Wenn es einer geschafft hat, das Image der Dänen im Ausland zu prägen, dann er: Anders Thomas Jensens Filmographie beinhaltet fast alle dänischen Filme, die man in den letzten Jahren südlich der Flensburger Förde so zu sehen bekam. Zunächst etablierte er sich "nur" als Drehbuchautor von Filmen wie "Mifune", "In China essen sie Hunde" oder "Stealing Rembrandt"; seit "Flickering Lights" übernimmt er aber auch schon mal selbst die Regie. Was jetzt nach Monopolstellung klingt, ist keineswegs negativ zu verstehen, denn Jensen macht Filme vom Feinsten: Vor zwei Jahren begeisterte er zuletzt mit seinen makabren "Dänischen Delikatessen" das Publikum, nun schlägt er erneut zu. Die schwarze Komödie "Adams Äpfel" ist ein Affront gegen political correctness auf allen Ebenen, und genau das macht den Film zum reinsten Vergnügen.
Pfarrer Ivan (Mads Mikkelsen) hat's nicht leicht: seine Dorfkirche ist Resozialisierungszentrum für allerlei harte Fälle, z.B. den Trinker und Vergewaltiger Gunnar (Nicolas Bro) und Tankstellenräuber Khalid (Ali Kazim). Von Besserung ist bei den beiden allerdings nichts zu sehen, das merkt sogar Neuzugang Adam (Ulrich Thomsen, "Brothers", "Das Fest"). Bessern will sich der überzeugte Neonazi zwar auch nicht, jedoch ist ihm Ivans Naivität und Güte schnell suspekt. Der Pfarrer beharrt darauf, in allem nur das Gute zu sehen, und hat für alles eine plausible Erklärung und vor allem viel Verständnis, außer jemand will sich vorm Gottesdienst drücken. Als es darum geht, eine passende Aufgabe für seine Zeit in der Gemeinde zu wählen, schlägt Adam vor, einen Apfelkuchen aus den hauseigenen Äpfeln zu backen. Wider erwarten verkündet Ivan, das sei eine hervorragende Aufgabe. So viel Optimismus ist zuviel des Guten für Adam, der daraufhin beschließt herauszufinden, wie lange der gutmütige Pfarrer noch bereit ist, beide Augen zuzudrücken und beide Wangen hinzuhalten.
Geschichten über den Kampf zwischen Gut und Böse sind nicht gerade selten, aber "Adams Äpfel" erzählt sie immer wieder neu, solange bis man nicht mehr genau weiß, wer oder was gut oder böse ist. Vor allem erzählt der Film sie mit soviel Humor, Leidenschaft und einem ironischen Augenzwinkern, dass man auch nicht recht weiß, ob man lachen oder weinen soll.
Anders Thomas Jensens Weltbild jedenfalls ist weder schwarz-weiß noch rosarot, soviel steht fest, und das ist gut so. Und es beweist wieder einmal, dass es neben der erhobenen Zeigefingermoral des Mainstream-Hollywood-Kinos auch noch alternative Denkansätze gibt. Die Dreistigkeit, mit der sich Jensen triefend-kitschiger Klischees bedient aber gleichzeitig andere Klischees entlarvt, ist geradezu brillant. Er nennt die Dinge beim Namen, und dadurch wirken die dargestellten Emotionen und Konflikte immer "echt" und nicht geschönt oder durch den "politically correct"-Filter verweichlicht.
Ebenfalls genial ist sein Umgang mit der gängigen biblischen Symbolik, frei nach dem Motto "Warum kleckern, wenn man auch klotzen kann". Was spärlich eingesetzt vielleicht eher abgedroschen gewirkt hätte, wird so zum absurd-genialen Stilmittel, schließlich fängt der Regisseur schon bei "A" wie Adam an und macht vor "W" wie Wurm nicht halt. Dabei wird der Glaube an Gott hier nicht durch den Kakao gezogen wie in Filmen wie Monty Pythons "Das Leben des Brian". Das sieht offenbar auch die dänische Kirche so, denn Anders Thomas Jensen bekommt in diesem Jahr den Kulturpreis der dänischen Priester verliehen.
Wer in den letzten Jahren einen dänischen Film gesehen hat, dem werden die meisten Namen auf der Besetzungsliste bekannt vorkommen. Optisch jedoch sind sie kaum wieder zuerkennen, ein weiteres Plus für den Regisseur und seine Darsteller. Thomsen und Mikkelsen übertreffen sich wie immer gegenseitig, aber erst die Nebendarsteller machen das Ensemble zu einer grandiosen Einheit. Kein Wunder, dass "Adams Äpfel" neben etlichen dänischen Filmpreisen letztes Jahr auch den Publikumspreis beim Hamburger Filmfest gewann.
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