-Anleihen im Soundtrack. Soll sagen: Hey, wir sind eine Jahrzehnte alte Tradition, aber noch nicht vertrocknet. Wie auch die hier des öfteren eingesetzte Wischzeitlupe ihn vortäuscht, den Hauch des Todes ... äh, des Neuen. Dazu Bond am Anfang wie man ihn selten gesehen hat. Muss erst ganz böse einstecken, tritt dann mit Montecristo-Rauschebart auf und will ebensolche Rache, rennt im Schlafanzug ins Nobelhotel und erinnert dabei an den Dude aus "The Big Lebowski". Aber kurz darauf, quasi mit der Feinrasur, ist dann auch schon fast Schluss mit lustig. Vor allem weil diese oberflächlichen Spielereien nicht ersetzen können, was man Bond zwischen dem letzten und diesem Film wieder abnahm:

Gab man den Figuren und hier insbesondere Bond in "Die Welt ist Nicht Genug" vorsichtig aber erfolgreich emotionale Seiten, so wird dies hier wieder zurückgefahren. Bond ist wieder der aalglatte Profi, den der Großteil der Fans so liebt, darüber kann auch das lustige weil unwürdige Aussehen zu Anfang nicht hinwegtäuschen. Und doch ist dies schade, denn Bond war immer am Besten, wenn er zumindest rudimentäre Emotionen zulassen durfte. Schlimmer jedoch Halle Berrys Figur. Hatten wir mit Famke Janssen, Michelle Yeoh und Sophie Marceau in den Bondstreifen der 90er als Zugeständnis an veränderte Geschlechterverhältnisse wenigstens eine starke Frau pro Film, so ist Berry mehr Häschen als Jägerin (und Rosalind Pike als Bonds Kollegin Miranda Frost ist da nur inadäquater Ausgleich). Sie soll zwar eine US-Spitzenagentin darstellen, dies nimmt man ihr aber - Hand aufs Herz - einfach nicht ab. Oder aber die USA haben ein Problem in ihrer National Security Agency. Berry macht hier eine wesentlich mäßigere Figur als sie wohl selbst erhoffte. Muss sich zwar nicht prostituieren und ihre Brüste zeigen wie in "Passwort: Swordfish", aber zu einer guten Frauenrolle hat es eben doch nicht gereicht. John Cleese als Q kriegt immerhin wieder ein paar solide Lacher, der beste bleibt Moneypenny überlassen: Sie kriegt auch endlich Bond, aber ein wenig anders als man denkt. Michael Madsen wird leider sträflich wenig eingesetzt; Toby Stephens gibt immerhin einen passabel schmierigen Bösewicht, der allerdings im Gegensatz zu den charismatischen Verrückten der Vorgängerfilme doch deutlich verblasst.

Die Story? Eigentlich sowieso Banane. Bond trifft Jinx (Berry), mit der zusammen er die Welt rettet vor dem in der Schale des Wohltäters auftretenden Gustav Graves (Stephens) samt dessen etwas verunstalteten Topkiller Zao (Rick Yune). Sie brauchen mehr als diese Angaben? Nein, brauchen Sie nicht. Glauben Sie mir. Wirklich nicht.

Es scheitert an den kleinen Dingen.
Ein Beispiel? Auch das bei Bond obligatorische Vermögen des Zuschauers, gängige Logikvorstellungen aufzugeben, wird diesmal bis zum Reißen gespannt, man will sagen: überspannt. Ohne zuviel verraten zu wollen: Was hier in Sachen Tarnung an Mensch und Auto (!) vollführt wird, lässt einen mit ungläubigem Staunen zurück, nicht immer im positiven Sinne. Ebenfalls, sagen wir mal: diskussionswürdig, der Versuch, mit witzigen Sprüchen zu punkten. Diese fallen hier nämlich ausnahmslos einer nach dem anderen flach auf die Nase. Schlimmer hat nicht mal Roger Moore gekalauert. Und das will wahrlich etwas heißen.

Es scheitert an den großen Dingen.
Gigantismus war immer Markenzeichen der Serie, aber hier übertreibt man dann doch maßlos. Größer, schneller, weiter - und trotzdem Bond as Bond can be. Das war offenbar die Rechnung - leider geht sie nicht auf. Denn genauso wie der Vorgänger "Die Welt ist nicht Genug" aufzeigte, was alles gut ist (oder sein kann) an James Bond, so zeigt "Stirb an einem Anderen Tag" alles auf, was daran schlecht ist (oder sein kann) und schon immer war. Wie zum Beispiel das recht beliebige Zusammenkleben von verschiedenen set pieces, nach dem klassischen Motto: "Die exotischsten und schönsten Schauplätze der Welt". Nur sind wir hier nicht im TUI-Video und ein wenig mehr Sinn hinter dieser zweifellos klassischen Bond-Ingredienz kann zumindest nicht schaden. Wichtig ist jedoch, dass der Film nicht aufgrund solcher fast klassischen Schwächen enttäuscht und auch nicht aufgrund der vorsichtigen Neuerungen und milden Innovationen, sondern weil man sich zu sehr mühte, einen "klassischen" James Bond zu konstruieren, mit allem was der Fan so mag. Dazu dann das Auftürmen von Konflikten, freilich wird keiner mehr als angerissen: Politik, Rache, Verrat in den eigenen Reihen, Vater-Sohn Konfrontation, all dies will der Film abhandeln. Nichts davon gelingt, bleibt hängen. Und so haben wir hier ein aufgeblasenes, aufgeblähtes Etwas; dazu ein wüstes Konglomerat aus typischen "Bond"-Versatzstücken, die man bereits viel zu oft gesehen hat. Wie der Kollege in unserer "Die Welt ist Nicht Genug"-Rezension damals bemerkte: "Aufbau, Charaktere und Handlung sind sowieso immer gleich." Manchmal auch gleicher als gleich.

Es scheitert an den gleichen Dingen.
Bond als Rächer auf eigene Faust hatten wir schon in "Lizenz zum Töten" und das funktionierte auch dort nicht wirklich; die wandelnde Freakshow als Oberkiller wurde mit dem Beißer, Odd Job und ähnlichen Figuren deutlich besser ausgefüllt als hier von Zao (obwohl der eindeutig den Preis für "hässlichster Killer ever" einheimst). Dazu dann ein Laser, der gefesselte Menschen zerschnitzeln soll à la "Goldfinger", einen mit Diamanten angetriebenen Killersatelliten (beides von "Diamantenfieber", wobei der Killersatellit ein so müdes Klischee ist, dass er noch mindestens in drei anderen Bondstreifen auftaucht), die obligate Festung in exotischer Umgebung (hier: Eispalast in Island, durchaus beeindruckend anzuschauen aber trotzdem cheesy wie Edamer), sowie Luftkissenbootjagden, Fallschirmspringen, Dreiräderrennen und was man sonst alles schon gesehen hat. Nicht mal die Halle Berry einführende Referenz an Ur-Bondgirl Ursula Andress in "Dr. No" will so recht funktionieren, wirkt statt frisch-ironischem Selbstbezug eher wie ein müdes Erhaschen von alter Glorie. Freilich wird dieser ganze alte Wein in recht brauchbare Schläuche gefüllt; alles professionell, rasant und durchaus ansprechend in Szene gesetzt. Aber von dem ständigen Deja Vu-Gefühl mal abgesehen, bleibt das Ganze hier seelen- und leblos, erinnert frappierend an den enttäuschenden "Tomb Raider" des letzten Jahres. Reines Technik-Spektakel, freilich in höchster Professionalität.

Aber manchmal ist auch höchste Professionalität nicht genug. Denn mehr als ein "Best of James Bond"-Potpourri hätte hier schon rausspringen dürfen - und müssen. Viele werden dies nicht so sehen. Werden sich über die Action und die One-Liner freuen, werden nichts vermissen und alles so vorfinden, wie sie es zu lernen geliebt haben und wie sie es zu lieben gelernt haben. Aber auch ein James Bond muss mal erwachsen werden. Auch ein James Bond muss mit ins neue Jahrtausend. Und da reicht das klassische Konstrukt nur, wenn es für mehr steht als nur sich selbst. Sonst bleibt es eine seelenlose Hülle ohne Inhalt. Und das hat selbst Veteran James Bond nicht verdient. Gerade Veteran James Bond.

Bilder: Copyright

7
7/10

Ich widerspreche mal ein paar der anderen hier (:
Mir hat der Film nämlich recht gut gefallen.

Permalink

7
7/10

Pierce Brosnans letzter Bond-Einsatz ist solide inszenierte Over-the-top-Action mit einem guten Schurken und einer mitreißend sexy auftretenden Halle Berry. Brosnan selbst hatte ja schon in "Der Morgen stirbt nie" seine Interpretation des Bond-Charakters als Mischung aus lässigem Gentleman und hartem Hund im Dienst ihrer Majestät perfektioniert und spielt auch hier souverän und charmant.

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