Ich wollte diesen Film wirklich mögen. Was zum einen am Mann hinter der Kamera liegt: Billy Porter hat mich in seiner Emmy-gekrönten Rolle als schwuler Ballroom-MC/Vaterfigur in der bahnbrechenden Serie "Pose" dermaßen begeistert, dass ich auf sein Regie-Debüt mehr als gespannt war. Zum anderen liegt es am grundsätzlichen Thema: "Pose" hatte ja bereits damit begonnen, eine bisher in Film und Fernsehen sträflich klaffende Lücke zu füllen, indem die Lebenswelt von Transsexuellen endlich einmal authentisch und aus ihrer Perspektive erzählt wurde (wer eine erhellende Zusammenfassung der historisch sehr problematischen Darstellung von Transgender-Figuren in der Film- und Fernsehgeschichte sucht, dem sei die sehr gute Netflix-Dokumentation "Disclosure: Hollywoods Bild von Transgender" empfohlen). In seinem Debütfilm als Regisseur schickt Billy Porter sich nun an, für ein Mainstream-Publikum eine High-School-Teenie-Liebesgeschichte mit einer trans Hauptfigur zu erzählen. Doch leider hat man das Gefühl, dass dabei viel Potenzial verschenkt wurde.
Das liegt vor allem daran, dass man ganz bewusst auf viel naheliegendes Drama verzichtet. Hauptfigur Kelsa (Eva Reign) lebt fast schon in einer Idealwelt für einen trans Teenager, umgeben von einer Mutter und besten Freundinnen, die sie bedingungslos unterstützen, und einer Schule, in der ihre Identität weitgehend anerkannt ist. Dann wird ihr mit Khal (Abubakr Ali) auch noch ein Love Interest an die Seite gestellt, dessen größtes "Problem" darin besteht, dass er fast schon ZU lieb für diese Welt ist. Als er sich in Kelsa verliebt, ist das maßgebliche Dilemma dann auch nicht, dass sie trans ist, sondern dass Kelsas eine beste Freundin auch in Khal verknallt ist - und es gar nicht gut aufnimmt, dass ihre Gefühle nicht erwidert werden.
Man kann es "Alles ist möglich" natürlich auch positiv anrechnen, dass der Film Kelsa in eine ganz normale Liebesgeschichte mit typischen Teenie-Konflikten einbetten will, und so die grundlegende Botschaft transportiert, dass sie eben schlicht ein Teenager wie alle anderen ist. Der Film erweist sich damit aber auch einen Bärendienst. Denn zum einen hat man etwas das Gefühl, dass die tatsächliche Lebenswelt von Trans-Teenagern hier etwas schöngefärbt wird. Zum anderen läuft der Film in ein Problem, als er für seine dramaturgische Zuspitzung dann halt doch mal einen ernsthaften Konflikt zwischen seinem Liebespaar braucht, um Kelsas und Khals gänzlich konfliktfrei angebahnte Beziehung wieder zu gefährden. Und das geht leider auf Kosten der Hauptfigur.
Denn ganz ehrlich: Als Kelsa sich mit ihrem Khal verkracht, habe ich nicht verstanden, was eigentlich ihr Problem ist (meiner Frau ging es übrigens genauso, also entweder sind wir an dem Punkt beide zu blöd, oder es liegt echt am Film). Es hat irgendwas damit zu tun, dass sie in der Schule als ein ganz normales Mädchen wahrgenommen werden will, während sie gleichzeitig aber online einen "geheimen", aber problemlos Google-baren YouTube-Kanal betreibt, in dem sie ausgiebig ihre Erfahrungen als Trans-Teenager ausbreitet. Allerdings will Kelsa nicht, dass sich diese zwei Welten miteinander vermischen. Was schon ganz grundsätzlich ein ziemlich naiver Wunsch in einer Welt ist, wo die Social-Media-Identität die Identität IRL fast mehr bestimmt als andersherum. Darauf zu beharren, dass das eine nicht vom anderen berührt werden soll, ist irgendwie... bescheuert.
Man kommt an diesem Punkt nicht umhin, dass man einzig mit dem armen Khal mitfühlt, der auch nicht so richtig versteht, was er eigentlich falsch gemacht hat. Und für einen Film, der sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat, eine Lanze für die Darstellung von trans Teenagern im Mainstream-Film zu brechen, ist es mindestens suboptimal, wenn man sich als Zuschauer denkt: Was stellt die sich denn jetzt so an?
Vielleicht ist das jetzt irgendwie unsensibel von mir, weil ich an der einen Stelle, wo der Film dann doch mal in die Tiefen von Kelsas ganz persönlicher Problematik mit ihrer Trans-Identität eintaucht, nicht richtig mitgehen konnte. Aber der Eindruck bleibt, dass "Alles ist möglich" über die meiste Zeit schlicht zu heititei und konfliktarm ist, um wirklich zu packen, und an der einzig wirklich konfliktreichen Stelle dann zu schwer nachvollziehbar, um sein Publikum wirklich mitnehmen zu können. Der Rest ist seichtes und buntes Teenager-Kino, recht flott runterinszeniert, und für die minderjährige Zielgruppe und verstockte Eltern bewusst keimfrei gehalten - Sex ist hier absolut gar kein Thema, und der anzüglichste Moment ist, dass Kelsas Mutter sie fragt, ob sie einen BH trägt.
Jedenfalls: Die gute Absicht führt hier leider nicht zu einem guten Ergebnis. Schade.
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