
Um ein Haar hätte es diesen Film nie gegeben, denn 1986 beschloss Regisseur Kay Pollak sich vom Filmemachen zu verabschieden. Der schwedische Premierminister Olof Palme war nach dem Besuch einer Vorstellung von Pollaks Film "Love Me" ermordet worden, und ganz Schweden stand unter Schock. Pollak begann durchs Land zu reisen und Seminare zu geben. Dabei fand er heraus, mit wie viel Leidenschaft das Singen in Chören in seiner Heimat betrieben wird. Der Chor schien ihm eine perfekte Metapher für Menschlichkeit zu sein, und schon war die Idee zu "Wie im Himmel" geboren. Fast zwei Jahrzehnte nach seinem Rückzug aus dem Filmgeschäft feiert Pollak nun ein Comeback sondergleichen: Sein Film wurde von zwei (von insgesamt neun) Millionen Schweden gesehen, und darüber hinaus noch für den Oscar in der Kategorie "Bester ausländischer Film" nominiert.
Oben im Norden von Schweden ticken die Uhren noch anders. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen zieht es den berühmten Musiker und Dirigenten Daniel Daréus (fantastisch: Michael Nyqvist) nach einem Zusammenbruch auf der Bühne instinktiv in sein Heimatdorf zurück, obwohl seine Kindheit dort wenig rosig war. Doch selbst der Erfolg konnte ihm nicht seinen Traum erfüllen, Musik zu machen, die die Herzen der Menschen öffnet; und so hat er beschlossen, sich von der Musik zurückzuziehen. In der verschneiten Einöde will er die Einsamkeit genießen und nur "zuhören". Da hat er allerdings die Rechnung ohne die Dorfbewohner gemacht, denn die wünschen sich nichts sehnlicher, als dass Daniel die Leitung ihres Laien-Chors übernimmt. Obwohl er zunächst zögert, übernimmt er schließlich den Posten, aber damit sind noch längst nicht alle Barrieren überwunden, denn die schrullige Gemeinde hat eine ganz eigene Dynamik, in die Daniel sich erst einleben muss. So können die Chormitglieder mit Daniels abstrakten Konzepten genauso wenig anfangen wie er mit dem Vorschlag, mitten in der Chorprobe eine Kaffeepause einzulegen. Doch nach und nach ziehen ihn die herzlichen Menschen, die zuerst wie naive Kinder vor ihm sitzen, in ihren Bann, und auch sie können Daniels mitreißender Art nicht widerstehen.
Allen voran ist da Lena, unwiderstehlich gespielt von Frida Hallgren, die auf der diesjährigen Berlinale für Schweden als European Shooting Star ausgezeichnet wurde. Hallgrens Lena ist verletzlich und stark zugleich und wird im Film stets von Engelssymbolen umgeben. Allerdings bezeichnet Regisseur Pollak sie als Engel "mit einem Schwert", denn sie kämpft für ihr Glück und das der Anderen. Lena schwärmt für Daniel und erkennt schnell, dass sich die beiden offensichtlich unterschiedlichen Menschen perfekt ergänzen, fast so als hätten sich zwei Hälften wieder gefunden. Pollak stellt dies filmisch wunderbar dar, indem er Daniel Lena helfen lässt, ihre Balance beim Singen zu finden, während sie ihn bei seinen Radfahrversuchen vor dem Umkippen bewahrt.
Doch Daniel hat noch mehr Bewunderer, denn auch Gabriella (die schwedische Sängerin Helen Sjöholm), die beim Chor Zuflucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann sucht, und die Pastorsfrau Inger schwärmen heimlich für ihn. Bald hat der sonderbare Außenseiter das Dorf in zwei Lager gespalten - die die ihn lieben, und die, die ihn dafür hassen. Ein fantastischer Antagonist ist der von seinen eigenen Lastern geplagte Pastor Stig (Niklas Falk). Es war zwar seine Idee, Daniel den Posten als Chorleiter anzubieten, nun aber fühlt er sich von seiner Position als Leithammel der Gemeinde verdrängt und will alles tun, um die alte Ordnung wieder herzustellen.
Die Hauptrolle des Films gehört eigentlich der Musik, denn sie ist allgegenwärtig. Mit Stefan Nilsson wurde einer der erfolgreichsten schwedischen Filmkomponisten verpflichtet, der schon die Musik zu Filmen wie "Pelle der Eroberer" schrieb. Der Kontrast zwischen Daniels altem und seinem neuen Leben wird hörbar mit dem Wechsel von klassischen Konzerten zu traditionellen schwedischen Volksliedern markiert, und im Zentrum des Films steht Gabriellas herzzerreißendes Lied, das Daniel eigens für sie komponiert hat, um sie auf ihrem Weg zur Selbstfindung zu unterstützen. Gabriella-Darstellerin Sjöholm, die in Schweden als Musical- und Solosängerin berühmt ist, vermittelt mit dem Lied zugleich Stärke und Verletzbarkeit ihrer Figur und macht es darüber hinaus zu einem Ohrwurm, der einen noch lange nach dem Kinobesuch begleitet.
Pollak gelang mit "Wie im Himmel" ein berührendes, lustiges und tragisches Meisterwerk, das von einem grandiosen Ensemble getragen wird. Offiziell gilt wohl Nyqvist als Star des Films, aber ihm geht es wie seiner Figur Daniel: erst zusammen mit den anderen kann er "seinen Ton finden" und in vollem Glanz erstrahlen. Bleibt zu hoffen, dass Pollaks nächster Film nicht 18 Jahre auf sich warten lässt.
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