Alice im Wunderland - Hinter den Spiegeln

Originaltitel
Alice in Wonderland: Through the looking Glass
Land
Jahr
2016
Laufzeit
112 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Volker Robrahn / 24. Mai 2016

alice 2 1Als Tim Burtons Version von Lewis Carrolls Kinderbuch-Klassiker „Alice im Wunderland“ im Jahr 2010 herauskam, geschah das zu einem idealen Zeitpunkt. Im Kino befand sich die 3D-Welle auf dem Höhepunkt und das Publikum war geradezu gierig nach visuell überbordenden Effektspektakeln. Genau das bot diese „Alice“ im Übermaß, und dazu hatte sich das Publikum auch noch längst nicht so an den überkandidelten Johnny Depp-Darbietungen schräger Charaktere sattgesehen, wie es mittlerweile (nach einer Reihe von immer gleich angelegten Figuren) der Fall ist. So entwickelte sich die erneute Zusammenarbeit von Tim Burton mit seinem Lieblingsschauspieler etwas unerwartet zum zwar sicher nicht besten, aber kommerziell erfolgreichsten Film des Hollywood-Sonderlings überhaupt. Da war die Fortsetzung praktisch unvermeidlich, doch zeigte Burton an einem weiteren Ausflug ins Wunderland nur mäßiges Interesse und fungiert daher bei „Alice – Hinter den Spiegeln“ nur noch als Produzent im Hintergrund. Dass der neue Film daher deutlich braver und familienfreundlicher ausfällt kann daher nicht überraschen.
 

alice 2 2Alice Kingsleigh (Mia Wasikowska) segelt mit dem familieneigenen Schiff über die Weltmeere und lebt ihren Traum vom Leben als selbstbestimmte (Geschäfts-)Frau. Doch weder die eigene Mutter, noch die missgünstige Männerwelt ist bereit das zu akzeptieren und legt ihr daher immer wieder neue Steine in den Weg. Da hilft irgendwann nur noch die erneute Flucht ins Wunderland, in dem Alice stets willkommen ist und auch prompt auf alte Bekannte trifft. Doch während das weiße Kaninchen, Absolem oder die Grinsekatze soweit guter Dinge sind, steht es um einen anderen Freund sehr schlecht. Der verrückte Hutmacher (Johnny Depp) bläst so seht Trübsal, dass er seine gesamte Lebensenergie zu verlieren droht. Grund dafür ist die Trauer über den Verlust seiner Familie bzw. sein fester Glaube daran, dass diese noch lebt. Es scheint nur einen Weg zu geben den Hutmacher zu retten, und das ist eine Zeitreise um seine Familie in der Vergangenheit vor dem Angriff des Jabberwocky zu retten. Doch so eine Reise ist nicht nur höchst gefährlich, sie ist im Grunde auch streng verboten, weshalb Alice zwar erneut auf die Unterstützung der weißen Königin (Anne Hathaway) zählen kann, nicht jedoch auf die ihrer roten Schwester (Helena Bonham Carter) oder gar die des Meisters der Zeit (Sacha Baron Cohen).
 

alice 2 3Schon beim Blick auf die verschiedenen Postermotive fällt auf: Dieser Film schildert zwar dem Titel nach die Abenteuer von „Alice“, für die Vermarktung ist die eigentliche Hauptfigur jedoch kein Thema. Denn statt Mia Wasikowska grinsen einem von den Plakaten vorzugsweise Herr Cohen, Frau Bonham-Carter und natürlich vor allem Johnny Depp entgegen, der trotz seiner wirklich nur mäßig großen Rolle (und der bereits erwähnten Publikumsmüdigkeit ihm gegenüber) anscheinend immer noch als größtes Zugpferd betrachtet wird. Aber letztendlich passt das schon, denn beim zweiten Alice-Realfilm aus dem Hause Disney geht es tatsächlich weniger um die philosophisch-erhellende Reise einer jungen Frau als darum, möglichst buntes Augenfutter abzuliefern. Noch viel mehr als bei Burton inszeniert der durch die letzten beiden „Muppet“-Filme zu diesem Job gekommene James Bonin eine Non-Stop-Achterbahnfahrt der Effekte und damit eine Art Blaupause für den Begriff „Popcorn-Kino“.

alice 2 4Die Kostüme sind verrückt, die Farben grell, die Ausstattung verschwenderisch und die Figuren nach wie vor sehr skurril. Und die Geschichte? Nun, die ist im Grunde eine völlige Eigenschöpfung, denn von der Original-Romanforstsetzung „Alice through the Looking Glass“ fand sich im Vorgänger noch deutlich mehr wieder als hier. Stattdessen also eine Zeitreisegeschichte, mit den bekannten dazugehörigen Elementen, die vor allem daraus bestehen, dass man die Vergangenheit nicht ändern kann oder darf, weil sich sonst fatale Folgen für die Gegenwart - oder in diesem Fall halt das gesamte Wunderland - ergeben. Aber da diese Konsequenzen sich nun einmal so herrlich in spektakuläre Bilder umsetzen lassen, bekommen wir sie natürlich zu sehen, dies allerdings erst nach einer irgendwann nur noch ermüdenden Odyssee, in der halt alle bekannten Figuren noch einmal auftreten müssen und in der uns auch noch eine banale Erklärung gegeben wird, warum denn eigentlich die beiden Schwestern so unterschiedliche Wege in Richtung “gut“ oder „böse“ gegangen sind (nach Disney-Lesart natürlich, denn Lewis Carroll hatte sich dazu nicht geäußert). In den Krieg gezogen und der eine oder andere Kopf abgeschlagen wird dabei aber im Gegensatz zur Burton-Interpretation nun nicht mehr, stattdessen wird gleich in doppelter Hinsicht das bekannte Disney-Hohelied von der Bedeutung der Familie gesungen.

So bleibt am Ende dieses recht anstrengenden Films die Erkenntnis, dass die ersten 20 Minuten auf hoher See und mit einer herrlich unkonventionellen Alice bei Hofe eigentlich die interessantesten und unterhaltsamsten sind, was aber ganz sicher nicht so beabsichtigt war. Denn geplant ist sicherlich eher das Publikum mit der sich anschließenden Darbietung von ständiger Bewegung inmitten einer Welt aus Bonbonfarben zu beeindrucken. Was eventuell auch gelingen mag, aber trotzdem nichts daran ändert, dass dieses „Wunderland“ doch reichlich seelenlos daherkommt.

Bilder: Copyright

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