Herz im Kopf

Jahr
2001
Laufzeit
92 min
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 1. Januar 2010

Es ist nun beinahe auf den Tag genau zwei Jahre her, dass das Internatsdrama "Crazy" seinen triumphalen Einzug in die Reihe deutscher so genannter Initiations-, Coming-of-Age-Filme erlebte. Damals waren der Regisseur Hans-Christian Schmidt und sein Co-Autor Michael Gutmann für den begeisterten Aufschrei unzähliger pubertierender Kinogänger verantwortlich. Doch gehörte "Crazy" vergleichsweise zur zielgruppengemäßen Schonkost, so hatte sich das Erfolgsduo für dieses Jahr ein noch ehrgeizigeres Projekt in den Kopf gesetzt. Und für einen neuen Anfang wurden dann auch gleich die Rollen gewechselt, so dass Gutmann dieses Mal im Regie-Stuhl sitzen durfte.
"Herz im Kopf" ist die Geschichte einer Teenagerliebe zwischen dem jungen Rebellen Jakob und dem polnischen Au-pair-Mädchen Wanda, die im rauen Alltag zu bestehen versucht.

Die Hintergründe von Jakobs (Tom Schilling) wildem Charakter haben ihre Wurzeln im Dämmer grauer Vorzeit: Nach dem Tod seiner Mutter treibt Jakob frustriert und orientierungslos zwischen seinem Vater in Berlin und seiner Schwester und deren zeugefreudigen, aber verantwortungslosen Liebhaber in Frankfurt umher. Die Schule geschmissen, Gelegenheitsjobs, um sich halbwegs über Wasser zu halten: Jakob sieht kaum Perspektiven. In diesem tristen Alltag des desillusionierten Teenagers ereignet sich nun plötzlich die schicksalhafte Begegnung mit der schönen Wanda (Alicja Bachleda-Curus), eine polnische Unschuld und ganz nebenbei Au-pair-Mädchen im Hause von Jakobs ehemaliger Lehrerin, Frau Gebhard. Und die hat nun wahrlich wenig für das Techtelmechtel ihres Kindermädchens mit ihrem rotznäsigen Ex-Schüler über. Doch genau das lässt sich nicht verhindern.
Was nun folgt sind die zaghaften Versuche jugendlicher Liebesleidenschaft. Beide fühlen sich vom ersten Moment voneinander angezogen, doch während Jakob seinen Zweifeln ob der wahren Liebe erlegen ist, übt sich die an deutschen Jungs erprobte Wanda vorläufig in vornehmer Zurückhaltung. Aber auch ganz praktische Probleme erschweren den Weg zum gemeinsamen Glück. Wie trifft man sich zum ungestörten Schäferstündchen, wenn die schrille Stimme von Frau Gebhard vor der Tür die Wände wackeln lässt? Kann man - oder besser "muss" man - auf die zurückliegenden Affären der Liebsten mit den eigenen Kumpels eifersüchtig sein? Und wie um Himmels Willen findet man heraus, ob ein silberner Perlenring zum Ästhetikbewusstsein von Krakauer Mädels gehört?
Und so taumeln Jakob und Wanda im gemeinsamen Sinnesrausch von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, so dass es auch einmal vorkommen kann, dass beide beim "Sex ihres Lebens" im Ehebett der Gebhards erwischt werden. Ein Fiasko! Doch wie uns schon Romeo und Julia gezeigt haben: Zu einer echten Liebesgeschichte gehört eben immer eine Riesenportion Liebe und eine noch größere Portion an Problemen. Denn es sind genau diese Hindernisse, die das ganze Geschehen erst mit dem unverkennbaren Reiz und dem magischen Flair wahrer Liebe versehen.

Tom Schilling ist im Vergleich zu seinem Auftritt als Janosch in "Crazy" deutlich gereift, die Rolle des Jakobs ist ihm wie auf den Leib geschnitten und so verkörpert er in ziemlich authentischer Art und Weise den romantischen Trotzkopf, der mit wässrigen Rehaugen abseits der Tugendpfade irgendwo zwischen Sehnsucht und Melancholie schreitet. Doch auch die weibliche Hauptdarstellerin Alicja Bachleda-Curus brilliert mit beachtlicher schauspielerischer Leistung. Obwohl sie vor Drehbeginn nur in den Genuss von zwei Deutschstunden gekommen war, liefert sie auf der Leinwand das überzeugende Bild einer aufregenden Schönheit ab, die im Laufe der Geschichte vom schüchtern-schönen Liebchen zur reifen Frau avanciert. In ihrer polnischen Heimat ist der Krakauer Kopfverdreher bereits ein Star und zwar als Schauspielerin gleichermaßen wie auch als Sängerin. Und so ließ es sich Alicja auch nicht nehmen, den Soundtrack mit der zarten Akzent-Ballade "Ich verlier´ mich gern in Dir" abzurunden.

Gutmann setzt "Herz im Kopf" dadurch von seinen Vorgängerfilm ab, indem er auf die oberflächlichen und stereotypischen Charakterdarstellungen von Teenagern (wie im Ensemble-Film "Crazy" geschehen) verzichtet und vielmehr bei der Geschichte eine konsequente Reduktion auf das Wesentliche vornimmt. Liebevoll beschreibt er das legitime Auflehnen eines Jungen aus zerrüttetem Hause, beinahe anrührend wird auch der Rand der Gesellschaft im Sozialwohnbau Frankfurts portraitiert.

Aber was am Ende bleibt, ist dennoch nur ein Schauspiel jugendlicher Schwärmerei, eine kleine sympathische Liebesgeschichte, nicht mehr und nicht weniger. Für die älteren Zuschauer bleibt "Herz im Kopf" wohl ein Streifen über die infantile Seligkeit, natürlich aknefrei und idealisiert. Für die Jüngeren bieten sich jedoch Identifikationsmöglichkeiten.
Es ist das Richtige für einen unterhaltsamen, vielleicht sogar romantischen Abend im Kino, in der Linken das Popcorn, in der Rechten die Liebste oder den Liebsten. Einfach und unkompliziert, aber schön, so schön anzusehen.


Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.