I am Love

Originaltitel
Io sono l'amore
Land
Jahr
2009
Laufzeit
120 min
Genre
Release Date
Bewertung
3
3/10
von Matthias Kastl / 14. November 2010

 

 Mit dem Arthouse-Kino ist es so eine Sache. Auf der einen Seite produziert es genau die Filme, die Hollywood oft so schmerzlich vermissen lässt: keine Fließbandarbeiten, sondern persönliche Projekte mit außergewöhnlichen Geschichten, inszeniert mit Einfallsreichtum und Verstand. Auf der anderen Seite gibt es dann aber auch jede Menge prätentiösen Murks, hinter dessen ungewöhnlicher Verpackung gähnende Leere zu Tage tritt.
Solche Filme können dann oft zu einer ziemlichen Qual für den Zuschauer werden, und genau dafür hat das neue Werk des italienischen Filmemachers Luca Guadagnino reichlich Potential. Hinter der aufsehenerregenden Inszenierung von "I am love" steckt nämlich ein ziemlich plumpes, oberflächliches und oft richtig ärgerliches Melodrama, dessen leblose Figuren so gut wie keine Identifikationsmöglichkeiten erlauben und deren Schicksal alles andere als bewegend ist. Verschlimmert wird das Ganze durch einen stellenweise martialisch wirkenden Soundtrack, der den Film vor allem im letzten Drittel jeglicher Ernsthaftigkeit beraubt. Rosamunde Pilcher meets Richard Wagner - das kann einfach nicht gut gehen.

Ob die Ehe der Russin Emma (Tilda Swinton, "Michael Clayton") und dem aus einer reichen Firmenfamilie kommenden Italiener Tancredi Recchi (Pippo Delbono) eine gut Idee war, ist fraglich. Zwar wohnt Emma in einer luxuriösen Villa in Mailand und hat mit Tancredi bereits drei Kinder gezeugt, die inzwischen erwachsenen Edoardo (Flavio Parenti), Gianluca (Mattia Zaccaro) und Elisabetta (Alba Rohrwacher), doch wirklich glücklich ist sie mit ihrer Situation und ihrem stets beschäftigten Ehemann nicht. Das ändert sich, als Edoardo eines Tages einen guten Freund, den jungen Koch Antonio (Edoardo Gabbriellini), zu einer Feier mitbringt. Es dauert nicht lange, bis der talentierte Koch das Interesse der sich vernachlässigt fühlenden Emma gewinnt - schließlich geht Liebe ja durch den Magen.

Fehlende Liebe zu diesem Projekt kann man Regisseur und Drehbuchautor Luca Guadagnino auf jeden Fall nicht vorwerfen. Jahrelang kämpfte er um die Finanzierung, feilte mit der gut befreundeten Tilda Swinton fast ein Jahrzehnt lang an dem Drehbuch und hat es schließlich tatsächlich geschafft sein Herzensprojekt zu realisieren. All diese Energie und Hingabe ist bei der Inszenierung auch deutlich spürbar. Die trostlos wirkenden Eindrücke vom schneebedeckten Mailand etablieren gleich zu Beginn eine durchaus faszinierende Grundstimmung. Ungewöhnliche Kamerawinkel, gefühlvolle Kamerafahrten und eine kühle, oft sehr stark dramatisierend wirkende Lichtsetzung leisten im weiteren Verlauf ebenso ihren Beitrag dazu. Und eine Liebesszene im Freien wird dann auch schon mal mit zahlreichen Detailaufnahmen von Pflanzen und Tieren unterschnitten und so auf mehrere Minuten ausgedehnt. Ja, die eigene Handschrift von Regisseur Guadagnino ist nun wirklich unübersehbar.
Das Problem an dem Ganzen ist aber, dass der Effekt dieser Inszenierung mit zunehmender Dauer immer mehr verpufft. Denn die große Schwäche des Films ist, dass für diese emotionale Inszenierung die Geschichte keinerlei emotionale Basis bietet. Anders formuliert: Wenn weder die Geschichte noch ihre Figuren auch nur irgendein Grundinteresse beim Zuschauer wecken können, dann kämpft auch die beste Inszenierung vergebens um deren Aufmerksamkeit. Was Guadagnino uns nämlich hier in Punkto Story und Figurenentwicklung bietet, ist nicht einfach nur uninteressant, sondern geradezu ärgerlich.
Für eine gewisse Zeit mag man ihm noch verzeihen, dass die Ausgangskonstruktion ganz enorm nach Rosamunde Pilcher riecht. Frau aus anderer Kultur heiratet reichen Firmenpatriarchen, ist dann aber trotz Reichtums todunglücklich, nur um ihr Glück dann bei einem armen Schlucker zu finden, dessen Kochkünste sie verzaubern. Im weiteren Verlauf des Films bombardiert man uns dann mit derart vielen weiteren Klischees, dass man sich schon arg beherrschen muss um nicht ständig in Richtung Ausgang zu schauen.
So hat unser jugendlicher Antonio natürlich einen unglaublich süßen Hund und natürlich macht Emma beim Verheimlichen der Affäre einen ganz offensichtlichen und plumpen Fehler, der sich später rächen wird. Oder wie wäre es mit vollkommen platten Nebengeschichten direkt aus der Soap-Fabrik? Emmas Sohn Edoardo ist Miterbe des Firmenimperiums und möchte die Firma, im Gegensatz zu seinem Vater, nicht für viel Geld verkaufen, da er gerne die Tradition der Firma wahren will. Ein komplett sinnloser und platt umgesetzter Handlungsstrang, der lediglich noch einmal die Skrupellosigkeit von Emmas Mann hervorhebt. Dann taucht auf einmal Emmas Tochter Elisabetta auf und beichtet ihrer Mutter, dass sie lesbisch ist. Das hat keinerlei großen Einfluss auf die Handlung, aber das nächste Klischee ist abgehakt. Und wenn man glaubt es kann nicht mehr schlimmer kommen, gibt es kurz vor Schluss auch noch den für ein Melodrama obligatorischen dramatischen Todesfall. Da ruhig sitzen zu bleiben ist wirklich eine Kunst, da die Art und Weise, wie dieser passiert, wirklich lächerlich konstruiert und auch noch unglaublich schlampig inszeniert wirkt.
All das wird auch noch dadurch verschlimmert, dass man so gut wie nichts über das Innenleben der Figuren erfährt. Viele Dialoge sind oberflächlich und schablonenhaft und versuchen mit dem Holzhammer die Figuren zu charakterisieren. Die Hauptaufgabe der Schauspieler ist währenddessen, möglichst bedeutungsschwanger in die Kamera zu schauen oder möglichst theatralische Gesten in Richtung Kamera zu schleudern. Den Schauspielern hier einen Vorwurf zu machen ist schwierig, denn für die lausigen Dialoge ist das Drehbuch verantwortlich und die sehr theatralische Darstellungsweise dürfte von Herrn Guadagnino so verlangt worden sein. Tilda Swinton zieht sich noch am Besten aus der Affäre, wobei selbst das schlechteste Drehbuch ihrer naturgegebenen starken Leinwandpräsenz wohl nichts anhaben könnte.

Überdramatisierung, davon hat "I am love" leider mehr als genug und dafür gibt es kein besseres Beispiel als den Soundtrack des Films. Geradezu bombastisch werden da manche Szenen von der Musik nicht untermalt, sondern geradezu überschüttet. Richard Wagner hätte vielleicht seine Freude daran gehabt, dem Film bricht dies aber erst recht das Rückgrat. Denn die überbordende Musik zieht manche Szenen vollkommen ins Lächerliche und erreicht damit genau das Gegenteil der eigentlichen Absicht.
Genau hier liegt die Krux des Films. Bei einer Geschichte, die mehr emotionale Tiefe und wirklich interessante Figuren bietet, hätte diese Musik und die dramatisierende Inszenierung den Film vielleicht in Richtung Meisterwerk katapultiert. Weil man aber weder die Geschichte noch die Figuren wirklich ernst nehmen kann, macht der übertriebene Rahmen, in dem das Ganze präsentiert wird, alles nur noch schlimmer.

Natürlich kann man fasziniert sein von der überbordenden Bildersprache und Musik von "I am love", doch dafür zwei Stunden lang mit klischeehaftem Melodrama, grausamen Dialogen und leblosen Figuren gefoltert zu werden, ist schon ein wirklich sehr hoher Preis. Wie formulierte ein gewisser Engländer doch einmal treffend: Viel Lärm um nichts.

Bilder: Copyright

Das ist ja mal wirklich urkomisch !!! Cinema titelt bei diesem Film, das dies einer der besten der letzten Jahre sei, überhaupt hier ein wirkliches Meisterwerk geschaffen sei und Filmszene gibt nur 3 Punkte....also irgendeiner hat hier mal absolut keine Ahnung oder kapiert das Genre nicht ! Fragt sich nur, wer :) !

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Hallelujah Filmszene.de! Arthouse-Kunst wie "I am Love" bekommt drei Augen und "Filme" wie "Jackass 3-D" sieben Augen. Muss man das verstehen? Ist das einzige Einstellungskriterium für eure Autoren, dass sie gegen den Strom schreiben?

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@ John Doe
Die Bewertungen von Arthouse-Kunst mit der Bewertung von Jackass zu vergleichen ist wie ABS mit Joghurt zu vergleichen. Wer in Jackass geht wird nicht in "I am love" gehen und umgekehrt. Dass heißt aber nicht, dass diese Leute nicht wissen möchten ob der jeweilige Film für das Genre gut umgesetzt ist.
Ich bin mit FILMSZENE sehr zufrieden. Man muss halt nur wissen wie man die Rezensionen lesen bzw. interpretieren muss...

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lasst sie doch schreiben, müsst ja nicht alles glauben. wenigstens ist die Seite nicht so runtergekommen wie filmstarts.de

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