Zerrissene Umarmungen

Originaltitel
Los Abrazos Rotos
Land
Jahr
2009
Laufzeit
128 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Simon Staake / 31. Mai 2010

Komische Sache, das. Da hat Kritikerliebling Pedro Almodovar, der ja auch eine durchaus beträchtliche Fangemeinde sein Eigen nennt, für seinen Film nicht nur das höchste Budget aller Zeiten zur Verfügung, er dreht auch wieder mit seiner neuen Muse Penélope Cruz - und dann: wenig. Man durfte gespannt sein und war vielleicht zu gespannt, denn als "Zerrissene Umarmungen" schließlich in Cannes vorgestellt wurde, war die Reaktion eher verhalten. Viele waren leise enttäuscht von einem Almodovar, der okay sei, aber nicht mehr.
Warum eigentlich? "Zerrissene Umarmungen" hat doch alles, was man vom Meister erwartet, und mehr. Zwar ist er vielleicht kein Meisterwerk, ein souveräner Beitrag in der gewohnten Klasse ist es aber allemal. Einigen fehlt vielleicht die emotionale Direktheit des Vorgängers "Volver", aber dafür wird hier auch der Intellekt gekitzelt. Als ein Puzzle aus Querverweisen aufs eigene Werk und das von ihm bewunderter Regisseure ist "Zerrissene Umarmungen" aufgebaut. Ein Metawerk - nicht weniger soll es hier sein, in dem Almodovar über das Filmschaffen selbst nachdenkt, dabei aber genug Zeit und Raum für seine üblichen Passionen - starke Frauencharaktere, schwule Nebenfiguren, zu enthüllende Geheimnisse, zu entwirrende Familienverhältnisse - hat.

Man muss dabei kein Cineast mit fundierten Kenntnissen der Filmgeschichte sein, um "Zerrissene Umarmungen" zu genießen, aber es hilft. Elegant baut Almodovar dutzende visueller Referenzen an alle möglichen Filme ein - vom italienischen Neorealismus über Nicholas Ray, von "Augen der Angst" bis hin zu (natürlich!) Alfred Hitchcock. Anders als beispielsweise bei einem Herrn Tarantino wirkt das nie aufgesetzt, angeberisch oder selbstzweckhaft, sondern ist nur eine Facette eines wieder mal bunten Straußes an Emotionen, Geheimnissen und Obsessionen, ein Ausdruck der Freude an den Möglichkeiten des Mediums Film selbst.
"Zerrissene Umarmungen" umkreist dabei die typischen Pole des Almodovar-Universums, und wer den Regisseur kennt, der wird sich auch hier schnell rein finden. Es gibt aber hier noch genug Überraschungen zu entdecken, weswegen eine handelsübliche Inhaltsangabe hier so knapp wie möglich gehalten werden soll. Daher sei also nur gesagt, dass wir am Anfang der Geschichte dem älteren blinden Drehbuchautoren Harry Caine (Lluis Homar) begegnen, der nach dem Besuch eines mysteriösen jungen Mannes seine Vergangenheit konfrontieren muss - und die Erinnerung an eine Frau, Lena (Penélope Cruz).

Besonders der Aufbau der Geschichte ist dabei brillant, denn erst versucht man zu entschlüsseln, wie die parallel montierte Geschichte um Lena und Martell (José Luis Gomez) mit der von Harry Caine zusammengehört, und dann - als dieser Teil absehbar ist - wie Harry Caine erblindete und zu dem wurde, der er jetzt ist. Geschickt spielt "Zerrissene Umarmungen" dabei mit Vorahnungen und Hinweisen, die dem Geschehen einen ständigen Unterton der Bedrohung geben.
Dieser Ton hat vielleicht dazu geführt, dass manch Kritiker den Film als Film Noir-Hommage gelesen hat, was eher so halb stimmt. Das Film Noir-Univerum ist nur eines der vielen Fragmente, die Almodovar hier geschickt zu einem funkelnden Ganzen zusammenfügt. Mindestens ebenso stark ist - wieder einmal - der Einfluss des Melodrams, denn mit seiner Geschichte um geheime Liebe und obsessive Leidenschaft, um Trauer, Heilung und Vergebung kann er quasi nur dort landen. Auch als Quasi-Krimi funktioniert "Zerrissene Umarmungen" aufgrund der ständigen Erwartung, es könne den Protagonisten etwas Schlimmes zustoßen, durchaus. Dieser Film ist von allem ein bisschen, aber eben nicht von allem zu wenig, sondern genau richtig dosiert.
So spielt etwa auch der typisch absurde Humor Almodovars eine durchaus beträchtliche Rolle, wenn etwa zu Beginn des Films ein Schäferstündchen Harrys von der Kamera über den Rand einer alten Couch gedreht wird und man nur immer mal wieder Teile von Harrys rauf- und runterwippendem Körper sieht; oder in den Szenen, mit der von Martell engagierten Lippenleserin, die vollkommen emotionslos dramatische Liebesschwüre vorträgt; und ganz besonders in der Szene, in der Diego (Tamar Novas) und Harry ein wildes Vampirfilm-Skript zusammenfabulieren.
Und der rote Faden, so man denn einen braucht, ist die Liebe zum künstlerischen Ausdruck selbst, die Matteo und Lena ebenso verbindet wie Almodovar und (hoffentlich) seine Zuschauer. Wenn Almodovar dann Matteo den Film "Frauen und Koffer" drehen lässt und dieser ein wenig verhohlenes Abbild seines eigenen Durchbruchs "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" darstellt, schließt sich der Kreis und Almodovars Abhandlung über die Magie des Kinos und seine heilende Wirkung. Passenderweise lässt Almodovar dann der auch diesmal wieder die Leinwand erstrahlen lassende Penélope Cruz die letzten Minuten mit seinem Film-im-Film, denn es ist wiederum seine Muse, die hier zeigt, dass sie nirgendwo besser aufgehoben ist als bei ihm. Auch Lluis Homar und Blanca Portillo sind ja mittlerweile sowas wie Stammschauspieler Almodovars und machen ihre Sache ausgesprochen gut.

Wieviel Freude man an "Zerrissene Umarmungen" hat, hängt demnach auch von der Erwartungshaltung ab. Wer eine gradlinige Story sucht und wen die Parade von visuellen und inhaltlichen Referenzen, die man eben auch entziffern muss, nervt, der wird hier wohl nicht glücklich werden. Wer sich aber auf Almodovars Vexierspiel einlässt, kann unmöglich enttäuscht werden, denn mit ungemeiner Souveränität und Eleganz lässt der Meister diesen erneut exzellent fotografierten und ausgestatteten Streifen zu einem würdigen Nachfolger von "Volver" werden. Almodovar-Anfängern sei trotzdem erst mal jener Film oder "Sprich mit Ihr" empfohlen, Fortgeschrittene dürfen hier dagegen bedenkenlos zuschlagen.

Bilder: Copyright

5
5/10

tut mir leid aber ich fand diesen film einfach viel zu lang und dadurch teilweise nervtötend. die vielen guten einfälle und tollen bilder werden durch die langatmige (nicht langsame) erzählweise total vermurkst. almodovar bleibt bei seinem stil hat aber leider nicht viel zu sagen und dehnt das auf 2 stunden aus. hätte lieber den film im film gesehen.

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8
8/10

Für mich der beste Almodovar seit Jahren. Nicht immer ganz rund aber durchgehend spannend und wunderschön anzusehen, voller Parallelen und Referenzen auf frühere Werke und dennoch immer wieder mit überraschenden Wendungen und witzigen Einfällen. Für Fans des Meisters ohnehin ein Muss.

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9
9/10

ALMODOVAR feiert tatsächlich das kino. vielleich gerade jetzt, da es immer weniger etwas zu feiern gibt. gleichzeitig ist der film bezaubernd. nicht nur durch die herrlichen bildkompositionen (ein paar allein am strand) sondern auch durch penelope cruz, die so irreal daherkommt, wie noch nie. für alle die das pendant zu frauen und koffer wollen : frauen am rande des nervenzusammenbruchs.
ein almodovar muss, weil er reifer und weniger spanisch ist, als seine anderen.

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