Chicken Run - Hennen rennen

Originaltitel
Chicken Run
Jahr
2000
Laufzeit
91 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 1. Juni 2010

„Stop Motion“ ist der Name des ältesten und aufwendigsten Verfahrens zur Herstellung von Animationsfilmen. Dabei werden Puppen verwendet, deren Körperteile für jedes einzelne Bild (24 pro Sekunde, 1440 pro Minute, 131040 pro Film) neu justiert werden. So entsteht die Illusion von Bewegung. Zu den Meistern dieser altmodischen doch nach wie vor faszinierenden Technik gehören die englischen Aardman Studios, die für ihre Arbeit schon mit diversen Kurzfilm-Oscars ausgezeichnet wurden, u.a. für ihre Kultcharaktere Wallace und Gromit. Das Besondere: Bei Aardman verwendet man nicht gewöhnliche Puppen, sondern Knetgummi. Hört sich verrückt an, ist es auch, und in den meisten Fällen mehr als genial. Mit „Hennen rennen“ kommt jetzt der erste Spielfilm der Aardman Studios in die Kinos, der zwar die bekannten Stärken, aber auch ungewohnte Schwächen aufweist.


Am Anfang des fröhlichen Genre-Mix von Handlung steht ein klassisches Ausbruchsdrama: Die Hennen auf der Hühnerfarm von Mr. und Mrs. Tweedy planen, angeführt von der hochmotivierten Ginger, fortlaufend die Massenflucht. Die Ideen sind vielfältig, doch der Erfolg immer gleich null, und die Schlappen gehören zur Stallroutine. Imminent wird das Problem jedoch, als die Tweedys eine merkwürdige Maschine anschleppen. Da mit dem Eierverkauf nicht genug Geld reinkommt, will Mrs. Tweedy jetzt auf die Produktion von „Chicken Pie“ umsteigen. Und wenn die Hühner nicht allesamt als Frikassee enden wollen, sollten sie schnellstens verschwinden. Praktischerweise segelt (etwas unbeholfen) just in diesem Moment der Zirkushahn Rocky im Stall hernieder. Ginger sieht die große Chance: Rocky soll der ganzen Bande das Fliegen beibringen, so soll die Flucht gelingen.

Von hier an verwurstet das Drehbuch fröhlich so ziemlich alle Genre-Ansätze, die sich anbieten. Rocky und Ginger können sich anfangs auf den Tod nicht ausstehen, ein sicheres RomCom-Zeichen dafür, dass sie sich am Ende hoffnungslos verlieben werden. Wie von Aardman gewohnt gibt es jede Menge Slapstick-Einlagen, und zwei spektakuläre Action-Sequenzen. Wobei speziell die erste, Ginger und Rockys gefährliche Turnereien durch die Kuchen-Maschine, gleich zweifach Erinnerungen weckt: Einerseits mehrere Anspielungen auf Indiana Jones, andererseits Parallelen zum Finale des letzten Wallace&Gromit-Films „Unter Schafen“.


Und gerade hier schlummert das eigentliche Problem von „Hennen rennen“: Man fühlt sich des öfteren an die Vorgänger erinnert, doch nur selten wird deren Klasse erreicht. Der Überlebenskampf in der Kuchenmaschine ist symptomatisch: Bei „Unter Schafen“ ging es darum, eine Herde Wollträger vor einer gigantischen Scher-Maschine zu bewahren. Diesmal sind es Hühner und eine Kuchen-Maschine, aber das Prinzip bleibt das gleiche. Wenn auch die zahlreichen Spielereien mit diversen Genre-Konventionen eine Zeit lang als spaßig empfunden werden, so steigt doch mehr und mehr das Gefühl auf, dass dies gar keine Spielereien mehr sind. Die Macher wussten es einfach nicht besser.

Lässt man die nicht zu verachtende Faszination einmal beiseite, die sich die Animatoren mehr als verdient haben, so bleibt ein Film, dessen Handlung reichlich platt und einfallslos ohne überraschende Wendungen heruntergespult wird. Gerettet werden müsste das eigentlich durch durchgeknallte Detailwitze und furioses Tempo (wie bei „The Wrong Trousers“ mit Wallace und Gromit), doch gerade das wird schmerzlich vermisst: „Hennen rennen“ muss sich den Vergleich mit den anderen Aardman-Produktionen gefallen lassen, und landet diesbezüglich leider nur im Mittelfeld.


Ein weiteres potentielles Problem sehe ich in der Synchronisation: „Hennen rennen“ enthält (in der Originalversion) sehr viele Dialekt-Witze, wobei die Besetzung des amerikanischen Hahnes Rocky mit der Stimme des Australiers Mel Gibson schon ein Witz für sich ist. Ob sich dies vernünftig in die deutsche Fassung retten lässt, ist mehr als zweifelhaft. Geschmälert werden soll auf keinen Fall die Animationsleistung: Man vergisst beim Anschauen sehr schnell, dass man hier die ganze Zeit Knetgummi-Figuren vor sich hat, wenn man aber daran denkt, wird die unfassbare Leistung deutlich: In manchen Szenen sind circa zwanzig Hühner gleichzeitig im Bild, in verschiedenen Bewegungsabläufen in verschiedene Richtungen verwickelt. Man stelle sich allein die Koordinationsarbeit vor, ganz abgesehen von der irrwitzigen Detailversessenheit, die dafür an den Tag gelegt werden musste.

„Hennen rennen“ ist ein sehr unterhaltsamer, tricktechnisch faszinierender Film, der mit Sicherheit jeden begeistern wird, der noch nie einen Streifen von Aardman gesehen hat. Alte Fans werden nicht viel neues sehen und sich zeitweise die irrwitzige Raserei von „The Wrong Trousers“ zurückwünschen. Nichtsdestotrotz beweist „Hennen rennen“ eindrucksvoll, dass „Stop Motion“ noch lange nicht tot ist, und man sich hoffentlich noch auf so manche Streiche aus Knetgummi freuen kann.


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