Wer konstant über den Niedergang des modernen Kinos dank einer unendlichen Welle reizüberfluteter aber sinnentleerter Bombast-Filme lamentiert, sollte vorsichtig sein, mit wem er sich hier anlegt. Denn genau genommen sind an dem Ganzen vor allem zwei Herren Schuld: Steven Spielberg und George Lucas. Ersterer erfand quasi im Alleingang mit "Der weiße Hai" den modernen Blockbuster-Film inklusive allen medien-, werbe- und Merchandise-technischen Nebenwirkungen, letzterer verfeinerte mit seiner "Star Wars"-Serie diese Methodik und addierte das Element des vorbehaltlosen Eskapismus - die Herstellung eines Filmes also, dessen Eigenanspruch nicht mehr (und nicht weniger) beinhaltet als die perfekte Unterhaltung des Publikums durch die Entführung in eine durch und durch aufregende Welt, die mit dem normalen Leben nichts zu tun hat. Kino als Alltagsflucht - in der von Spielberg und Lucas zelebrierten Extremform war dies Ende der 70er ein völlig neues Phänomen, das sich als derart lukrativ erwies, dass sich zwanzig Jahre später die gesamte Industrie beinahe nur noch in Variationen dieses Prinzips verdingt - sinnentleerte Unterhaltung eben, im Fließband-Verfahren hergestellte Wegwerf-Produkte ohne Herz. Das ewige Scheitern dieser heutigen Epigonen ist am deutlichsten im Vergleich mit dem nach wie vor unbestrittenen Höhepunkt des modernen Eskapismus-Kinos, von seinen beiden Schöpfern zur Perfektion getrieben mit der Erschaffung des wohl markantesten und legendärsten Kino-Helden überhaupt: Indiana Jones.
Die Trilogie um den Archäologen mit dem unverwechselbaren Outfit aus Lederjacke, Hut und Peitsche steht im Kino-Olymp unantastbar als der einsame Höhepunkt des Subgenres Abenteuerfilm, welches Spielberg und Lucas durch die geschickte Wiederbelebung eines verstaubten historischen Vorbildes zu ungeahnten neuen Höhen führten. Inspiriert durch eine Serie von Abenteuer-Geschichten in Schundroman-Manier aus den 30er Jahren entwarf man hier eine Filmwelt, die in ihrer anachronistischen Verfremdung schon genug Distanz zum Hier und Jetzt erzeugte, um Alltagsflucht neu zu definieren: Da waren Männer noch echte Männer, schöne Frauen warteten auf Rettung und Beglückung, und man reiste stilvoll in Wasserflugzeugen und Zeppelinen. Ob das alles historisch so stimmt, ist ganz egal. Es sieht toll aus, und es erzeugt eine Fantasiewelt, in der man sich nur allzu gerne verliert. Eine Welt mit einem Helden, der in all seiner Stereotypisierung, trotz seiner Erhebung zur Ikone des Actionkinos, immer noch menschlich, greifbar und sympathisch blieb. Nicht weniger als der richtige Darsteller war natürlich auch der richtige Regisseur entscheidend. Spielberg begab sich hier auf relativ dünnes Eis, weil die konsequente Überhöhung des gesamten Szenarios schnell zusammenbrechen konnte. Sieht man sich einzelne Szenen der Jones-Filme an, ist es fast unverständlich, wie man eine derartig überzogene Theatralik in der Inszenierung vorbehaltlos akzeptieren kann, doch im Gesamtkontext wirkt alles harmonisch wie aus einem Guss, nur in eine überproportional große Form geschüttet. Das Prinzip des gewöhnlichen Menschen in einer übernatürlichen Umgebung wird an jeder Ecke durchgesetzt, von Beginn an konditioniert Spielberg sein Publikum auf eine Filmwelt, die ganz bewusst nichts mit der Realität zu tun hat, und in der ergo schlussendlich auch alles möglich ist - ein simples Prinzip, das kaum jemand seiner zahllosen Nachahmer auch nur halb so gut hinbekommen hat. Das angesprochene DVD-Set erweist sich in der Tat als unverzichtbar für jeden atmenden Filmfreak im allgemeinen und Indi-Fan im speziellen: eine ganze Generation von Zuschauern, welche die Jones-Filme nur von ausgelaugten Videocassetten und qualitativ oft minderwertigen und gekürzten TV-Fassungen kennen, kommt nun endlich in den Genuss dieser Meilensteine in atemberaubend scharfer Bild- und Tonqualität, für deren Restaurierung man wahrlich keine Mühen gescheut hat. Mit dem im THX-Verfahren neu abgemischten Ton wird selbst das einfachste Heimstereo-System zum adäquaten Kino-Ersatz, und der ewig ausgeleierte Satz "So haben Sie Ihren Lieblingsfilm noch nie gesehen!" trifft diesmal wirklich voll und ganz zu. Die anfängliche Enttäuschung, dass es zu den Filmen keinen Audiokommentar der Macher gibt, löst sich beim Betrachten der Bonus-Disc schnell in Wohlgefallen auf: neben einem Satz eigenständiger Featurettes zu den technischen Aspekten Stunts, Sound, Musik und Spezialeffekte (allesamt höchst sehenswert und faszinierend - gerade der Beitrag über die Toneffekte ist unglaublich) gibt es zu jedem der drei Filme eine ausführliche MakingOf-Dokumentation, die sich dank geschickter Struktur als mehr denn adäquater Ersatz für einen Audiokommentar erweisen: In jeder Doku wird der jeweilige Film Sequenz für Sequenz durchgegangen und die interessanten Einzelheiten und Anekdoten erläutert, was dank Originalaufnahmen von den Drehs und Interviews mit zahlreichen Beteiligten nicht nur abwechslungsreicher als ein Kommentar ist, sondern auch die dort kaum vermeidbaren Pausen eliminiert. Speziell für dieses DVD-Set produziert, kann das dokumentarische Bonusmaterial ohne Übertreibung als absolut vorbildlich eingestuft werden. Ein nicht anhaltender Strom an lustigem Detailwissen (Indiana Jones wurde tatsächlich nach einem Hund benannt, nämlich dem von George Lucas) und denkwürdigen Dreh-Aufnahmen (Spielberg beim ersten Betrachten des Sets für die "Quelle der Seelen" aus dem ersten Teil: "Ich brauche mehr Schlangen. Ungefähr 7000.") kreieren ein wahres Fest für Indi-Fans. Einziger Makel: Bei einer Länge von bis zu 50 Minuten sind die Dokumentationen trotzdem nicht in Kapitel unterteilt. Bei all dem Spaß, den man beim Betrachten hat, ist dieses Manko aber noch schneller vergessen als verziehen. Schon so viel gesagt, und doch ist so vieles noch unerwähnt: Die Sonderstellung des zweiten Teils "Indiana Jones und der Tempel des Todes" mit dem symbolischen Abstieg in die Hölle als dunkelste Episode, so finster und nervenzerrend, dass eigens für diesen Film eine neue Altersfreigabe in den USA erfunden wurde; das unübertroffene Casting von Sean Connery als Vater Jones für Teil 3; die subtile Note von "Jäger des verlorenen Schatzes", in dem das ewige Kind Steven Spielberg seiner Wut gegen die Nazis freien Lauf ließ (so gebührt der finale Showdown-Sieg bezeichnenderweise auch nicht dem eigentlichen Helden, sondern dem Zorn Gottes, der die nationalsozialistische Inkarnation des Bösen im wahrsten Sinne des Wortes hinwegfegt); doch dies alles wird in angebrachter Form auch in den DVD-Specials besprochen, so dass auf eine wiederholende Erwähnung hier verzichtet werden kann, was auch für die besondere "Tradition" der Serie, in jedem Film eine Szene mit Unmengen ekliger Tiere unterzubringen, gilt. Skepsis ist angebracht, aber Spielberg wäre nicht Spielberg, wenn er nicht auch diese Herausforderung mit Bravour meistern würde. Bis es soweit ist besteht jetzt jedenfalls die Möglichkeit, sich den vielleicht populärsten Helden der Kinogeschichte in einer ihm würdigen Aufarbeitung zu Hause in den Schrank zu stellen. "Indiana Jones" ist ein moderner Mythos, der in keiner Heim-Videothek fehlen sollte. Wie viele Filme gibt es schon, die in derart zeitloser Weise den Standard für ein gesamtes Genre definierten und (womöglich auf ewig) als seine perfektionierte Verwirklichung gelten? Eben. |
Originaltitel
Raiders of the lost Ark, Indiana Jones and the Temple of Doom, Indiana Jones and the last crusade
Land
Jahr
1981
Laufzeit
115 min
Genre
Regie
Bewertung
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