Assault - Anschlag bei Nacht

Originaltitel
Assault on Precinct 13
Land
Jahr
1976
Laufzeit
91 min
Genre
Bewertung
von Simon Staake / 16. November 2010

 

Dass man nicht unbedingt viel Geld braucht, um einen tollen Film zu machen, ist durchaus bekannt. Die Filme selbst, die das Ergebnis einer solchen Arbeit sind, sind es aber nicht immer. Und so leidet auch "Assault - Anschlag bei Nacht", John Carpenters erster "richtiger" Film (nach dem erweiterten Studentenfilm "Dark Star" 1974) aus dem Jahr 1976, unter einer unverdienten Nischenexistenz. Für viele fängt das Kapitel John Carpenter erst mit dessen Wahnsinnserfolg "Halloween" zwei Jahre später an. Zudem wurde Carpenter durch seine vornehmlich Horror- und Science Fiction-Filme schnell als Genreregisseur charakterisiert, aus dessen Schaffen der Großstadtwestern "Assault" ein wenig heraus fällt. Aber eben auch nicht zu sehr, denn wie ein Großteil seiner Filme ist auch "Assault" Hommage an den von ihm verehrten Howard Hawks-Film "Rio Bravo" und verarbeitet dessen klassisches Thema der Isolation. Wieder einmal erschafft Carpenter ein Belagerungsszenario, in dem sich eine Reihe von unterschiedlichen Charakteren zusammenraufen müssen, um gemeinsam zu überleben.

Dabei orientiert sich der Film allerdings sehr an George A. Romeros "Die Nacht der lebenden Toten" in seiner Konzeption als Terrorfilm ohne große Erklärungsansätze. Wie Romeros Zombies sind auch die Mitglieder der Straßengang hier ohne Eigencharakteristiken, bleiben stumme Repräsentanten einer kaum rationalisierbaren Bedrohung. Und so wandelt sich auch dieser Actionthriller in seiner Laufzeit zu einem waschechten Horrortrip, der allerdings durch den immer wieder durchscheinenden schwarzen Humor der Protagonisten etwas abgemildert wird. Gerade der von Darwin Joston mit stoischer Ruhe gespielte Schwerverbrecher Napoleon Wilson reißt einen zynischen Spruch nach dem anderen und ist ehrlich gesagt eine echt coole Sau. Drehbuchschreiber Carpenter macht es ihm freilich einfach mit einem gerade durch seine simplen Strukturen prägnanten Drehbuch, dessen Dialoge direkt aus der hartgesottenen Schreibschule eines Film Noir-Films übernommen zu sein scheinen. Mit dem sympathischen Austin Stoker als schwarzem Helden (eigentlich eine Romero-Spezialität) und Laurie Zimmer als typisch Hawks-hafte, selbstbewusste und eigenständige starke Frau hat man ein Trio aus überzeugenden Hauptdarstellern, die auch manch hölzerne Leistung vereinzelter Nebendarsteller vergessen lassen.

Apropos Vergessen: Dum-Du-Du-Du-Dum, Dum-Du-Du-Du-Dum. Wer "Assault" einmal gesehen hat, wird vor allem eins nicht vergessen: Carpenters Synthesizer-Score mit seinem wahnsinnig eingängigen Hauptthema. Wie Carpenter aus seinem billigen Heimkeyboard eine so simple wie effektive Filmmusik schafft, das perfektionierte er zwei Jahre später dann mit "Halloween", toll ist's aber schon hier. Simpel und effektiv trifft sowieso "Assault - Anschlag bei Nacht" am besten, sowohl von Form als auch Inhalt her. Schnörkellos präsentiert Carpenter in der ersten halben Stunde seine Protagonisten in drei parallelen Handlungssträngen, führt diese dann mehr oder weniger geschickt zusammen, und ab da an fliegen die Fetzen. Zu den Highlights gehören ein "stilles" Feuergefecht und natürlich der unwiderstehliche Schlussdialog, bei dem man fast an "Casablanca" und den Beginn einer wunderbaren Freundschaft denken muss.

Natürlich ist nicht alles an "Assault" makellos: Der Plot hat seine Anzahl an Löchern, einige Schauspielleistungen der unbekannten Nebendarsteller sind wie schon erwähnt durchaus noch ausbaufähig, und beim Showdown sieht man schon ein wenig, dass Carpenter und Co. am Ende das Geld ausging. Wer dem Film dies nachsieht - und einem billig produzierten Exploitationfilm dieser Klasse muss man das eigentlich - der wird mit einem rasanten Actionfilm belohnt, der hart zuschlägt und dabei trotzdem wahnsinnig gut unterhält. Wie am Anfang erwähnt: eine Perle zum Neu- oder Wiederentdecken.

Vielleicht wird sich der mangelnde Bekanntheitsgrad von "Assault - Anschlag bei Nacht" ja durch die jetzt vorliegende DVD-Neuauflage ändern. Verdient hätte dies die neue Special Edition von E-M-S auf jeden Fall, denn bei dem 2 Disc-Set kann man getrost von einem Referenzprodukt sprechen. Besonders im Bereich Ton und Ausstattung schlägt die deutsche DVD hier ausnahmsweise mal die Konkurrenz deutlich. Was nicht heißen soll, das Bild würde da nicht mithalten, ganz im Gegenteil. Im Originalformat und nun auch anamorph kodiert, verblüfft das Originalbreitbild (2.35:1) mit einer Farbdarstellung und Schärfe, die man bei diesem 30 Jahre alten und damals nicht eben grad auf teurem Filmmaterial hergestellten Streifen nicht erwartet hätte. Einzig die "burn marks" (die kleinen schwarzen Punkte am rechten oberen Bildrand als Signal für den Filmvorführer) hat man nicht beseitigen können, von zwei im Negativen abfallenden Szenen mal abgesehen gibt es aber so gut wie keinen Dreck, Kratzer oder andere Defekte. So gut hat "Assault" noch nie ausgesehen, was diesen Low Budget-Streifen gleich noch mal um einiges teurer aussehen lässt, als ohnehin schon. Ein wirklich überzeugender Bildtransfer.
Noch überzeugender wird's dann im Bereich Ton, wo Kleinanbieter E-M-S den Großen zeigt, wie man es richtig macht. Denn während etwa Käufer der neuen Version des "Weißen Hais" zu Recht empört sind, dass ihnen mit dem neuen 5.1-Surroundmix auch eine neue Synchronisation aufgezwungen wird, wird hier dem Käufer beides geboten. Wer den Film noch nicht kennt, kann sich die per neuer Synchronfassung erstellten dts- und 5.1-Spuren anhören, wer dagegen schon seit drei Jahrzehnten Napoleon Wilsons coole Sprüche mitrezitieren kann, für den steht die alte Synchronfassung als Monospur zur Verfügung. Deren Musik- und Tondarstellung ist zwar recht schauerlich, die Dialoge sind aber immerhin klar zu verstehen. Der neue Surroundmix leistet keine Wunder, aber etwa bei den Schießereien hört man mal schön die Kugeln auf den hinteren Surroundboxen vorbeisurren. Erfreulich zudem, dass die neue Synchronisation recht gelungen ist und die geliebten Figuren fast mit ebenso coolen Stimmen aufwarten wie in der Urfassung. Da es auch auf der amerikanischen Special Edition nur eine (immerhin gereinigte) Tonspur gab, liegt der Originalton in recht sauberem und gut verständlichem Monoton vor.
Die Freude setzt sich dann auch bei der Betrachtung der Extraausstattung fort. Abgesehen von der isolierten Musiktonspur und einer hier etwas abgespeckten Bildergalerie hat man die Extras der US-Special Edition übernommen. Dazu gehören ein Audiokommentar von Regisseur John Carpenter und eine 23-minütige Q&A-Session mit Carpenter und Hauptdarsteller Austin Stoker, wobei ersterer sicherlich das Hauptextra ist. Carpenter ist hier trotz fehlendem Partner recht lebhaft und erklärt viel zu seinen Anfängen und Tricks im Low Budget-Filmemachen. Nur selten fällt er in das bloße Beschreiben von Handlung oder Szenen. Die Ausführungen von Carpenter und Stoker bleiben auch aufgrund der gestellten Fragen etwas oberflächlich, ein nettes Extra ist diese Beilage aber dennoch, auch weil Carpenter recht selbstironisch und damit sympathisch daherkommt. Aufgefüllt wird die Disc mit dem deutschen und dem US-Trailer (beide aufgrund des Alters in sehr mäßigem Bildzustand), zwei Radiospots, der angesprochenen Bildergalerie mit Poster- und Aushangbildermotiven und der alternativen deutschen Titelsequenz (die sich nur durch die Einblendung des Alternativtitels "Das Ende" unterscheidet). Produktionsnotizen sowie Bio- und Filmographien werden anstatt auf der Disc in einem 12-seitigen Booklet dargeboten.

Damit ist aber noch nicht genug des Guten, denn dem Film wurde noch eine Extradisc mit der einstündigen Dokumentation "John Carpenter - Master of Cinema: Angst ist nur der Anfang" beigelegt. Diese arbeitet systematisch - wenn auch nicht streng chronologisch - Carpenters Schaffen ab und kommt zudem auch technisch sehr gut daher (anamorphes Widescreenbild, Wahl zwischen Originalton und Voiceover). Es kommen diverse Wegbegleiter Carpenters zu Wort, unter anderem "Halloween"-Star Jamie Lee Curtis, Kurt Russell alias "Die Klapperschlange" Snake Plissken, seine ehemalige Ehefrau Adrienne Barbeau und seine mittlerweile verstorbene langjährige Freundin und Produzentin Debra Hill. Carpenters Werdegang sowie seine filmischen Themen und Motive, besonders seine Verehrung von Howard Hawks, werden hier recht schön dargestellt. So kann man etwa Carpenters Wahl seiner Protagonisten als soziale Außenseiter aus seiner den eigenen Angaben nach isolierten Kindheit ableiten. Auch hat man die Chance, Seltenes wie Ausschnitte aus dem Frühwerk "The Resurrection of Bronco Billy" zu sehen. Ein Kritikpunkt wären die fehlenden Einblendungen zur Identifizierung der unbekannteren Interviewten. Alles in allem gibt die Dokumentation einen guten, wenn auch nicht arg tiefgründigen Überblick über Carpenters Schaffen und ist damit besonders für Carpenter-Neulinge nützlich.

Der Film selbst großartig, die DVD vollkommen überzeugend. Da jene zudem zu einem sehr fairen Listenpreis angeboten wird, kann man hier nur sagen: Ganz klare Kaufempfehlung. Diesen Actionklassiker sollte man sich in Form dieser wunderbar ausgestatteten Neuauflage unbedingt ins Regal stellen.

 


Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.