Jagd auf James A.

MOH (39): 6. Oscars 1934 - "Jagd auf James A."

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 27. Januar 2024

Einen entspannten “Jahrmarktsrummel“ wie in unserer letzten Folge würde die Hauptfigur unseres heutigen Filmes auch gerne mal unternehmen. Den kann sich unser zu Unrecht in den Mühlen des amerikanischen Justizsystem gefangener Protagonist in “Jagd auf James A.“ allerdings abschminken. Stattdessen bekommt er in dem 1934 für den besten Film nominierten Oscar-Kandidaten keine Verschnaufpause – wir aber dafür einen richtig guten Film.

Jagd auf James A.

Originaltitel
I am a Fugitive from a Chain Gang
Land
Jahr
1932
Laufzeit
92 min
Genre
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
9
9/10

Angesichts des offiziell geltenden Hays Code, der Filmen vorschrieb welche Inhalte akzeptabel waren und welche nicht, entschied sich das Story-Department von Warner Brothers eigentlich zuerst gegen die Verfilmung des Buches “I Am a Fugitive from a Georgia Chain Gang!“. Darin hatte der Autor Robert Elliot Burns seine persönlichen Erfahrungen im unmenschlichen Justizsystem des Bundesstaates Georgia geschildert – und das mit so einer Intensität und anklagenden Stimme, dass man bei Warner Brothers die Schere der staatlichen Zensur fürchtete. Da die Studiobosse den Stoff aber liebten und der Hays Code tatsächlich (noch) nur halbherzig angewendet wurde, kam “Jagd auf James A.“ 1932 doch noch in einer ziemlich kompromisslos umgesetzten Filmversion in die Lichtspielhäuser.   

Eigentlich möchte der gerade aus dem ersten Weltkrieg zurückgekehrte James Allen (Paul Muni) sich darin in den USA eine neue Zukunft aufbauen, wird aber durch ein Missverständnis in Georgia zu Unrecht zur Strafarbeit in einem der berüchtigten Arbeitslager der sogenannten Chain-Gangs verdonnert. Die unerträglichen Missstände vor Ort lassen Allen schnell gewagte Ausbruchspläne schmieden, doch die sind erst der Anfang einer langen Odyssee, in der Allen immer mehr den Glauben an die Gerechtigkeit des Justizsystems verliert.


Den Glauben an einen Gute-Laune-Film verliert man als Zuschauer hier auch zügig. Geschickt wirft die Story seiner Hauptfigur zwar immer wieder ein paar Knochen Hoffnung hin, die sich aber meist genauso schnell wieder in Luft auflösen. Gerade die Härte und Deutlichkeit, mit der in der Strafkolonie die Brutalität und das Versagen des Justizsystems anschaulich gezeigt wird, gehen dabei auch heute nicht spurlos an einem vorbei. Eine der großen Stärken des Filmes ist dabei, dass man Allen trotzdem lange Zeit nicht den naiven Glauben daran verlieren lässt, dass die Sache am Ende doch irgendwie noch gut ausgeht. Damit ist die Identifikation mit und die bewegende Tragik von dieser Figur gesichert und die vielen Rückschläge wirken umso emotionaler und intensiver. Paul Muni spielt dabei leidenschaftlich und überzeugend den vom Schicksal gebeutelten Protagonisten, der nicht nur von der Polizei gejagt wird, sondern auch bald zu einem Spielball der Justiz wird.

Das Ganze ist ein ziemlich eindrücklicher Mix von Thriller-Elementen à la “Auf der Flucht“ und einem kräftigen Schuss Justizkritik. Dass dies so gut funktioniert liegt vor allem an einem sehr effizienten Drehbuch, an dem wirklich kein unnötiges Gramm Fett klebt. Die Figuren sind überzeugend geschrieben und die Dialoge oft aufs Nötigste reduziert. Die flotte Regie von Mervyn Le Roy (“Spätausgabe“) sorgt ebenfalls für ordentlich Tempo und hat auch Zeit für ein paar nette kreative Einfälle, beispielsweise um das Überspringen von größeren Zeiträumen abzubilden. Dazu gelingt es immer wieder ordentlich Spannung aufzubauen, wenn man zum Beispiel mit der Kamera sogar “unter Wasser“ geht, um den im Fluss untergetauchten James dabei zu beobachten, wie er seine Verfolger abschüttelt.


Auch “Jagd auf James A.“ ist wieder so ein Film, der ziemlich modern inszeniert daherkommt und darum auch für ein heutiges Publikum deutlich zugänglicher ist als manch andere seiner Zeitgenossen. Das Endergebnis war für das damalige Publikum so eindrücklich, dass es tatsächlich die Kritik am Strafvollzug im Land befeuerte und sogar dafür sorgte, dass der noch immer eingesperrte Autor der Vorlage frühzeitig aus der Haft entlassen wurde. Ganz so wuchtig ist die heutige Wirkung natürlich nicht mehr, da Chain Gangs zum Glück Geschichte sind und viele der Storybeats des Films inzwischen uns aus anderen Filmen schon sehr vertraut sind. Eindruck hinterlässt der Film trotzdem, was auch an einer tollen Schlusseinstellung liegt, die wundervoll zeigt, welche Konsequenzen ein in Schieflage geratenes Justizsystem für die Gesellschaft und die Menschen darin hat. Und das macht “Jagd auf James A.“ zu einem richtig starken Stück Kino.

"Jagd auf James A." ist aktuell als DVD-Import auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.
 


Ausblick
In unserer nächsten Folge wartet der Gewinner der sechsten Academy Awards auf uns – und wieder einmal zeigt die Academy dabei ihre Vorliebe für groß angelegte epische Geschichten.


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