
"I've been everywhere, maaan, I've been everywhere, man!"
dröhnt es während des durchaus beeindruckenden Vorspanns,
in der ein kleines Transportflugzeug über eine atemberaubende,
zerklüftete Wüstenlandschaft fliegt, und man kommt sofort
in Flug- und Reisestimmung. Und überhaupt, kann man einem Film
böse sein, der mit einem Johnny Cash-Song losgeht? Jenes Flugzeug
wird übrigens von Capt. Frank Towns (Dennis Quaid) und seinem
Copiloten A.J. (Tyrese) geflogen, die in der Mongolei die Mitarbeiter
einer von Kelly (Miranda Otto) geleiteten Ölbohrstation abholen
sollen. Einen Sandsturm später liegt das Flugzeug in Einzelteile
zerlegt darnieder, mitten in der Einöde der Wüste Gobi,
zudem weit von der Ursprungsroute entfernt. Fremde Hilfe ist also
nicht
zu erwarten. Die Wasservorräte werden knapp. Die Lage scheint
aussichtslos. Bis der Sonderling der Truppe, Elliott (Giovanni Ribisi),
eine scheinbar absurde Idee hat, nämlich aus den Trümmern
des Flugzeugs eine gänzlich neue Maschine zu bauen, die die
Truppe Überlebender aus der Wüste bringen soll.
Wer sich nicht schon beim Titel daran erinnerte, wird vielleicht
spätestens jetzt meinen, diese Geschichte schon mal gesehen
zu haben. Denn der Original-"Flug des Phoenix" von 1965
ist ein beliebter Hollywood-Klassiker, den die Öffentlich-Rechtlichen
immer mal wieder gern aus ihrem Fundus holen.
Für Regisseur Robert Aldrich, frisch von dem Dreh eines Frauenmelodrams
mit Bette Davis zurück, war "Der Flug des Phoenix"
damals eine schöne Sache: Endlich mal wieder ein richtiger
‚Männerfilm' mit einer komplett männlichen Besetzung
(die einzige Frauenrolle wurde per Rückblende bzw. Traum ‚hereingeschmuggelt')
und fast komplett männlicher Filmcrew, die in der Wüste
von Arizona richtig Spaß hatten. Zudem konnte der für
sein distinktiv maskulines Kino bekannte Aldrich endlich mal mit
einem richtigen Superstar drehen, nachdem er seine vorherigen Filme,
darunter das Film-Noir-Meisterwerk "Kisss Me Deadly" ("Rattennest"),
eher mit einer B-Besetzung umsetzen musste. James Stewart hatte
sich die Rechte an der Story sichern wollen und übernahm, nach
dem Aldrich den Stoff gekauft hatte, die Hauptrolle des Piloten.
Wesentlich wichtiger aus deutscher Sicht: Mit Hardy Krüger
war nicht nur einer der wenigen Weltstars, die Deutschland jemals
hervorgebracht hat, dabei, auch seine Rolle sollte das Ansehen der
Deutschen im Ausland entscheidend verbessern. Denn obwohl als bisweilen
unerträglich arroganter Antagonist zu Stewarts amerikanisch-autoritärem
Captain angelegt, erfüllte die Figur des Flugzeugingenieurs
Heinrich Dorfmann die Idee der deutschen Wertarbeit und des humorlosen,
aber zuverlässigen Manns des Fortschritts.
Nach
diesem kurzen Exkurs zum Original jetzt aber schnell zum Remake:
Besonders interessant ist, wie die Zusammensetzung der Gruppe die
neue politische Sichtweise Amerikas widerspiegelt. Anders als Mitte
der 1960er sind Deutsche und Franzosen ja heute nicht mehr des Amerikaners
politische Freunde, wo sie sich doch dreist weigern, an des Präsidenten
Invasionskriegen teilzunehmen. Und daher dürfen sie als gerechte
Strafe für Nichtteilnahme am realen Wüstenabenteuer halt
auch bei diesem fiktiven Wüstenabenteuer nicht mitmachen. Dafür
gibt's hier einen Latino und gleich zwei Schwarze, schließlich
erledigen diese oftmals sozial schwachen Minderheiten auch die meiste
Drecksarbeit im Kriegsgebiet. Und wer übernimmt die im Original
dem französischen Doktor anheim fallende Rolle des weisen Alten?
Ein Araber natürlich. Damit der aber keinen erschreckt, ist
dieser zwar gläubig, aber nicht im Sinne des Islams, sondern
im Rahmen einer Art Privatreligion, und ist daher weise und menschenfreundlich
ohne den Hauch eines muslimischen Fundamentalisten. Das wäre
ja auch mal mutig gewesen. Doch auch abseits dieser personellen
Veränderungen atmet "Der Flug des Phoenix" den Geist
des "Post 9/11"-Amerika. "Wenn wir nur alle zusammenhalten,
kommen wir schon aus dem Schlamassel heraus" ist hier die Grundmaxime.
Das war sie zwar schon im Original, aber dort hat es beim Flugzeugabsturz
keine US-Flagge geschafft, sich noch schnell über einen Felsen
zu drapieren.
Doch genug der amüsanten Beobachtungen über politische
Subtexte, wie macht sich der Film als Film? Fangen wir mal mit dem
Positiven an: Die Neuauflage macht all das gut oder besser, was
das Original schlecht oder gar nicht machte. Bestes Beispiel ist
der Flugzeugabsturz. Während man in Aldrichs Low-Budget-Original
einfach ein paar Ladungen Sand an einem Modell vorbeiwarf und der
Absturz hauptsächlich aus Innenaufnahmen des Flugzeugsets bestand,
in der Menschen und Dinge hin- und herflogen, wird hier - CGI sei
Dank - ein richtig Ehrfurcht einflößender Sandsturm und
ein ebenso
knalliger Flugzeugabsturz hervorgezaubert. Sehr beeindruckend, das,
wenn auch ein wenig unglaubwürdig. Denn der am Computer generierte
Sandsturm ist so massiv und gewaltig, dass man nur schwerlich glauben
will, dass die kleine Blechmühle mittendrin da überhaupt
halbwegs heil heraus kommt. Ebenfalls besser als im Original: die
(auch computergenerierten) Wüstenlandschaften, die tatsächlich
ein Gefühl von Weite vermitteln (während man im Original
so ein bisschen das Gefühl hatte, die Wüste ende direkt
außerhalb des Bildausschnitts), sowie eine wesentlich beeindruckendere
Schlusssequenz.
Leider kann all dies nicht aufwiegen, was die Neuauflage in den
Wüstensand setzt, nämlich die das Original auszeichnende
Mischung aus dichter Atmosphäre, gut geschriebenen Figuren
und präzise gezeichneten Konfliktsituationen. Denn während
man im Original die Verzweiflung der Gestrandeten gut nachvollziehen
konnte, so hat man in der Neuauflage nie das Gefühl, die Lage
wäre wirklich aussichtslos. Was natürlich auch mit gewissen
Entscheidungen des Regisseurs zu tun hat. Sagen wir das mal so:
Bei jedem Film um eine vom Tod durch Verdursten bedrohte Truppe
von aussichtslos in der Wüste Gestrandeten, der diese nach
der Hälfte der Laufzeit fröhlich zu Outkasts "Hey
Ya" eine Musicaleinlage einlegen lässt, kann die Stimmung
nicht zum Zerreißen gespannt sein. Und so versaut der Film
fast alle spannenden Konfliktszenen. War zum Beispiel die Frage,
wohin die Wasserreserven verschwinden im Original noch Ausgangspunkt
für eine extrem spannende Konfrontation, so wird diese hier
trotz gezogener Knarre zu einer kleineren Zänkerei. Es ist
schlicht alles ein wenig zu relaxt hier. Statt dem Gefühl,
es ginge hier um Existenzielles, um Leben und Tod, hat man das Gefühl,
dies sei lediglich ein großer Abenteuerspielplatz.
Mitschuld
am Dahinplätschern hat auch die Besetzung. ‚All-American'
Dennis Quaid in der Hauptrolle ist zwar sympathisch wie immer, aber
schlichtweg zu entspannt und gemütlich, zudem wie alle Figuren
hier ohne Brüche. Und anstatt ihm etwas zu tun zu geben, reicht
es laut dem Drehbuchautoren-Duo wohl auch, ihn einfach schön
oft mit nacktem Oberkörper rumlaufen zu lassen. Auch bei der
Wahl seines Co-Piloten wird das Dilemma der Neuauflage deutlich:
Im Original hatte man Sir Richard Attenborough als verunsicherten,
aber seinem Kapitän loyalen Ex-Alkoholiker, hier gibt es den
früheren R'n'B-Schmachter Tyrese als vermeintlich coole Identifikationsfigur
für das schwarze Publikum. Auch er hat keinerlei besondere
Charaktereigenschaften, keine dramatische Funktion. Aus Miranda
Otto als neu erschaffener Quotenfrau wird nichts gemacht (Gott sei
dank auch keine unpassende Liebesgeschichte), am frappierendsten
ist aber Giovanni Ribisis Rolle als Flugzeugdesigner. Der hat blondgefärbte
Haare wie damals uns Hardy Krüger und Ribisi imitiert Krügers
damalige Performance eins zu eins, direkt gespenstisch. Aber, trotz
Anerkennung für diese perfekte Mimikry, was zum Geier soll
das? Schließlich ist diese Figur hier kein Deutscher und damit
ist auch die Krüger-Gedächtnis-Performance ziemlich unsinnig.
Nichts ist so richtig schlecht an diesem neuen "Flug des Phoenix", aber es gibt leider auch gar nichts richtig Erwähnenswertes, außer eben seinem politischen Subtext. Womit die Existenzberechtigung als Remake wieder mal eher bescheiden ausfällt. Fast (zu) altmodisches Abenteuerkino mit leider deutlichen Dramatikmängeln ist das, ohne besondere Relevanz und vermutlich auch ohne ein Publikum. Oder eins, das so zahlreich ist wie drapierte US-Flaggen in der Wüste Gobi.
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