
„Ed tv“ ist ein Film, den sich eine gewisse Familie Fussbroich aus Köln ansehen sollte - Fred, Annemie und Frank werden ihn mögen. Für alle unwissenden nicht-WDR-Kucker: Die Fussbroichs werden seit Jahren auf Schritt und Tritt mit der Kamera begleitet, eine ganz normale Familie aus der Kölner Unterschicht bei ihrem ganz normalen, stinklangweiligen Leben. Warum die Leute dabei zusehen, wissen selbige oft gar nicht so genau - eine Form des absoluten Reality-TV, eine Realsatire auf das Leben, was auch immer.
Genau wie den Fussbroichs geht es in „ed tv“ einem Kerl aus San Francisco - Ed Pekurny. Mit dem Unterschied, daß sein Leben nicht geschnitten, kommentiert oder musikunterlegt wird - nein, edTV sendet rund um die Uhr, all ed, all live. Das ist die Idee des Fernsehsenders TrueTV, der mit dieser Hardcore-Soap Quote schinden will. Bei der Auswahl der Hauptperson geht es nicht darum, den Besten zu finden, ganz im Gegenteil - je schlechter, desto besser, denn nur so sehen die Leute zu. So wie die Spanner bei Autounfällen auf dem Highway, das ist die Kalkulation der Produzentin. Demnach fällt die Wahl zufällig auf Ed (McConaughey), einen nichtsnutzigen Angestellten in einer Videothek, Anfang 30, der auf Burt Reynolds steht, auf Chromfelgen und auf Biertrinken mit seinen Freunden, ein netter Kerl, der nun auf Schritt und Tritt von Kameras verfolgt wird. Kein Problem für Ed, dem das Unterschreiben des Sendevertrages mit der Aussicht auf dicke Kohle und schnellen Ruhm gar nicht schwerfällt. Daß ihn nun die ganze Nation (nicht nur) dabei beobachten wird, wie er sich allmorgendlich am Sack kratzt, wird ihm erst etwas später klar. edTV gerät zum Quotenknaller, und so schaut schon bald buchstäblich jede Sau zu. Das ist das Ende jeglicher Privatsphäre, sowohl seiner eigenen als auch seiner Familie und Freunde.
Die
Verwicklungen, die durch diese Transparenz unweigerlich entstehen,
liefern die grandiose Komik von „ed tv“. Die Dialoge sprühen
nur so von Witz, und da, wo keine Worte gefragt sind, reicht entweder
der Schnitt zu den Millionen Fernsehzuschauern aus, um den Zuschauer
vor Lachen bersten zu lassen, oder auch nur die originellen Charaktere.
Gerade letztere verleihen „ed tv“ einen Flair von Authentizität
- da wäre Eds Bruder Ray (Woody Harrelson, der tatsächlich
McConaugheys Bruder sein könnte), dem es eigentlich ziemlich
egal ist, daß seine Freundin ihn mit Ed betrügt, sich
aber wirklich nicht vor allen Leuten von dieser als Schlappschwanz
bezeichnen lassen will - also bringt er Gegenbeweise vor die Kamera
und schreibt schließlich auch noch ein Buch, Titel: „MY
BROTHER PISSED ON ME“. Oder etwa Al (Wahnsinnig gut: Martin
Landau), Eds Stiefvater, ein süßer Opi mit Prostataproblemen,
der an einen elektrischen Rollstuhl gefesselt ist (Mit einem Nummernschild
vorne dran, wo „AL“ draufsteht...)
Soweit zu den humoristischen Tönen von „ed tv“ - Andererseits bleiben da noch die dicken Probleme, die sich im Zuge der ständigen Beobachtung auftun. Die Freundin macht den Fernsehzirkus nicht mehr mit. Ed kann sich nur noch mit Bodyguards bewegen. Bei allen kleinen und großen Sünden schaut das ganze Land zu, und Ed´s Handlungen unterliegen fortlaufender Evaluation in der Presse („71 % say Shari isn`t good enough for Ed!“). Mit steigender Popularität geht auch noch das letzte bißchen Privacy verloren, schließlich wird Eds Leben gar vom Sender gelenkt und an einen Ausstieg ist nicht zu denken - jaja, das Kleingedruckte im Vertrag.
Die
Darsteller von ed tv verdienen eigentlich allesamt ein dickes Lob
- zu allererst Matthew McConaughey (bekannt aus dem Kiffer-Kult
„Dazed and Confused“ bzw. „Amistad“). Dieser
bringt den einfachen, sympathischen Allerweltsjungen, der sich am
Starrummel aufgeilt, so überzeugend rüber, daß man
ihn sich wirklich nicht mehr als seriösen Menschen, wie in
„Amistad“ oder „Contact“, vorstellen kann. Woody
Harrelson liefert gewohnt solide Arbeit, und Stars wie Dennis Hopper
und Liz Hurley sind gelungene Farbtupfer im Zusammenspiel von Ed´s
Leben. (Liz Hurley liefert zusammen mit McConaughey übrigens
den wahrscheinlich geilsten „Vorspielus-Interruptus“ der
Kinogeschichte. Eine Perle.)
Was bleibt als Beurteilung? Die komischen Elemente von „ed tv“ sind allesamt mehr als gelungen. Aber dort, wo der Film anfängt, medienkritisch zu wirken (und das tut er ganz ungemein), würde man sich mehr wünschen - leider versiegt diese Strömung allzu schnell, und zwischenzeitlich verfällt „ed tv“ tatsächlich in eine bloß voyeuristische Beobachterrolle. Das sind die Momente, wo sich die Handlung stark zu ziehen beginnt, wie überhaupt 122 Minuten für dieses Material viel zu lang sind. Auch das Ende, zu dem weder Film noch Reality-Sender *im* Film kommen wollen, wirkt zu einfach und zu lieblos. Das sind leider die Schandflecken, die auf dieser ansonsten genialen Leistung haften bleiben. Die „Truman-Show“, wenn auch im Ansatz etwas anders, hat da sicherlich ein Beispiel geliefert, wie man´s besser macht.
Allein schon wegen der fetten Ablacher zwischendurch ist „ed-tv“ aber trotzdem einen Besuch und sieben von zehn Augen wert.
Neuen Kommentar hinzufügen