Mittlerweile darf man ihn wohl sogar schon als kleine Tradition bezeichnen, den großen Fantasyfilm zum Jahresende. In Zeiten, in denen aber mittlerweile jeder halbwegs brauchbare Roman aus diesem zuletzt so erfolgreichen Genre für die Leinwand adaptiert wird, ist dabei längst nicht mehr alles Gold, was dem Publikum so vorgesetzt wird. So war der vor einem Jahr aufwändig beworbene "Eragon" nur die lieblose Verfilmung einer ohnehin nicht besonders eigenständigen Vorlage, und auch uninspirierte Dutzendware wie z.B. die "Wintersonnenwende" lief nicht zu Unrecht nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Jetzt darf man Erwartungen und Vorfreude aber wieder etwas höher setzen, denn obwohl Philip Pullmans international als "His Dark Materials" laufende Fantasy-Trilogie hierzulande nicht annähernd so bekannt ist wie die Welt von Mittelerde oder die eines gewissen Zauberlehrlings, bietet sie doch alle Voraussetzungen für ein gewaltiges Kinoabenteuer.
Pullmann hat mit dem Kunstgriff, eine Welt zu schaffen, die der uns vertrauten Erde im Grunde sehr ähnlich ist, sich aber in einigen Details entscheidend von ihr unterscheidet, ein höchst interessantes Konzept umgesetzt, und gerade die Abweichungen in Form der sprechenden Tier-Daemonen (nicht Dämonen) und Panzerbären, der Architektur und Fortbewegung schreien dabei förmlich nach einer spektakulären Visualisierung.
Es ist allerdings eine nur vordergründig heile Welt, in der die zwölfjährige Lyra Belacqua (Dakota Blue Richards) unter der strengen Erziehung ihres Onkels Lord Asriel (Daniel Craig) am renommierten Jordan-College in Oxford aufwächst. Gemeinsam ist beiden ein rebellischer und eigenständiger Geist, der vor allem Asriel zur misstrauisch beäugten Zielscheibe des herrschenden Magisteriums macht. Seine neueste Entdeckung von kosmischem "Staub", der eine Verbindung zu anderen Welten darstellen könnte, und sein Vorhaben dieses Phänomen am Nordpol näher zu erforschen wird von den Machthabern gar nicht gerne gesehen, da diese um ihre Allmacht fürchten und lieber selbst kontrollieren, was die Bevölkerung wissen sollte und was nicht. Zudem drückt seit einiger Zeit eine Welle von Kindesentführungen auf die allgemeine Stimmung, für welche die geheimnisvollen "Gobbler" verantwortlich sein sollen. Für die aufgeweckte Lyra ergibt sich aber plötzlich die Chance selbst einmal auf Forschungsreise zu gehen, als die berühmte Wissenschaftlerin Mrs. Coulter (Nicole Kidman) sie zu ihrem Schützling macht. Lyras anfängliche Begeisterung legt sich allerdings schnell und nachdem ihr bester Freund ebenfalls verschwindet und Mrs. Coulter daran nicht ganz unbeteiligt zu sein scheint, sieht sie ihre undurchsichtige Mentorin bald in ganz anderem Licht. Auf die Suche nach ihrem Onkel und den entführten Kindern macht sich das Mädchen aber trotzdem und findet bei ihrer Mission einige faszinierende Begleiter.
Mit Lyra haben wir also eine klar dominierende Hauptfigur, und obwohl natürlich die bekannten Stars Kidman und Craig etwas größer das Plakat schmücken und auch in den Credits zuerst genannt werden, so lastet dieser Film doch fast allein auf den schmächtigen Schultern der Debütantin Dakota Blue Richards.
Der Vorname Dakota scheint dabei ein gutes Omen zu sein, denn wie ihre schon etablierte Kollegin und Namensvetterin Dakota Fanning entpuppt sich auch Dakota Blue als eine außerordentlich talentierte und kraftvoll auftretende kleine Persönlichkeit. Ihre Lyra ist dabei keine glatte und eindimensional gestrickte Heldin, sondern wirkt im Gegenteil zu Beginn nicht einmal besonders sympathisch. Ihre leichte Arroganz und das (nicht unberechtigte) Gefühl, allen anderen überlegen zu sein, schaffen eine gewisse Distanz. Zudem unterläuft ihr in Bezug auf Mrs. Coulter vor lauter Freude auf die Aussicht eines Abenteuers eine schlimme Fehleinschätzung. Ihr Selbstbewusstsein leidet darunter allerdings nicht und im Laufe der Reise nimmt Lyra zunehmend die Dinge in die Hand, nicht zuletzt dank der Hilfe des titelgebenden "Goldenen Kompass". Die Leistung der jungen Dakota Blue Richards ist dabei bemerkenswert und übertrifft die ihrer Kollegen in der Abteilung "Kinderdarsteller" aus beispielsweise den "Chroniken von Narnia" oder den ersten "Harry Potter"-Filmen deutlich.
Der zweite beeindruckende Charakter wird ebenfalls nicht von einem prominenten Namen dargestellt, denn alle bekannten Schauspieler agieren hier im Grunde nicht mehr als solide. Nicole Kidman darf dabei schön fies, aber trotzdem nicht ganz gefühllos sein, Sam Elliott sieht selbst in dieser Fantasiewelt aus wie ein texanischer Cowboy und Daniel Craig verschwindet sowieso bereits nach rund 20 Minuten erstmal weitestgehend aus der Handlung. Äußerst beeindruckend dagegen der vom Schicksal gezeichnete Panzerbär Iorek Byrnison, hervorragend animiert und dabei genauso kraftstrotzend wie verletzlich. Und so entpuppt sich die erste Szene zwischen Lyra und dem sprechenden Bären - die auch sehr leicht ziemlich lächerlich hätte wirken können - als eine der stärksten des gesamten Films.
Überhaupt sind die Spezialeffekte im Bereich "Tieranimationen" die Gelungensten. Da jeder Bewohner dieser Welt von seinem eigenen Tier-Daemon als eine Art Seele/Gewissen/Gegenstück begleitet wird und mit ihm im Dialog steht, sind diese also auch ständig mit im Bild. Dabei werden die höchst unterschiedlichen Tierchen aber nicht etwa nur lieblos einkopiert, sondern entwickeln ein höchst aktives Eigenleben und wuseln durch die Szenen, dass es nur so eine Freude ist - zweifellos eine der schönsten Ideen der Vorlage und auch sehr ansprechend umgesetzt.
Auch sonst gibt es genügend schöne und spektakuläre Bilder von Luftschiffen und Landschaften, die dazu beitragen den "Goldenen Kompass" in die erste Blockbuster-Liga zu hieven. Rein dramaturgisch gesehen zerfällt der Film allerdings in zwei Hälften, wobei sich die erste, trotz recht gemächlichem Erzähltempo, als die Gelungenere herausstellt. Denn vor allem dem mit der Vorlage nicht vertrauten Zuschauer entfalten sich hier Stück für Stück die Facetten einer interessanten Welt, die so manche nette Überraschung parat hält. Im zweiten Abschnitt werden dann jedoch Tempo und Action rasant angezogen, was deshalb nicht unbedingt von Vorteil ist, weil nun vieles etwas gehetzt wirkt und sich hin und wieder das Gefühl einstellt, hier wurde die eine oder andere Szene etwas beschnitten oder gar völlig entfernt, um in akzeptabler Zeit ans Ziel zu gelangen.
Zudem besteht die Handlung im späteren Verlauf auch immer mehr aus typischen und schon bekannten Versatzstücken. Namentlich die von diversen Hindernissen unterbrochene Reise, eine unvermeidliche große Schlacht und nicht zuletzt die Enthüllung nur wenig erstaunlicher familiärer Verbindungen zwischen den Hauptfiguren. Da erwartet man dann eigentlich nur noch, dass der gute alte Yoda irgendwo aus dem Eis auftaucht und den berüchtigten Satz murmelt: "Dein Vater er ist".
Auch die Entscheidung, nicht mit dem eigentlichen Ende der Vorlage zu schließen, sondern den Film bereits einige Kapitel früher zu beenden mag zwar dramaturgisch für die Konzeption des (natürlich schon geplanten) zweiten Teils Sinn machen, hinterlässt aber jetzt erst einmal ein etwas unbefriedigendes Gefühl und stört auch etwas den guten Gesamteindruck. Dass es auch im Kino weitergehen und die Trilogie vollendet werden wird, dürfte dabei aber ziemlich sicher sein, denn ein Totalflop ist hier nicht zu erwarten. Und um ganz sicher gehen zu können in "Star Wars"- und "Herr der Ringe"-Dimensionen vorzustoßen, hat man sich dann auch die Dienste des unverwüstlichen Christopher Lee gesichert, der in einer winzigen Nebenrolle einen Satz äußern darf und ansonsten wohl eher als gutes Omen und Maskottchen dient.
Es wäre aber auch schade, wenn es denn nicht weitergehen würde, bieten die beiden Folgeromane doch noch zahlreiche spannende Entwicklungen, die nach diesem ersten Appetitanreger noch nicht zu erahnen sind. Der mundet dafür aber schon mal recht gut.
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