Kommissar Niemans (Jean Reno) wird als Spezialist für besonders mysteriöse Mordfälle in ein Kloster nach Lothringen gerufen. Dort wurde ein Mann gekreuzigt und lebendig eingemauert. Bei seiner Untersuchung stößt Niemans auf Hinweise auf eine merkwürdige religiöse Sekte. Zeitgleich läuft dem jungen Polizisten Reda (Benoit Magimel) ein verwirrter und verletzter junger Mann in die Arme, der nicht nur wie Jesus aussieht, sondern auch so gekleidet ist. Später versucht ein mysteriöser maskierter Mönch im Krankenhaus, den in Visionen vom Ende der Welt halluzinierenden "Jesus" umzubringen. Und da diese Dinge natürlich keine Zufälle sind, treffen Niemans und Reda schließlich aufeinander, um die rätselhaften Vorfälle zu entschlüsseln, dabei unterstützt von der Religionsgeschichtlerin Marie (Camille Natta). Denn es scheint sich alles um ein ominöses, angeblich von Gott selbst geschriebenes Buch, den Tag des Weltuntergangs und die Engel der Apokalypse zu drehen.
Wollen wir die Dinge doch gleich mal klarstellen: Der Titel "Die Purpurnen Flüsse 2" ist Unsinn. Denn mit dem Erstling hat dieser schwache Nachklapp eigentlich nur eins gemeinsam, nämlich Jean Reno als Kommisar Niemans. Und während Reno sich gewohnt sympathisch mit seinem trägen Hundeblick durch das Szenario bewegt, ist es symptomatisch für diesen Film, dass er den Sinn der titelgebenden purpurnen Flüsse aus dem ersten Teil geflissentlich missachtet und die weiteren Parallelen (wie das Zusammenführen von zwei gleichzeitigen Untersuchungen durch Niemans und Jungpolizist) eher stören denn helfen.
Bereits von Beginn an schwant dem Betrachter nichts Gutes - allerdings nicht so, wie der Film sich das gedacht hat. Denn während man bei vielen Filmen, die sich anfangs zäh dahin schleppen, mit dem amerikanischen Sprichwort too little, too late kommen kann, ist es bei "Die purpurnen Flüsse 2 - Die Engel der Apokalypse" dagegen too much, too early. Vor allem an krampfhaft versuchter Atmosphäre. Jede Einstellung tonnenschwer vor Bedeutung und Erwartung und zuviel von allem: Zuviel Mond, zuviel verdunkelnder Himmel, zuviel Nebel, zuviel Regen, zu viele morbide alte Gemäuer, zuviel Farbfilter und - etwas später - zu viele zur Schau gestellte Mordopfer. Wo "Die Purpurnen Flüsse" zwar stetig, aber logisch und organisch seine unheimliche Stimmung aufbaute, will Regisseur Dahan im Sequel möglichst schon vor dem Vorspann die Atmosphäre so dicht machen, dass man sie zerschneiden könnte. Leider wird man davon eher erschlagen als gefangen genommen. Auch später ist es zu viel, zu lang, zu laut. Vor allem die ermüdenden Verfolgungsjagden, die man mit bombastisch plärrender Musik spannender zu machen versucht. Erstens klappt das nicht und zweitens ist der Tonmix so aggressiv, das es einem wahrlich fast die Gehörgänge zerfetzt. Es wird nicht das einzig Nervtötende bleiben, denn das Grauen hier trägt keine Kutte oder Maske, sondern einen der größten Namen des aktuellen französischen Kinos: Luc Besson.
In Filmen wie "The Big Blue" oder "Das Fünfte Element" hat Luc Besson bewiesen, dass Visualisierung und Ästhetik seine Sache sind, Charakterdarstellungen und Dialoge dagegen eher nicht. Um so schlechter, dass er hier nicht Regie führt, sondern ein, mit Verlaub, strunzdoofes Drehbuch zusammengeschrieben hat. Genau so doof, dass Besson - wenn er nicht gerade mit, in oder für Hollywood schreibt, dreht oder produziert - in Frankreich Filme schreibt, dreht oder produziert, die ordentlich von Hollywood klauen - und nicht die guten Sachen. Was Besson hier zusammenrührt ist eine Mischung aus schlecht kopiert und nicht gekonnt, aus pseudo-tiefgründigen Mystikanleihen mit krudem Bibeleinfluss und Apokalypse-ausmalen-nach-Zahlen, die letztlich ganz und gar nicht aufgeht. Geheimbund in Mönchskutten, Zeichen aus der Bibel, das mögliche Ende der Welt - da muss einem schon gut was einfallen, um aus diesen wohlbekannten Zutaten noch etwas Innovatives oder Überraschendes zusammenzubekommen. Leider ist Besson nichts eingefallen und - schlimmer noch - es ist ihm egal.
Und so blamiert sich "Die Purpurnen Flüsse 2 - Die Engel der Apokalypse" mit einem Drehbuch, das sich erst in diversen Handlungs- und Interessensträngen verheddert, dort eine große Geschichte um Geheimbünde und das mögliche Ende der Welt aufbauscht, um diese dann einfach gar nicht aufzulösen. Jedenfalls nicht auch nur annähernd befriedigend. Wer von dem zu schnellen und wenig erklärenden Finale des Vorgängers (welches der Rezensent übrigens nicht so misslungen fand wie viele andere) schon enttäuscht war, der wird sich hier vor Entsetzen im Kinosessel wälzen. Denn am Ende verpuffen alle Versuche Bessons einfach im Nichts und seine großangelegte (oder so dachte man) Mystikgeschichte entpuppt sich als lächerliche und komplett banale Räuberpistole. So wird das ganze "Engel der Apokalypse"-Gedöns beim Showdown einfach nicht mehr beachtet, die Killer in Mönchskutten sind verschenkt, der Zusammenhang zwischen den Mordopfern ist hanebüchen und absurd und das Finale der Inbegriff des Wortes Anti-Klimax. Selbst grundsätzliche Regeln missachtet Besson, etwa dass es für das Rituelle im Ritualmord am besten auch einen Grund gibt, zumindest einen besseren als "sieht auf der Leinwand cool aus".
Hier ist alles Murks, alles doof. Etwa die Erklärung für die übernatürlichen Kräfte der Killermönche (Eine Warnung an alle Drogen nicht abgeneigte User: Please don't try this at home! Egal, worauf Ihr seid, Kugeln in den Kopf wird es nicht stoppen). Aber es ist vor allem das Ende, was wirklich alles kaputt macht. So ineffektiv war selten ein Finale, so sehr hat ein Film selten seinen zumindest in Ansätzen noch vorhandenen Spannungsbogen nachhaltig demoliert. Die Bösewichter verhalten sich unlogisch bis beknackt, der Showdown bleibt einfach aus, und die Anleihen bei "Indiana Jones" sind nicht nur misslungen, sondern einfach nur peinlich. Richtig peinlich. Wenn sich dann Niemans und Reda zur Rettung nach gallischem Vorbild Zaubertrank einverleiben, darf sogar höhnisch gelacht werden. Gerade das Ende verdeutlicht dann auch, wie sehr man Altmeister Christopher Lee in blöder Rolle mit noch blöderem Rollennamen verheizt, und man fragt sich, was das jetzt eigentlich alles sollte.
Ein Film, der über anderthalb Stunden in seiner Geschichte diverse Erwartungshaltungen aufbaut, nur um diese dann in der Schlussviertelstunde mit Füßen zu treten, ist unrettbar. Und so ist "Die purpurnen Flüsse 2 - Die Engel der Apokalypse" nicht nur ein weiterer Beitrag zum Thema "Fortsetzungen, die die Welt nicht braucht", sondern ein besonders unschöner, denn wer seine Zuschauer so über den Tisch zieht und für dumm verkauft wie hier, der hat sein Thema auf ironische Art doch nicht verfehlt: Eine blitzschnell sich selbst vernichtende Zelluloidapokalypse.
Neuen Kommentar hinzufügen