Endlich. Endlich ist das Warten vorbei. So wie manche Leute dem Start des neuen Star Wars-Films entgegen gefiebert haben, so konnte ich die Ankunft von „Dogma“ auf den deutschen Leinwänden nicht erwarten. Und es hat verdammt lange gedauert. Der Film war schon lange fertig, doch wichtige Leute von Disney (denen die Produktionsgesellschaft Miramax gehört) wollten sich keinen Ärger mit der Kirche einhandeln durch einen Streifen, der eine etwas andere Auffassung von Glauben hat, als sie der Vatikan zu predigen pflegt. Nach monatelangem Hin und Her wurde schließlich ein neues Label gegründet, unter dessen Namen der Film dann endlich starten konnte. Und so hat es der vierte Film von Indie-Held Kevin Smith (dem wir hier bereits ein eigenes Spotlight gewidmet haben) endlich, endlich in die Kinos geschafft. Ein Film, den kein Smith-Fanatiker verpassen sollte, und der für so manch einen Katholiken sicher auch nicht ganz uninteressant ist. Mal abgesehen davon, daß er zum Brüllen komisch ist. Die Kirche leidet unter heftigem Besucherschwund, das ist allgemein bekannt. Ein Kardinal aus New Jersey kommt daher auf die tolle Idee, eine Werbekampagne mit dem schönen Namen „Katholizismus, wow!“ zu entwerfen, inklusive neuer Jesus-Statue und einem netten Werbegag: Nach der Neuweihung seiner Kirche will er jedem Katholiken einen Generalablass erteilen, d.h. sobald man die Schwelle der Kirche überschreitet, sind alle Sünden vergeben. Das kommt den beiden gefallenen Engeln Loki und Bartleby (Matt Damon und Ben Affleck) gerade recht: Seitdem sie vor einigen tausend Jahren wegen ungebührlichen Verhaltens aus dem Himmelreich geworfen wurden, warten sie auf eine Chance zum Wiedereintritt. Ihre Überlegung: Wenn uns alle Sünden vergeben werden, können wir wieder rein. Das ist allerdings mit einem Problem verbunden, daß die himmlischen Wächter in einige Unruhe versetzt: Wenn einst verstoßene Engel ins Paradies zurückkehren, wäre damit die Unfehlbarkeit Gottes widerlegt, was zum sofortigen Ende aller Existenz führen würde. Nicht so schön. Also schickt der Erzengel Metatron (Alan Rickman) die etwas widerspenstige Auserwählte Bethany (Linda Fiorentino) los, die beiden Sündenengel aufzuhalten, mit freundlicher Unterstützung der beiden „Propheten“ Jay und Silent Bob (Jason Mewes und Smith himself), der Muse Serendipity (Salma Hayek), sowie dem dreizehnten Apostel Rufus (Chris Rock), der für seine Nichterwähnung im Neuen Testament eine recht gute Erklärung hat. Schon vor der ersten Einstellung weisen ein paar freundliche Texteinblendungen (die bereits für die ersten Lacher sorgen) darauf hin, daß es sich bei „Dogma“ um eine Fantasy-Komödie handelt, deren Inhalt nicht dazu gedacht ist, irgendwen oder irgendwas anzugreifen oder zu defamieren. Natürlich ist das ein Seitenhieb auf die zu erwartenden Proteste von kirchlicher Seite (die auch prompt kamen), aber wenn man die grandiosen Comedy-Elemente mal beiseite lässt und sich auf Smith’s Aussagen über Kirche und Glauben konzentriert, dann enthält „Dogma“ sehr wohl einige deftige Kritikpunkte. Abe keinerlei Beleidigungen. Gut, wir haben hier eine Auserwählte, die in einer Abtreibungsklinik arbeitet, zwei Propheten, die abwechselnd kiffen und ficken wollen, Engel, die über ihre fehlenden Geschlechtsteile und die Unmöglichkeit, sich zu betrinken, lamentieren; aber dies sind alles nur bewußt gesetzte Provokationen, die nichts lächerlich machen, sondern nur den eigentlichen Punkt unterstützen: Wir sind alle fehlbar. Und wenn wir den ganzen Tag fluchen, saufen, vögeln und prügeln, so muß das noch lange nicht heißen, daß wir nicht glauben. Kevin Smith ist ein sehr gläubiger Mensch, der in „Dogma“ ganz klar Stellung gegen die Institution Kirche bezieht, aber keinesfalls gegen das, wofür sie steht. „Ihr feiert euren Glauben nicht, ihr betrauert ihn“ kommentiert die Muse Serendipity an einer Stelle den unendlichen Regel-Katalog des Vatikan, und spricht damit einen Gedanken aus, den sehr viele junge Christen teilen: Die Kirche ist es, die ihre eigenen Mitglieder vertreibt, nicht der Glaube. Niemand sollte jetzt den Eindruck bekommen, „Dogma“ wäre ein bierernster Problemfilm. Mitnichten, schließlich sind wir hier bei Kevin Smith, und der Mann versteht es wie kein Zweiter, die zugrundeliegende Problematik seiner Geschichten und Figuren durch herrlichsten Humor zu versüßen. Derbe Zoten hagelt es hier im Minutentakt, und auch visuell konnte der Regisseur dank größerem Budget dieses Mal so einiges mehr realisieren, einen Höllen-Dämon aus menschlichem Auswurf zum Beispiel. Speziell für Smith-Fanatiker ist „Dogma“ ein Riesenspaß, die Anzahl der Querverweise auf seine bisherigen Filme ist gigantisch, und man sieht jede Menge bekannte Gesichter wieder. Und auch für Smith-Neulinge bieten köstliche Filmzitate von „Indiana Jones“ bis „Karate Kid“ beste Unterhaltung. „Dogma“ unterscheidet sich prinzipiell nicht von seinen Vorgängern: Eine grandiose, saukomische und hochgradig politisch unkorrekte Komödie, die durchaus einiges Ernsthaftes zu sagen hat. Was bei „Dogma“ aber wesentlich deutlicher wird als bei „Clerks“ oder „Chasing Amy“: Kevin Smith ist fraglos ein begnadeter Autor. Er ist kein begnadeter Regisseur. Seine Bild-Arrangements wirken immer ein wenig statisch, vor allem bedingt durch die enorme Dialoglastigkeit seiner Filme. Weil man fortlaufend mit einfachen Gesprächssituationen konfrontiert ist, fehlt der visuelle Schwung. Das war bisher nie so ein großes Problem, weil Smith’s Filme in einem sehr kleinen Rahmen arbeiteten. „Dogma“ hingegen spielt dramaturgisch in einer anderen Liga, hier gibt es eine große Bedrohung, Helden und Bösewichte, und einen Showdown. Und je näher man diesem kommt, desto mehr merkt man, daß Smith nicht in der Lage ist, Tempo und Spannung zu erzeugen, sobald sein Plot von Action und nicht mehr von Dialogen getragen wird. „Dogma“ ist ein Film, bei dem es tatsächlich mehr Spaß machen könnte, ihn zu lesen, als ihn zu sehen. Nichtsdestotrotz bleibt „Dogma“ ein exzellenter Film, der in eleganter und kunstvoller Art und Weise ordentlichen Fäkal-Humor mit einem ernsthaften und allgegenwärtigen Problem verquickt. Spaß macht dieser Film auf jeden Fall, auch wenn man für einige Witze ein detailliertes Wissen über kirchliche Strukturen und die Bibel braucht. Und ich bin mir ziemlich sicher, daß so mancher zweifelnde Katholik, den es schon lange nicht mehr in die Kirche gezogen hat, in diesem Film eine Menge eigener Gedanken wiederfinden wird. „Dogma“ ist kein kontroverser Film. Er sieht Glaube und Zweifel lediglich als etwas sehr menschliches an, und geht so weit, tatsächlich anzunehmen, daß Gott uns liebt. Und aus Kanada kommt. |
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