
Er lebt in der Stadt die niemals schläft, doch davon bekommt der unscheinbare Angestellte Walter Mitty (Ben Stiller) nicht viel mit. Ohne allzu viele Freunde oder gar eine Frau in seinem Leben steckt Walter fast all seine Energie in die gewissenhafte Arbeit im Fotolabor und Archiv des renommierten „LIFE“-Magazins. Doch dort drohen zwei einschneidende Änderungen sein beschauliches Leben aus der Bahn zu werfen: Zuerst taucht die neue Kollegin Cheryl (Kristen Wiig) auf und löst in ihm romantische Gefühle aus, dann droht die Umwandlung der gedruckten Zeitschrift zu einem reinen Online-Angebot, und die Abwicklung des Unternehmens durch den aalglatten Jungmanager Ted Hendricks (Adam Scott) nimmt sehr schnell unschöne Formen an. Änderung Eins begegnet Walter wie gehabt mit äußerlicher Passivität und reinen Tagträumen, in denen er zum leidenschaftlichen Eroberer wird, doch was seinen Job angeht kann er sich bald nicht mehr so einfach davonstehlen. Da er das vom Starfotografen Sean O’Connell (Sean Penn) eingeschickte und als letztes „LIFE“-Titelbild vorgesehene Foto nicht findet, bleibt dem Stubenhocker nichts Anderes übrig als sich auf die Suche nach dem enigmatischen O’Connell zu machen und damit auf eine Reise, die ihn erst um die halbe Welt und schließlich zu sich selbst führen wird.
Während Kollegen wie Owen Wilson oder Vince Vaughn auch weiterhin versuchen, mit ihrer einst erfolgreichen Masche der nach dem immer gleichen Muster gestrickten Komödien an alte Erfolge anzuknüpfen und dabei jegliche schauspielerische Entwicklung tunlichst vermeiden, deutete bei Ben Stiller schon dessen Mitwirkung in dem melancholischen Independent-Film „Greenberg“ darauf hin, dass er sich bemüht neue Wege zu gehen. Mehrere Jahre arbeitete Stiller an „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ und übernahm dabei schließlich nicht nur die Hauptrolle sondern auch noch die Regie, was nicht von Beginn an so geplant war. Es ist zwar bereits seine fünfte Regiearbeit, doch nie zuvor war dabei ein eigener Stil so spürbar wie hier. Mit der ursprünglichen Kurzgeschichte des Humoristen James Thurber und auch mit der schrilleren Erstverfilmung mit Danny Kaye aus dem Jahr 1947 hat diese Version allerdings nur wenig zu tun. Stiller beweist hier vor allem auch visuell eine sichere Hand, passt die Musik und die Farben den Entwicklungen in der Handlung an und inszeniert außerdem eine Handvoll wirklich hübscher und verrückter Sequenzen, die aus „Walter Mitty“ einen Film mit leichtem Fantasy-Einschlag machen würden, wären diese Einschübe nicht eindeutig nur der Phantasie der Hauptfigur entsprungen.
Dass der Film eher bedächtig beginnt ist dabei so gewollt wie notwendig, um das doch sehr, sehr „ruhige“ Leben des Walter Mitty anschaulich werden zu lassen. Je mehr der jedoch gezwungen wird aus seinem sicheren Kokon auszubrechen und aktiv zu werden, desto weniger werden zwar seine wilden Tagträume, desto bunter und aufregender entwickelt sich aber auch das Geschehen, mit Ausflügen nach Island und Grönland, waghalsigen Sprüngen ins Meer oder gefahrvollen Ausflügen in gefährliche Krisengebiete. Und obwohl Walter M. das alles nur gezwungenermaßen auf sich nimmt um den von ihm geforderten Job zu erledigen, wächst er doch daran und erkennt schließlich wozu er eigentlich alles fähig ist. Auch in Liebesdingen, wobei leider Kristen Wiig („Brautalarm“) als Objekt der Begierde nur wenig Gelegenheiten bekommt ebenfalls aktiv zu werden. Ihr komisches Talent kann sie hier, abgesehen von einer wirklich witzigen Gesangseinlage kaum ausspielen, wie überhaupt der Soundtrack und die ausgewählten Songs hier eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.
Mehr Eindruck hinterlassen dafür die Nebenfiguren, seien es die Auftritte des mit einem lächerlichen Bart verzierten Alan Scott als widerlichem Anzugträger, die skurrilen Typen, denen Walter auf seiner Reise begegnet, oder auch Sean Penn, der zwar letztendlich nicht mehr als einen kurzen Gastauftritt absolviert, diesen allerdings dann in einer Szene von entscheidender Bedeutung. Der Hauptdarsteller selbst nimmt sich dagegen so weit zurück wie es nötig ist, um diese Geschichte als „Jedermann“-Gleichnis wirken zu lassen, aus welcher der eine oder andere Betrachter eventuell durchaus eine Message für sein eigenes Leben ziehen kann aber natürlich nicht muss.
Diese Botschaft lautet ungefähr „Nutze Dein Potential und ergreife die Gelegenheiten, die sich bieten“. Das ist zwar nicht besonders spektakulär, kommt aber erfreulicherweise so unaufdringlich daher, dass man es gerne annimmt oder wenigstens mit einem Lächeln auf dem Gesicht dabei zuschaut, wie zumindest Walter Mitty sich schließlich aufrafft und zugreift. Er tut das in einem sehr warmherzigen und liebenswerten Film.
Neuen Kommentar hinzufügen