Schön, dass es so etwas doch immer wieder gibt. Da kommt ein dreckiges kleines Science Fiction-Filmchen daher, das mit relativ wenig Geld und komplett unbekannten Darstellern eine ziemlich abgefahrene Aliengeschichte erzählt, die zu allem Überfluss auch noch in den Slums von Johannesburg spielt. Dank des Namens Peter Jackson im Produzententeam erzielt man aber eine gewisse Aufmerksamkeit, und ein clever getimtes Vorab-Screening auf dem für so etwas aller bestens geeigneten Comic-Con in San Diego sorgt für positive Mundpropaganda und eine gespannte Erwartungshaltung bei Genre-Fans. Dass sich "District 9" aber dann tatsächlich zu einem echten Überraschungserfolg und Blockbuster entwickelt hat, ist jedoch keineswegs nur einer effektiven Vermarktung geschuldet, sondern vielmehr der verdiente Erfolg eines echten Qualitätsprodukts.
Sie sind wirklich zu uns gekommen, aber sie haben sich nicht etwa New York oder Washington als glamourösen Ort für ihr Erscheinen ausgewählt, sondern tauchen mit ihrem Raumschiff ausgerechnet über Johannesburg in Südafrika auf. Was auch daran liegt, dass es sich um einen ungeplanten und unkontrollierten Kontakt mit der Menschheit handelt, denn die fremden Wesen an Bord erweisen sich als hilflose Ausgestoßene. Begeisterung und Faszination über die erste Begegnung mit einer fremden Rasse stellen sich nicht wirklich ein, und die Besucher werden kurzerhand in einem Auffanglager direkt unterhalb ihres Schiffes zusammengepfercht und notdürftig versorgt.
20 Jahre später ist die Population des "District 9" getauften Areals auf mehr als zwei Millionen angewachsen und die katastrophalen Zustände dort und die immer aggressiver werdende Stimmung in der menschlichen Bevölkerung veranlassen die Regierung, eine Art "Endlösung" in der Alien-Frage zu forcieren. Die Verantwortung für die Umsiedlung der ungeliebten Gäste an einen unwirtlichen Ort außerhalb der Metropole wird dem privaten Konzern MNU übertragen, dessen primäres Interesse jedoch in der Nutzung der außerirdischen Waffentechnik liegt. Das Kommando über die Evakuierung erhält der unerfahrene Zivilist Wikus van der Merwe (Sharlto Copley), seines Zeichens Schwiegersohn des MNU-Vorsitzenden. Als der überforderte Wikus sich jedoch unfreiwillig mit Alien-DNA infiziert, die seinen Körper teilweise mutieren lässt, wird dies für ihn zu einem doppelten Problem. Den während Wikus alles daransetzt wieder "gesund" zu werden, wird er durch die neu gewonnene Fähigkeit mit seinem veränderten Körper die Alientechnologie nutzen zu können, gleichzeitig auch zum wertvollsten Menschen des gesamten Planeten.
"District 9" beginnt als TV-Mockumentary mit Wackelkamera und bringt uns so zügig ins Geschehen und auf den aktuellen Stand der Situation. Wir begleiten Wikus van der Merwe bei dem Einsatz, der seine große Chance darstellt und bei dem er sich zunächst als willfähriger Scherge im Dienste eines skrupellosen Konzerns zeigt, dem das weitere Schicksal der Aliens herzlich egal ist. Apropos Aliens: Die sind hier weder von Natur aus böse, noch in irgendeiner Form als niedliche oder süße Kuscheltiere gestaltet, sondern kommen ganz eigenständig als drahtiger, insektoid angehauchter Typ mit Kriegerstatur daher, können sich gerade so mit den Menschen verständigen und zeigen eine bemerkenswerte Vorliebe für Katzenfutter. Das besorgen sie sich für gewöhnlich von nigerianischen Dealern und deren Warlords, und was uns hier als das ganz normale Leben im Slum präsentiert wird, ist in der Tat ziemlich kranker Scheiß und eigentlich nur sehr bedingt mainstreamtauglich. Da wird gerülpst und geballert, dass es nur so eine Freude ist, und das alles in aberwitzigem Tempo und steter Hektik.
Dabei gehen die Macher so geschickt vor, dass es einem zunächst gar nicht auffällt, wenn dann plötzlich Schluss ist mit dem gefakten Doku-Stil und dem sich auf der Flucht befindlichen Wikus gar keine TV-Kamera des Senders mehr folgt, sondern nur noch die unsichtbare eines fiktiven Spielfilms. Der grobkörnige Look wird aber auch beibehalten, wenn sich die Handlung des Films dann langsam in etwas konventionellere Fahrwasser begibt, was genauso den realistischen Eindruck fördert wie die frischen, unverbrauchten Gesichter der Darsteller. Eine besondere Verantwortung fällt dabei natürlich Sharlto Copley zu, seines Zeichens sonst selbst als Regisseur tätig und hier im Dienste seines Kumpels Neil Blomkamp als dessen Hauptdarsteller aktiv, der seinen Wikus überzeugend als nicht immer sympathischen Geek anlegt, der schließlich an seinen Aufgaben wächst.
Beide zusammen produzierten vor ein paar Jahren den Kurzfilm "Alive in Jo'Burg", in dem bereits das Grundkonzept von dem geboren wurde, was uns nun als weiter ausgearbeiteter Kinofilm einige Freude bereitet. Und obwohl Bloomkamp sich gegen die Interpretation seines Werks als politische Fabel ein wenig sträubt, sind bei seiner Herkunft und dem gewählten Schauplatz natürlich die Bezüge und Ähnlichkeiten zu den tatsächlich existierenden Townships der Republik Südafrika (oder ganz speziell zu Soweto in Johannesburg) weder zu übersehen noch komplett von der Hand zu weisen.
Nicht zuletzt dieses Element der sozialpolitischen und gesellschaftlichen Relevanz erhebt "District 9" neben seinem originellen Ansatz ein ganzes Stück über den Durchschnitt üblicher Genrebeiträge. Auch wenn dieses Genre im letzten Drittel dann in der Form bedient wird, dass die Entwicklung der Handlung etwas ins Hintertreffen gerät zugunsten von mehr Action und einer finalen Materialschlacht, die dann sogar ansatzweise an die "Transformers" erinnert und mitunter etwas ermüdet. Dies aber wirklich nur ansatzweise, denn in der Gesamtbetrachtung erweist sich "District 9" zweifellos als eine der kleinen Perlen dieser Kinosaison, die man besser nicht versäumen sollte.
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