Hulk

Originaltitel
The Hulk
Land
Jahr
2003
Laufzeit
138 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Simon Staake / 1. Juni 2010

Es ist mit Filmen wie beim Fußball. Irgendwann muss jede Serie zu Ende gehen, vor allem jede Siegesserie. Seit Marvel mit "Blade" vor mittlerweile einigen Jahren den Startschuss gaben, begeisterten sie mit einer Reihe außerordentlich gelungener Comicadaptionen (von den entsprechenden Sequels mal abgesehen) Publikum und (zumeist) auch Kritiker, und mit jedem "Spiderman" und "Daredevil" hielt man das hohe Niveau oder setzte die Messlatte sogar noch ein Stückchen höher. Aber wie gesagt, jede Serie geht irgendwann zu Ende, und mit der Leinwandpremiere von Marvels großem grünen Grummel, dem Hulk, endet Marvels Siegesserie. Nicht mit einer vernichtenden Niederlage, aber zumindest mit einem äußerst glücklichen Unentschieden in der Nachspielzeit.

Die Geschichte des Hulk ist - dem Medium entsprechend - schnell erzählt, obwohl das Drehbuchteam in einigen Fällen ein ganzes Stück von der Vorlage abweicht: Der junge Wissenschafter Bruce Banner (Eric Bana) ist ein Mann mit emotionalen Problemen. Das weiß Ex-Freundin und Kollegin Betty Ross (Jennifer Connelly) nur zu gut. Doch Banners emotionale Probleme sind nicht gewöhnlich, und ihre Ausdrucksform ist es auch nicht. Denn diese Ausdrucksform ist saugroß, froschgrün und tierisch schlecht gelaunt: sein Alter Ego, der Hulk, ein geistig simples aber um so kraftvolleres Monster, dass sich den Weg nach außen bahnt, wenn Banner in Wut gerät. Die Schlüssel zu dieser Metamorphose liegen zugleich in Vergangenheit und Gegenwart. In der Vergangenheit, denn seine Gene sind durch das Erbmaterial seines Vaters David Banner, der in Selbstexperimenten mit Genmanipulation herumfuhrwerkte, vorbelastet. Und in der Gegenwart, denn ein Unfall mit radioaktiver Strahlung setzt schließlich das Monster frei, das jahrelang in Banner geschlummert hat. Zu dumm, dass Bettys Vater, General Ross (Sam Elliott) den Sohn ob der Sünden des Vaters im Blick hat und die Welt vor dem Hulk schützen will. Doppelt dumm, dass Bruces neidischer Kollege Talbot (Josh Lucas) aus Ruhm- und Geldgier dem Hulk zusetzt. Und dreifach dumm, dass dann auch noch sein lange verschollener Vater (Nick Nolte) auftaucht, mit nicht ganz eindeutigen Absichten. Banner muss seine Wut und damit das Monster in sich in den Griff bekommen. Vielleicht liegt der Schlüssel dazu in einer schmerzlichen Kindheitserinnerung? Die Zeit drängt, denn des Hulks Häscher sind ihm dicht auf den Fersen.

"Hulk" ist kein wirklich schlechter Film, aber eben auch kein Guter. Was auch für den Regisseur das Ende einer Siegesserie, seines erfolgreichen Streifzuges durch die verschiedensten Genres, bedeutet. Während sein asiatischer Kollege John Woo immer noch heimlich von der Verfilmung eines Musicals träumt und dann doch wieder ein ballistisches Ballett inszeniert, weil er dies eben am Besten kann, so hat sich Ang Lee von Schubladendenken nie aufhalten lassen. Und so drehte der Mann (meist mit Drehbuchpartner James Schamus im Boot) nacheinander eine Jane Austen-Verfilmung ("Sinn und Sinnlichkeit"), ein Familiendrama ("Der Eissturm"), einen Western ("Ride with the Devil") und einen mythischen Martial Arts-Streifen ("Tiger und Dragon"). Jeweils entweder sehr, zumindest aber ziemlich erfolgreich.
Doch mit einer Comicverfilmung - die Liebe seiner Söhne für Comics war für ihn da kein unwesentlicher Faktor, es zu versuchen - gerät er ins Straucheln. Lees K(r)ampf zwischen Wunsch nach Charakterkino und den Forderungen des Mainstream-Blockbusterkinos hängt dem Projekt wie ein Sack Blei am Kreuz, sorgt dafür, dass der Film weder Fisch (wirkliches Charakterkino) noch Fleisch (wirkliches Popcornkino) ist. Unentschieden, wie gesagt. Und im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Lee hat sich nicht entschieden, nicht entscheiden können. Etwas Charakterbedingtes sollte es schon sein, sonst wäre er nicht interessiert gewesen. Aber es sind ironischerweise die reinen Popcornmomente, die am Besten rüberkommen. Die Flucht des Hulk aus einem militärischen Labor, sein Kampf mit den Verfolgern (inklusive lustigem, aus dem Comic bekannten Panzer-durch-die Luft-schmeißen) und die Zerstörung von San Franciscos Straßenzügen: Ausgerechnet die simplen Freuden dieses überambitionierten Projekts machen Spaß.
Denn ansonsten verstrickt sich Lee in Vater und Sohn-Drama, genauer Melodrama, das einfach nicht recht funktionieren will. Eine Abhandlung über emotional verletzte Kinder, die unter ihren emotional gestörten Vätern leiden, dies will Lee mit den Paaren Bruce und David Banner und Betty und General Ross erreichen. Aber das Ganze ist zu offensichtlich angelegt und gerade die Auflösung der Vater-Sohn-Verhältnisses im Hause Banner ist enttäuschend und verkommt zum albernen, stereotypischen Comicmoment (im schlechten Sinne).
An den Darstellern liegt es nicht: Newcomer Eric Bana zum Beispiel macht seine Sache gut, ist zudem mit einem interessanten Gesicht ausgestattet. Nicht der typische schöne Hollywoodbeau, ähnelt er ein wenig dem jungen Liam Neeson und hat eine Mischung aus melancholischen und aggressiven Zügen, die der Rolle sehr zugute kommt. Auch Raspelstimme Sam Elliott macht als strammer General eine recht gute Figur. Fast verschenkt werden dagegen Jennifer Connelly und Nick Nolte. Frau Connelly sieht zwar mal wieder ganz bezaubernd aus, aber nach etwa der Hälfte des Films hat sie eigentlich nichts mehr zu tun, außer zu weinen und sorgenvoll zu gucken, dies natürlich wieder ganz entzückend. Und Nick Nolte im Pennerlook, bestens bekannt von dem während der Dreharbeiten entstandenen Knastfoto nach betrunkenem Fahren? Tja, der ist mit einer so undankbaren Rolle gesegnet, dass seine Bemühungen um Dramatik und Ausdruck im guten Ansatz versumpfen.

Es gibt weitere Schwächen. Zum einen ist da das Timing dieses mit 138 Minuten auch überlangen Films. Dem Charakterkinoansatz entsprechend, nimmt man sich hier Zeit für Charakterisierung, Exposition etc. Ist nix mit fetziger Anfangssequenz. Leider dauert das alles doch ein bisschen lange, so dass es eine Dreiviertelstunde braucht, bis der Hulk in Erscheinung tritt (was zum nächsten Problem führt, aber dazu gleich mehr) und es so richtig losgeht. Danach geht die Story erst mal etwas rasanter vonstatten, fällt dann aber im Mittelteil in ein narratives Loch (Passieren tut nicht viel, weder story- noch charaktermäßig), um dann mit der oben schon erwähnten Flucht des Hulk an Fahrt zugewinnen. Leider folgt dieser wirklich gelungenen Sequenz noch das große finale Duell mit einem Endgegner, von dem zwar alle wussten, dass es kommt, aber auf das man nicht wirklich fiebrig wartet, denn es kommt dann doch alles etwas käsig daher. Außerdem doof, wenn bei einem Doppelklimax der zweite Teil der eindeutig Schwächere ist.

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem ist die Figur des Hulk selbst. Komplett computergeneriert kommt er daher und erste Gerüchte, die Animation sei völlig misslungen, bewahrheiten sich hier so nicht. Der große Grüne sieht zwar nicht gerade aus wie Pac-Man, aber richtig zu überzeugen weiß er leider auch nicht. Erst jetzt sieht man, was für eine Großtat den "Herr der Ringe"-Machern mit dem jederzeit vollständig glaubwürdigen CGI-Geschöpf Gollum wirklich gelungen ist. Vor allem schafften sie, dieses und weitere Wesen aus dem Rechner organisch zu integrieren. Und hier hakt's beim "Hulk". Computergeschöpfe und wirkliche Umwelt wollen sich einfach nicht zu einer glaubwürdigen Einheit zusammentun, der CGI-Hulk wirkt jederzeit wie ein Fremdkörper. Nahaufnahmen sind ein gemischter Segen: Während Mimik und Gestik des von den Gesichtszügen her übrigens sehr kindlich wirkenden Hulk (die Metamorphose als Rückfall in kindliche Stadien?) überzeugen, sieht sein Muskelkörper ein wenig zu gummiartig aus. Wenn auch immerhin nie richtig albern - was man von einigen anderen CGI-Effekten in "Hulk" nicht sagen kann, den mutierten Hunden zum Beispiel. Diese treten beim ersten großen Auftritt des Hulk nach langer Wartezeit in Erscheinung - und sehen dann aus wie Outtakes oder Rohfassungen aus einem Animationsfilm. Der Kampf mit den Hunden - die mit Abstand schlechteste und trashigste Sequenz des Films - wird zudem noch durch katastrophalen Schnitt und ungelenke Kameraführung kaputt gemacht.

Wie viele andere Dinge in "Hulk" sind auch die Kamera- und Schnitttechniken, mit denen Lee hier einen Comic zum Leben erwecken will, indem er dessen Panelform imitiert, bestenfalls ein halber Erfolg. Da wird dann mit der Kamera hin- und herfokussiert und gedreht, gibt es die aus dem "Krieg der Sterne" bekannten swipe-Übergänge, sowie ständig irgendwelche split screens, die wie die Panels einer Comicbuchseite wirken sollen. Ein interessanter Einfall, aber eben auch nicht so richtig erfolgreich. Denn was noch funktioniert, während man sämtliche Handlungselemente in verschiedenen "Panels" verfolgt, wird dann zum reinen Gimmick, wenn man lediglich dasselbe Motiv aus zwei oder vier Perspektiven sieht. Zumal auch grundsätzlich diese Imitation eines anderen Mediums die Frage aufwirft, ob eine derartige artfremde Imitation erstens gewünscht ist und zweitens überhaupt erfolgreich sein kann.

"Hulk" zeigt noch einmal nachdrücklich, wie schwierig es ist, Kunst und Kommerz zu vereinen. Hier leidet beides. Ang Lee-Fans werden ob des zwar gut gemeinten, aber nicht immer gut gemachten Erzähl- bzw. Charakterkinos, das sich in Ansätzen verliert, enttäuscht sein. Fans des großen Popcornkinos dürften das Erzähltempo und die halbgaren psychologischen Ansätze des Films auf den Magen schlagen. Und so bleibt da nur der Comicfan. Der guckt sich den Film sowieso an, kennzeichnet aber gleichzeitig das Dilemma, mit dem sich "Hulk" zwischen alle Stühle setzt. Denn dieser als nächster Marvel-Blockbuster konzipierte Streifen wird der Erste sein, der wohl nur ein reines Comicpublikum wirklich begeistern kann. 2003 als das Jahr der Matrix? Hmm, vielleicht. 2003 als das Jahr des Hulk? No way. Und wenn er alles kaputtschlägt.


8
8/10

Für einen Blockbuster-Comic-Action-Popcorn-Film bemerkenswert psychedelisch, schauspielerisch, episch, fremd. Deshalb 8 Augen. Klar, daß der wegen den genannten Eigenschaften bei den Blödelkids im Multiplex voll durchfällt.

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4
4/10

Ich fand den Film OK!!!

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8
8/10

Für mich ist Ang Lees "Hulk" die am meisten unterschätzte Comicverfilmung überhaupt. Eric Bana gibt einen absolut überzeugenden Bruce Banner: innerlich zerrissen und an seinem Zustand leidend. Die Dialoge, die Schauspieler, die Action-nahezu alles an diesem Film stimmt. Ärgerlich ist nur die teilweise lieblose und lächerlich wirkende Animation des grünen Wüterichs.

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