Dr. T and the Women

Originaltitel
Dr. T and the Women
Land
Jahr
2000
Laufzeit
122 min
Genre
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 4. März 2011

Auch die größten Künstler bauen mal Mist. Das ist eine bittere Erkenntnis, weil sie einem recht deutlich klar macht, daß auf Nichts und Niemanden mehr Verlass ist, und deshalb tut es auch doppelt so weh, einer Ikone beim Mistbauen zuzusehen, als einem relativen Nobody. Dieses Mal ist es an Robert Altman, uns zu beweisen, daß Genie nicht vor Fehltritten schützt. Denn trotz dem inzwischen typischen Großaufgebot an Stars ist dem Mann, der uns in über dreißig Jahren Filmschaffen bereits mit Meisterwerken wie „M.A.S.H.“, „Nashville“ und „The Player“ beglückt hat, in seinem neuesten Projekt so ziemlich alles mißlungen, was er versucht hat.

Im Zentrum dessen, was wohl die Handlung sein soll (ohne daß sich so richtig eine entwickeln würde), steht der Frauenarzt Sullivan Travis, ein Mann, der die Frauen liebt. Hört man sowas und stellt sich Richard Gere als Gynäkologen vor, entsteht natürlich sofort ein Bild eines wilden Vernaschers im Kopf. Daß dem nicht so ist, bleibt noch die größte Überraschung des Films: Dr. T, wie man ihn gemeinhin nennt, liebt die Frauen, aber mehr in ideeller Hinsicht. Sie sind für ihn himmlische Geschöpfe, deren Grazie und Anmut geradezu heilig ist, und er bewundert sie über alles. Die Frauen danken es ihm: Seine Praxis, die in einer Altman-typischen Eröffnungseinstellung von beachtlicher Länge vorgestellt wird, platzt jeden Tag aus allen Nähten von laut schnatternden Mitgliedern der reichen Oberschicht von Dallas. Verwöhnte und schöne Damen, die in den wenigsten Fällen wirklich etwas haben, aber die Aufmerksamkeit von Dr. T genießen. Gestört wird des Doktors heile Welt, als seine Ehefrau Kate (Ehren-Engel Farrah Fawcett) in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird, an dem sehr exotischen Hestia-Komplex leidend. Diese reichlich fiktiv klingende Krankheit befällt ausschließlich Frauen der Oberschicht, deren Leben im Prinzip perfekt ist, und die sich dann, innerlich an der Frage verzweifelnd, wie sie das alles verdient haben, in einen kindsähnlichen Zustand flüchten. Sonst hat es der Doktor auch nicht leicht: Seine Schwägerin Peggy (Laura Dern), dem Champagner heftig zugetan, ist gerade mit ihren drei Kindern bei ihm eingezogen, die Hochzeit seiner Tochter DeeDee (Kate Hudson) steht vor der Tür, und im Golfverein wurde soeben die attraktive Bree (Helen Hunt) als neuer Club-Profi eingestellt, ein in der Tat sehr faszinierender Mensch.

Aus dieser Konstellation heraus beginnt Altman in gewohnter Manier mit seinen verschiedenen Handlungssträngen zu jonglieren. Diesmal hat man allerdings leider den Eindruck, als würden ihm alle Bälle gleichzeitig hinfallen: Relativ ungeordnet und konzeptlos springt der Doktor von einem Plot zum nächsten, ohne daß irgendwo genug Zeit oder Aufmerksamkeit bleiben würde, um das Ganze vernünftig auszuarbeiten. Beinahe sämtliche Stränge bleiben im Ansatz stecken, so daß die wenigen wirklich wichtigen Ereignisse nicht logisch, sondern völlig willkürlich erscheinen. Gleich mehrere Figuren scheinen nur die eine Daseinsberechtigung zu haben, einen weiteren Typ High Society-Frau abdecken zu können. Der merklichen Absicht des Films, ein Portrait der femininen Gesellschaft von Dallas zu zeichnen, ist das grundsätzlich vielleicht zuträglich, weniger wäre hier allerdings mehr gewesen. Speziell Schwägerin Peggy und des Doktors zweite Tochter Connie (Tara Reid) sind gnadenlos überflüssig. Einzig die gute Seele der Praxis, Sprechstundenhilfe Carolyn (Shelley Long), hätte ihre einseitige Funktion als quirliger Energieriegel vollkommen gereicht, doch gerade sie bekommt eine Wandlung aufs Auge gedrückt, die mehr als albern wirkt.

Daß Altman den Mund hier eindeutig zu voll genommen hat, wird sehr schnell deutlich. Und wie das in so einem Falle halt so ist, kriegt man kaum noch ein verständliches Wort raus. Während Plot nach Plot den Faden verliert und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, stellt sich beim Zuschauer die immer verzweifelter werdende Suche nach einem Sinn ein, die allerdings erfolglos bleibt. Wenn der Künstler hier tatsächlich etwas sagen wollte, haben es die Worte einfach nicht an den vielen Story-Krümeln vorbei geschafft. Nicht die reichlich beliebige und zum Teil wenig nachvollziehbare Auflösung des Plot-Chaos setzt dem Mißgeschick jedoch die Krone auf, sondern ein Ende, daß sich in einem völlig unverständlichen Ausflug ins Fantastische selbst jeglichen Sinns beraubt und den Zuschauer so nicht nur reichlich verwirrt, sondern auch zurecht wütend entläßt. Es zeugt zwar von einer gewissen Konsequenz, einem Film ohne vernünftigen Sinn ein vernünftiges Ende zu verweigern. Als Pluspunkt läßt sich dies allerdings nur schwerlich anrechnen.

Es bleibt wohl Altmans Geheimnis, was er mit diesem Film tatsächlich erreichen wollte. Die Zutaten für eine weitere beachtliche Leistung waren gegeben: Die Darsteller sind allesamt klasse (ja, auch Richard Gere), soweit ihre Rollen das zulassen, die Inszenierung ist streckenweise virtuos und weiß eine Zeit lang mit beachtlichem Auge fürs Detail zu beeindrucken. Aber ein guter Film sollte wissen, wo er hin will. Sonst hat man nur einen Haufen schöner Frauen in schöner Umgebung. Das ist zwar nicht schlecht, für einen Altman-Film aber reichlich wenig.


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