Wenn man eine der erfolgreichsten Kino-Komödien des letzten Jahrzehnts produziert hat, dann will man als gewinnorientiertes Filmstudio natürlich eine Fortsetzung davon machen. Und damit die Fortsetzung möglichst genauso erfolgreich (wenn nicht sogar noch erfolgreicher) wie das Original wird, gibt es laut der typischen Hollywood-Kalkulation für Sequels nur einen probaten Weg: Man fährt möglichst alle Elemente, die den ersten Teil ausgemacht haben, im zweiten noch mal auf, damit das Publikum genau das bekommt, was es beim ersten Mal schon so toll fand. Oder simpler ausgedrückt: Man macht denselben Film einfach noch mal. Selten hat sich jemand so konsequent an diesen Grundsatz gehalten wie die Macher dieses Nachfolgers des grandiosen Überraschungshits von 2009. Denn "Hangover 2" ist wirklich haargenau derselbe Film wie "Hangover". Nur leider ohne die guten Gags.
Das Déja Vu-Erlebnis namens "Hangover 2" beginnt tatsächlich schon in der ersten Filmminute, denn erneut beginnt der Film mit einem Telefonat, in dem der reichlich zerknirschte und derangierte Phil (Bradley Cooper) der Braut einer für denselben Tag geplanten Hochzeit mitteilen muss, dass aus der Feier wohl nichts wird, weil man leider einen wichtigen Teilnehmer, äh, "verloren" hat. Dann geht's per Zeitsprung zurück ein paar Tage vor das Desaster, und wir erfahren, dass es diesmal nicht um die Hochzeit von Doug (Justin Bartha), sondern um die von Zahnarzt Stu (Ed Helms) geht, der seine Verlobte Lauren (Jamie Chung) in ihrer thailändischen Heimat ehelichen möchte. Aufgrund eines mühseligen Plot-Konstrukts darf auch der durchgeknallte Sonderling Alan (Zach Galifianakis) wieder mit auf die Reise, sowie Laurens minderjähriger, aber hochbegabter Bruder Teddy (Mason Lee). Zahnarzt Stu hat aus den Erfahrungen des ersten Teils gelernt und verweigert sich jeglicher Form von Junggesellenabschied. Nur ein einziges Bier ist er schließlich bereit, am Abend vor der Hochzeit mit seinen Kumpels am Strand zu trinken. Ein Bier kann ja nun wirklich keine schlimmen Folgen haben… aber nichtsdestotrotz erwachen Phil, Stu und Alan erneut in einem komplett derangierten Hotelzimmer, ohne einen Hauch von Ahnung, wo sie sind und was in der letzten Nacht passiert ist. Aber irgendwie haben sie es geschafft, Laurens Bruder Teddy zu verlieren.
Und da sind wir also wieder. Man tausche den Bräutigam gegen den Bruder der Braut, ein Baby und ein Tiger im Hotelzimmer gegen ein Äffchen und einen abgetrennten Finger, Amerikas zügellosen Sündenpfuhl Las Vegas gegen Asiens zügellosen Sündenpfuhl Bangkok, und spule so denn dasselbe Programm wie beim ersten Mal ab. Es ist auf gewisse Art geradezu beeindruckend (faul), wie konsequent "Hangover 2" wirklich jedweder Variation der Struktur seines Originals aus dem Weg geht.
Haupt Leidtragender dieses Unwillens zur Veränderung ist Justin Bartha, der als Doug im ersten Teil noch der Mann ohne Eigenschaft im "Wolfsrudel" sein durfte, weil er die meiste Zeit des Films ohnehin verschwunden war und wiedergefunden werden musste. Diesen Part übernimmt diesmal Teddy, doch anstatt die Kombination aus coolem Leitwolf Phil, spießigem Panikmacher Stu und debilem Chaosverursacher Alan durch ein zusätzliches Element in der Truppe zu ergänzen und so für etwas Abwechslung zu sorgen, erklärt das Drehbuch den armen Doug mit ein paar hanebüchenen Dialogzeilen einfach weg vom Exzess, so dass er auch diesen Film ohne echte Eigenschaft verbringen muss und lediglich alle Nase lang mal für einen Statusbericht angerufen wird, während er bei Lauren und ihren Eltern im Hotel hockt. Als sonderlich guter Freund kommt er dabei nicht weg, denn Doug ist seinen Kumpels weder eine Hilfe, noch versucht er ernsthaft, eine zu sein.
Eine solche Fehlleistung des Drehbuchs wäre zu entschuldigen bei einem Film, der es ansonsten wenigstens schafft, sein Publikum konsequent zu unterhalten. Doch leider scheitert "Hangover 2" auf dieser Ebene in fast unverständlicher Weise. Angesichts dessen, wie brillant aufgebaut und mit grandios treffenden Gags durchsetzt der zum Instant-Klassiker avancierte erste Teil noch war, ist es kaum nachzuvollziehen, wie dieselben Leute beim Versuch, genau dasselbe noch mal zu machen, so konsequent vorbeischießen können wenn es darum geht, einen guten Gag zu treffen.
Über die ziemlich lahmen ersten 20 Minuten kann man da noch wohlwollend hinweg blicken. Die wenigen Witze, die hier überhaupt versucht werden, müssen einen schrecklich langen Anlauf nehmen um überhaupt den Absprung zu schaffen, und landen dann trotzdem nur in der sandigen Grube für kleine Schmunzler. Macht nichts, sagt man sich da noch, wenn der Filmriss erstmal kommt, dann wird's bestimmt wieder saugeil! Wird's aber nicht.
Die Mühseligkeit sowohl in der Suche nach als auch bei der Anbahnung von Gags ist hier jede Minute spürbar, die Ergebnisse entsprechend vorhersehbar, das Timing ruiniert, der Rhythmus mies, das Tempo langsam. Dass sich die Ursache für den hiesigen Filmriss als krampfhafter Versuch von Alan heraus stellt, die legendären Erlebnisse aus Las Vegas zu reproduzieren, ist da quasi symptomatisch für den ganzen Film: "Hangover 2" fühlt sich wie der krampfhafte Versuch an, "Hangover 1" zu reproduzieren. Mit der Betonung auf "krampfhaft". Hier wirkt nichts frisch, locker oder originell, sondern alles kalkuliert, steif und uninspiriert.
Da ist dann auch der erneute Gastauftritt von Mike Tyson nicht mehr komisch, sondern nur das pflichtschuldige Abhaken der Checkliste "Elemente aus Teil Eins, die hier unbedingt wieder rein müssen". Aus demselben Grund endet natürlich auch "Hangover 2" wieder mit einer wilden Fotoshow, welche die letzten noch ungeklärten Fragen über die Ereignisse der vergangenen Nacht beantwortet (in diesem Falle unter anderem: Wie kam es eigentlich zu dem abgetrennten Finger?). Doch was beim ersten Teil das letzte Sahnehäubchen auf einer durch und durch großartigen Komödie war, ist hier leider der einzig wirklich gut gebaute Lacher.
Und so erweist sich "Hangover 2" bedauerlicherweise als Ausgeburt der schlimmsten Eigenschaften von Hollywoods Sequel-Manie. Wo man sich gar nicht erst mit einer langwierigen Drehbuch-Entwicklung aufhält, sondern einfach schnell ein 1:1 dem Original nachgebautes Skript runterrotzt, damit man raschrasch in Produktion gehen kann. Wo man im Wissen, dass man diesen Film über den guten Ruf seines Vorgängers vermarkten wird, gar nicht erst nach neuen Ideen oder Ansätzen sucht. Und wo man sich auch noch für clever hält, seinem Publikum einen schlechten und so schnell wie möglich runter gekurbelten Film andrehen zu können, weil die Leute trotzdem dämlich genug sind, wieder rein zu laufen.
"Hangover 2" ist ein Arschloch von einem Film, wie ein vermeintlicher Freund, der mit dir die Nacht durchzecht aber dir dann das Geld fürs Taxi nach Hause klaut. Solche Freunde braucht keiner. Und solche Filme auch nicht.
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