Dem Film, der als erster aus den Startblöcken springt um die anstehende Saison der großen Sommerblockbuster zu eröffnen, traut man in Hollywood für gewöhnlich nicht so ganz über den Weg. Denn in diesem frühen Zucken und dem bewussten Ausweichen vor der vermeintlich noch stärkeren Konkurrenz sieht man gerne mal ein Zeichen von Schwäche. Auch auf "Iron Man" trifft diese Unsicherheit zu, beinhaltet die neueste Superhelden-Comicverfilmung doch gleich zwei größere Risikofaktoren, nämlich sowohl die Produktionsgeschichte, als auch die Wahl des Hauptdarstellers.
Erst nachdem ihre bekanntesten und lukrativsten Franchises in den letzten Jahren bereits erfolgreich auf die Leinwand gebracht worden sind, entschloss sich nun die Marvel Entertainment Group zukünftig auch selbst die Adaptionen einiger hauseigener Comichelden in die Hand zu nehmen und komplett im eigenen Hause zu produzieren. Das wirft dann fast zwangsläufig Fragen auf. Zum Beispiel die, ob man denn bei der Wahl der Kreativen wohl ein ähnlich glückliches Händchen beweisen würde wie die Produktionskollegen mit ihren "Spider-Man" und "X-Men"-Reihen. Und auch die, ob denn überhaupt noch genug attraktives Material vorhanden ist, nachdem mit dem "Hulk" und den "Fantastic Four" weitere prominente Kandidaten auch bereits vergeben sind und selbst die zweite Reihe in Form von "Daredevil", "Punisher" oder "Ghost Rider" nicht mehr zur Verfügung steht.
Haben wir sie damit alle, die großen Marvel-Helden? So ziemlich, und dann landen wir halt zwangsläufig irgendwann beim Eisernen (so der ehemalige deutsche Comictitel), immerhin auch schon rund 45 Jahre auf dem Markt, dabei immer irgendwo zwischen A- und B-Titel herumwandernd, die meiste Zeit aber eher solide als spektakulär. Erst in den letzten Jahren wurden Iron Man bzw. seine private Identität Tony Stark zu einer Art Buhmann des Marvel-Universums umgeschrieben, aufgrund einiger unpopulärer Entscheidungen und fragwürdiger politischer Einstellungen. Diese aktuelle Entwicklung lässt die Kino-Adaption aber außen vor und besinnt sich stattdessen auf den Kern der Geschichte. Aus Vietnam wird Afghanistan, aber ansonsten hält man sich eng an die Vorlage:
Nach einer Waffenpräsentation vor Ort findet sich der Industrielle Tony Stark (Robert Downey Jr.) plötzlich in der Gewalt afghanischer Militaristen wieder, die sich ihre neue Hightech-Waffe am Liebsten vom Experten selbst basteln lassen möchten. Gemeinsam mit dem ebenfalls gefangen gehaltenen Yinsen (Shaun Toub) konstruiert er aber stattdessen unbemerkt eine eiserne Rüstung, die gleichzeitig dazu dient ihn am Leben zu halten, denn ein eingefangener Metallsplitter nähert sich ansonsten gefährlich seinem Herzen. Stark gelingt der Ausbruch, und nach dem Erlebten sieht der vorher moralisch eher leichtgewichtige Rüstungsmagnat das Tun seiner Firma mit anderen Augen und beschließt die Abkehr von der Waffenproduktion. Sehr zum Missfallen seines Geschäftspartners Obadiah Stane (Jeff Bridges), der sich genötigt sieht aktiv zu werden und dabei bedenkliche Verbindungen offenbart. Doch Stark arbeitet nebenbei noch an einem anderen Projekt: Der Verfeinerung seiner aus der Not geborenen Rüstung, die ihn zu einem mächtigen Kämpfer für das Gute machen soll.
Mal ehrlich: Wer hätte ernsthaft geglaubt, dass Robert Downey Jr. nochmal der Hauptdarsteller in einer Multimillionendollar-Produktion werden wird? Aus den Tagen der Teenagerromanzen nur mühsam und über einige unerfreuliche Seitenwege mit diversen Alkohol- und Drogeneskapaden hinüber gerettet in eine halbwegs brauchbare Karriere als Nebendarsteller und eine Art kleiner Kultfigur, und jetzt das hier. Das Downey diese Rolle unbedingt wollte kann man verstehen und dementsprechend spielt er hier um sein Leben, beweist dabei aber doch fast mühelos, dass er die perfekte Besetzung ist.
Perfekt in seiner Rolle als Playboy und arroganter Schnösel, als Zyniker, dessen Charme man trotzdem nicht entgehen kann. Die ersten 30 Minuten von "Iron Man" sind eine hinreißende Komödie, in der wir einen Mann kennenlernen dürfen, dessen Lebensweise zwar leicht überzogen, aber nichtsdestoweniger äußerst unterhaltsam ist - und das liegt allein an Downey Jr. Auch später, als der Held seine entscheidende bewusstseinsverändernde Erfahrung hinter sich hat, zieht dies erfreulicherweise keine unglaubwürdige Wendung des Charakters um 180 Grad nach sich. Denn die trockenen Sprüche bleiben und das eine oder andere Missgeschick beim Üben mit der neuen Rüstung und im Dialog mit pietätlosen Robotern sorgen weiterhin für reichlich Spaß.
Das ist dann auch der Gegensatz zu beispielsweise einem Bruce "Batman" Wayne: Während dessen öffentliche Playboy-Figur lediglich eine Rolle darstellt, die zur Ablenkung dient, scheint hier die tatsächliche Persönlichkeit des Tony Stark auch durch jede Aktion seines Alter Egos. Dass die berühmteste "Iron Man"-Storyline namens "Demon in a Bottle" sich zufälligerweise um die zeitweilige Alkoholabhängigkeit der Titelfigur dreht, wirft zwar durchaus interessante Perspektiven für die Zukunft auf, aber es wäre wirklich völlig unangebracht, die Wahl Downeys nun speziell auf diesen Aspekt zu reduzieren.
Für die anderen Figuren bleibt da nicht mehr all zu viel Raum, und so sind die prominent besetzten Nebenrollen auch keine Stärke des Films. Gwyneth Paltrow (auch niemand, den man so grundsätzlich im Superheldengenre vermuten würde) als treue Sekretärin und einzig konstante Frauenfigur im Leben des Partylöwen sowie Terence Howard als Freund und Vertrauter im Militärapparat sind Beiwerk, dem dann eventuell in zukünftigen Fortsetzungen mal etwas mehr Raum eingeräumt werden könnte. Und den mit Glatze, Bart und beträchtlichem Bauchumfang agierenden Jeff Bridges hat man zwar noch nie so gesehen, aber sein Obadiah Stane ist trotzdem nicht mehr als ein aus der Zeitnot geborener, recht schwacher Bösewicht. Denn aufgrund der ausführlichen Entstehungsgeschichte des Hauptcharakters bleibt dann letztlich halt keine Zeit mehr für einen klassischen kostümierten Superschurken. Stattdessen stülpt sich dann der zum Bösewicht mutierte Ex-Partner einfach auch eine Rüstung über.
Die ist allerdings deutlich weniger elegant als die unseres Helden und auch wenn es ein wenig dauert, bis wir ihn damit in voller Aktion zu sehen bekommen, so werden doch auch vorher immer wieder geschickt einige kernige Actionsequenzen eingebaut. Tricktechnisch gibt es hier ebenfalls nichts zu meckern, insbesondere die Flugsequenzen der rotgoldenen Kampfmaschine sind eine wahre Schau, die zu keinem Zeitpunkt mehr an die früher oft gebotene Videospielästhetik erinnert. Der Kriegshintergrund wird bei all dem zwar zwangsläufig etwas simplifiziert, aber doch immerhin mit genug Fingerspitzengefühl eingesetzt, um nicht für allzu große Bauchschmerzen beim kritischen Betrachter zu sorgen. So wirkt dann auch das Eingreifen von Iron Man inmitten eines Dorfes von Kriegsopfern keineswegs so unplatziert wie man im ersten Moment denken könnte. Erstaunlich, dass hier auch vier (!) namentlich aufgeführte Drehbuchautoren anscheinend nicht dazu geführt haben, einen ungenießbaren Brei anzurichten.
Und wenn dann in der allerletzten Szene einfach mal einige gängige Regeln des Superheldenmythos außer Kraft gesetzt werden, weil dieser Tony Stark auch dort einfach wieder einhundertprozentig seinem Charakter treu bleibt, dann ist es an der Zeit das erfreuliche Fazit zu ziehen: Sich "Iron Man" anzuschauen, ist ein durchweg angenehmer Zeitvertreib, denn die erste Marvel-Eigenproduktion entpuppt sich als ein bemerkenswert witziges und cooles Filmchen, dem ein durchschlagender Erfolg nur zu wünschen ist. Denn davon wollen wir doch gern noch mehr sehen. Und vor allem natürlich von Robert Downey Jr.
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