Um es leicht dramatisch auszudrücken: Die Geschichte der Videospiel-Verfilmungen ist eine Geschichte voller Missverständnisse und Enttäuschungen. Einen echten „Eventfilm“ gab es in diesem Genre eigentlich seit dem ersten „Tomb Raider“ nicht mehr, und auch wenn sich mit “Resident Evil“ immerhin zumindest eine recht langlebige Reihe etabliert hat, so hinterlässt doch nur sehr selten mal eine Game-Adaption größeren Eindruck. Der Ansatz, es dabei einfach mal mit der im Medium dominierenden Ego-Shooter-Perspektive zu versuchen, liegt dabei aber im Grunde so nahe, dass man sich doch wundern muss, dass es so selten auf diese Art gemacht wird. Gut, ein 90 Minuten langes, durch die Augen einer stummen Kampfmaschine betrachtetes Action-Stakkato am Stück kann wiederum auch eine recht anstrengende Angelegenheit sein. Aber schließlich heißt der Film, der nun genau das macht, ja nicht ohne Grund „Hardcore“.
Henry erwacht in einem Labor, ohne Erinnerung an irgendetwas was zuvor geschehen ist. Seine Frau (?) (Haley Bennett) versorgt ihn schnell noch mit neuen Arm- und Beinprothesen, doch bevor man auch seine Stimme aktivieren kann, attackiert bereits der psychopathische Akan (Danila Kozlowsky) mit seinen Söldnern die Einrichtung, die sich bei der anschließenden Flucht als Luftschiff entpuppt, aus dem Henry gerade noch entkommen kann. Er landet auf den Straßen Moskaus, doch bleibt keine Zeit zur Erholung, denn die Jäger bleiben ihm dicht auf den Fersen. Zwar bietet der undurchsichtige Jimmy (Sharlto Copley) seine Hilfe an, doch auch dieser Begleiter bleibt nicht lange an Henrys Seite. Der wird ständig attackiert, geht zu Boden und steht jedes Mal wieder auf, bis es schließlich zur finalen Konfrontation mit den (vermeintlich) Bösen kommt.
Es ist schon ein echter Kracher, den Action-Spezialist Timur Bekmambetov hier als Produzent auf den Weg gebracht hat. Die Regie hat er jedoch dem Mann überlassen, der dieses Konzept ursprünglich für zwei Musikvideos seiner Moskauer Band „Biting Elbows“ entworfen und damit große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Ilya Naishuller heißt der Mann auf dem Regiestuhl und der denkt gar nicht daran, für seinen Kinofilm nun irgendwelche Regeln zu beachten, die so ein Werk in Sachen Storytelling oder Erzähltempo normalerweise verlangt. Das „Action ohne Pause und ausschließlich aus der Ego-Perspektive “-Konzept wird tatsächlich kompromisslos über die komplette Laufzeit durchgezogen und geht in dieser Hinsicht folgerichtig noch einen Schritt weiter als etwa die „Crank“-Filme mit Jason Statham, die sich noch am ehesten mit „Hardcore“ vergleichen lassen, der ansonsten in seiner Machart bisher als einsamer Solitär da steht.
Das ist also mindestens mal hochinteressant und erfreulicherweise auch noch etwas mehr als nur das, denn schon vom stylischen Vorspann an erzwingt der Film die Aufmerksamkeit des Betrachters. Auch nach dem Spektakel der ersten Viertelstunde fragt man sich zwar weiterhin, wie das Ganze denn bitte jetzt noch mehr als einen Stunde so weitergehen soll, doch auch nach fast 90 Minuten kann man nicht behaupten, dass es hier irgendwann wirklich langweilig oder repetitiv geworden wäre. Immer neue Einfälle und Schauplätze lassen keine Zeit zum Atemholen und selbst wenn mal gerade nicht gekämpft oder geballert wird, macht der Irrsinn deshalb noch lange nicht Pause. Denn da marschiert dann halt gleich eine ganze Armee von Jimmy-Klonen auf, welche aufgrund der Prämisse, dass nicht mehrere von ihnen gleichzeitig aktiv sein können ein geradezu wahnwitziges Wechsel-Ballett hinlegen (und falls sich niemand vorstellen kann was für eine Szene da jetzt beschrieben wurde, der muss es sich halt anschauen).
Sharlto Copley („District 9“) greift in seinen verschiedenen Erscheinungsformen dann auch klar die meiste Leinwandzeit ab und hier passt seine oft übertrieben schräge Art (siehe „Oldboy“) dann auch tatsächlich mal richtig gut rein, haben wir es doch mit einem Umfeld zu tun, dass jede Form von Realismus mit allen Mitteln vermeidet, was auch für die gezeigte Version eines futuristisch-heruntergekommenen Moskaus gilt (zumindest kann man das für dessen reale Bewohner nur hoffen). Den Darsteller der Titelfigur (im Original nennt sich der Film „Hardcore Henry“) bzw. dessen Sprache und Mimik kann man hier naturgemäß nicht bewerten, weil halt nicht vorhanden. Selbstverständlich kommt das Ganze übertrieben brutal daher und gehört ohne Diskussion in die Schublade „kranker und absurder Scheiß“, weshalb auch das Mainstream-Publikum einen großen Bogen darum machen wird. Aber es gilt nichts desto trotz Respekt zu zollen, für die bemerkenswert konsequente und innerhalb ihres eigenen Universums auch ausgezeichnet funktionierende Umsetzung dieses echten Ego-Shooters im Spielfilmformat. Eine alles noch weiter steigernde Fortsetzung braucht es nicht unbedingt, aber zumindest einmal kann man sich diesen „Hardcore“-Stoff sehr gut angucken.
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