
im Burton und
Roald Dahl sind ein Traum-Duo, das leider nie die
Gelegenheit bekam zusammen zu arbeiten. Burton, der
Regisseur solch
skurriler Meisterwerke wie "Edward mit den Scherenhänden"
und "Big
Fish", hatte
gerade erst mit "Beetlejuice" seinen internationalen
Durchbruch
geschafft, als der legendäre Kinderbuch- und
Kurzgeschichten-Autor
Dahl 1990 verstarb. Nach der von ihm produzierten
Dahl-Adaption
"James und der Riesenpfirsich" (ein
Stop-Motion-Animationsfilm)
wagt sich Burton nun erstmals als Regisseur an eine Real-Verfilmung
eines Dahl-Klassikers. Das in den USA enorm beliebte
Kinderbuch
"Charlie und die Schokoladenfabrik" wurde bereits 1971
erstmals verfilmt, damals mit Gene Wilder in der
Hauptrolle des
Willy Wonka. Diesmal spielt Superstar Johnny Depp in
seiner vierten
Kollaboration mit Burton (nach "Edward", "Ed Wood"
und "Sleepy
Hollow") den
exzentrischen Schokoladenfabrikanten, der Einblick in
seine verrückte
Welt gewährt.
Titelheld der Geschichte ist der kleine Charlie (Freddie Highmore, von Depp aus seinem Film "Wenn Träume fliegen lernen" mitgebracht), der mit seinen bettelarmen Eltern und bettlägerigen Großeltern in einer klapprigen Hütte in der Stadt wohnt, die von Willy Wonkas gigantischer Fabrik beherrscht wird. Schon sein ganzes Leben träumt Charlie davon, einmal hinter die Tore des Süßigkeiten-Wunderwerks zu blicken - doch Wonka hat schon vor vielen Jahren alle seine menschlichen Mitarbeiter entlassen, und seitdem hat nie wieder jemand ein Auge auf ihn oder seine neuen Produktionsmethoden werfen können. Das ändert sich, als Wonka ein Gewinnspiel veranstaltet: In fünf Tafeln seiner auf der ganzen Welt vertriebenen Schokolade wird eine goldene Eintrittskarte versteckt, deren fünf glückliche Finder zusammen mit einem Erziehungsberechtigten die einmalige Gelegenheit zu einer persönlichen Führung von Willy Wonka durch seine Fabrik erhalten. Und siehe da: Nach einer anfänglichen Enttäuschung zählt Charlie schließlich doch noch zu den fünf Auserwählten - und entdeckt nun zusammen mit seinem Großvater Joe (David Kelly) und vier anderen Kindern plus Elternteil die aberwitzige, knallbunte, verrückte, skurrile und komplett überzuckerte Welt von Willy Wonka.
Der
Schwachpunkt gleich vorne weg: Von hier an hat die
Geschichte eigentlich
nicht mehr viel zu erzählen. Ab dem Eintritt in die
Wonka-Welt
reduziert sich "Charlie und die Schokoladenfabrik" im
Prinzip auf eine Nummernrevue, die ein spektakuläres Set
nach
dem anderen besucht. Dabei dezimiert sich nach und nach
die Anzahl
der Kinder, die alle ihrem jeweiligen Laster entsprechend
eine Lektion
lernen müssen (und so natürlich die pädagogische
Botschaft fürs kindliche Zielpublikum transportieren).
Neben Charlie mit dabei sind: Der gefräßige deutsche
Metzger-Sohn August Gloop (ein gerade in der
Originalversion entzückend-übertriebenes
Abbild eines germanischen Gierschlunds); das verwöhnte
Prinzesschen
Veruca Salt; die Kaugummi-kauende, überambitionierte
Sportskanone
Violet Beauregarde; und der Videospiel-süchtige,
gewaltgeile
Mike Teavee (sein Nachname verrät, was er in Dahls
Originalversion
für eine Vorliebe hatte - ein sinnvolles "Update").
Sie alle sind überzogene Klischees mit hohem
Wiedererkennungswert,
die eher Personifizierungen ihrer Schwächen denn
eigenständige
Figuren sind.
Daher
ist auch für Nicht-Kenner der Geschichte relativ schnell
abzusehen,
was im Rest des Films noch kommt - Preise für Spannung
oder
Dramaturgie bekommt "Charlie und die Schokoladenfabrik"
ganz sicher nicht. Aber darum geht's hier ja auch gar
nicht: Wie
nicht anders zu erwarten nimmt Burton sein Publikum einmal
mehr
mit in eine bizarre Welt, deren einzige Grenze die
Fantasie ist
- und die geht bei Burton bekannterweise ja ziemlich weit.
Und auch
wenn "Charlie" vor allem eine Kindergeschichte und damit
auch ein Kinderfilm ist, werden auch erwachsene
Filmfreunde hier
sehr viel zu entdecken und zu lachen haben. Augenzwinkernd
zitiert
Burton berühmte Vorbilder wie Stanley Kubrick und David
Lynch
und spielt elegant mit perspektivischen Verzerrungen, die
den Größenverhältnissen
in Wonkas Welt immer wieder eine weitere absurde Note
verleihen.
Der kongenialste Kniff: Willy Wonkas ebenso gefolgsame wie
kleinwüchsige
Arbeiterschar, die Oompa Loompas, werden allesamt von ein
und demselben
Darsteller (Deep Roy) gespielt - und sind mit ihren
durchgeknallt
choreographierten Gesangseinlagen die heimlichen Stars des
Films.
Da
muss sich auch der nominelle Superstar Johnny Depp mühen,
dass
ihm nicht die Show gestohlen wird. Aber Depp wäre nicht
Depp,
wenn er nicht seine ganz eigene Shownummer abziehen würde:
Sein Willy Wonka balanciert irgendwo zwischen unheimlich,
verrückt,
naiv und liebenswert - und auch wenn Depp geleugnet hat,
dass dies
eine Inspiration für ihn war: Es ist schwer, bei seinem
ersten
großen Auftritt nicht an die merkwürdige Erscheinung
von Michael Jackson zu denken. Aber wo auch immer die
Inspiration
herkam: Depp trägt mit seiner wieder einmal punktgenau
präsentierten
Vorstellung dazu bei, dem Film eine konsequente Note
unterkühlter
Merkwürdigkeit zu geben, die den Zuschauer über lange
Zeit ein latentes Gefühl der Gefahr mitgibt, anstatt dass
er
sich wohlig ins zuckersüße, kunterbunte Wonka-Universum
fallen lassen kann. Schließlich sind wir hier immer noch
in
einem Burton-Film.
Der gar nicht so heimliche, eigentliche Hauptdarsteller
von "Charlie
und die Schokoladenfabrik" ist allerdings ganz klar
Produktions-Designer
Alex McDowell, denn seine atemberaubenden, hochkreativen
und immer
wieder überraschenden Sets sind die wahre
Daseinsberechtigung
für dieses Film-Bonbon. Vom Schokoladenwasserfall bis hin
zum
Nuss-Sortierraum - McDowell verleiht Dahls verrückten
Ideen
den typisch skurrilen Burton-Spin und erweckt sie zu
beeindruckendem
Leben.
Auch wenn es für kleine Kinder hier und da vielleicht ein bisschen eklig wird (wie gesagt: wir sind immer noch in einem Burton-Film) - "Charlie und die Schokoladenfabrik" ist insgesamt ein wirklich zauberhafter Kinderfilm mit zauberhaften Figuren in einer zauberhaften Welt. Ein buntes, leichtgewichtiges, unterhaltsames und sehr kurzweiliges Abenteuer, das sich mit seinem verqueren Witz ausnahmsweise wirklich für Jung und Alt gleichermaßen eignet.
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