Er ist das Paradebeispiel eines gewissenlosen, aalglatten Karriere-Anwalts. Doch wenn einen die Ehefrau betrügt und die auch noch gleich die Tochter mitnehmen will, sinkt auch bei Hank Palmer (Robert Downey jr.) schon mal die Laune. Noch schlimmer kommt es aber, als Hank erfährt, dass seine Mutter gestorben ist und er zur Beerdigung zurück in seine Heimatstadt fahren muss. Denn während der Kontakt zu seinen Brüdern Glen (Vincent D'Onofrio) und Dale (Jeremy Strong) freundlich aber distanziert ist, herrscht zwischen Hank und seinem Vater (Robert Duvall) seit Jahrzehnten eisiges Schweigen. Der ist als örtlicher Richter einer der angesehensten und einflussreichsten Personen der Stadt, doch als er kurz nach der Beerdigung einen Mann überfährt, zu dem er ein angespanntes Verhältnis hatte, wird auch Palmer Senior der Prozess gemacht. Hank bietet seine dringend benötigten Dienste als Verteidiger an, doch sein Vater lehnt zunächst dankend ab.
Es wird seine Zeit dauern bis die beiden Sturköpfe sich zusammenraufen, und wie das geschieht ist das Thema von „Der Richter“, der sich nur nachrangig mit seinem (kaum auflösbaren) Kriminalfall befasst. Statt dessen steht das Familiendrama im Fokus, angeführt von zwei gewaltigen Egomanen, denen jeder Schritt in Richtung Einsicht und Nachgiebigkeit so schwer fällt als hätten sie Blei in den Stiefeln. Dabei ist der clevere und wortgewandte Anwalt natürlich eine Paraderolle für Robert Downey jr., es braucht gerade mal zwei Minuten, da hat er bereits auf den Anzug eines Kontrahenten gepinkelt und sich gleich mal als arrogantes Arschloch eingeführt. Auch wenn dieser Film die Rückkehr des in den letzten Jahren zu einem der bestbezahlten Schauspieler der Welt aufgestiegenen Downey ins Fach „Drama“ darstellt, so ist sein affektierter Hank Palmer doch im Grunde gar nicht so weit vom Playboy und gewissenlosen Rüstungsfabrikanten Tony "Iron Man“ Stark entfernt. Denn auch der durchläuft ja eine Art Wandlung vom Saulus zum Paulus, wobei ersteres natürlich in der Verkörperung durch einen Downey jr. immer ein ganzes Stück amüsanter anzuschauen ist.
Auf kleine Komödieneinschübe mag auch Regisseur David Dobkin nicht ganz verzichten, was bei einem Blick auf dessen vorherige Werke wie „Die Hochzeits-Crasher“ oder „Shanghai Knights“ kaum überrascht. Doch führt das leider zu einem sehr unausgewogenen Film, bei dem die gelegentlichen humoristischen Einschübe angesichts der sonstigen Umstände eher unpassend wirken. So ganz kann sich „Der Richter“ nicht entscheiden welchen Ton er eigentlich anschlagen will, und das sorgt beim Betrachter dann gelegentlich für Stirnrunzeln. Auch bei der Entwicklung des Verhältnisses zwischen Vater und Sohn fehlt die klare Linie, da kommt es zu spontanen Annäherungen, die einen erwarten lassen, dass das Eis nun gebrochen ist, doch in der nächsten Szene ist dann wieder alles beim Alten und man dreht sich erstmal weiter im Kreis. Diese Stimmungswechsel erscheinen nicht immer motiviert und nähren den Verdacht, mit etwas rigoroserem Schnitt wäre nicht nur die ausufernde Laufzeit des Films etwas eingebremst worden, sondern auch durchaus der Stringenz der Handlung gedient gewesen.
Vor allem die Nebenfiguren sind zudem alles andere als frei von Klischees. Wir haben einen liebenswerten, aber geistig etwas zurückgebliebenen Bruder und einen, der sich aufgrund eines traumatischen Erlebnisses in der Vergangenheit um seine große Chance im Leben gebracht sieht. Vor allem aber die auf verblühende Dorfschönheit geschminkte Vera Farmiga fällt in diese Kategorie, im Schlepptau hat die dann auch gleich noch eine Tochter mit ungeklärten Vaterschaftsverhältnissen, was unseren Hank natürlich ein wenig nervös werden lässt. Dass die Wertung für den „Richter“ angesichts dieser unübersehbaren Schwächen trotzdem noch recht ordentlich ausfällt, liegt dann auch fast ausschließlich an den beiden Schauspiel-Giganten an der Spitze des Ensembles. Downey jr.spielt routiniert aber trotzdem erkennbar motiviert und Robert Duvalls Charakter ist nicht ganz ohne Grund die Titelfigur des Films. Zwar nimmt der etwas weniger Leinwandzeit für sich in Anspruch, begegnet seinem „Kontrahenten“ aber stets mindestens auf Augenhöhe. Beide zusammen sorgen dafür, dass diese Geschichte trotz aller Klischees und Holprigkeiten interessant bleibt und sich das Anschauen lohnt.
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