Meeresfrüchte

Originaltitel
Crustacés et coquillages
Land
Jahr
2004
Laufzeit
90 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Margarete Prowe / 5. März 2011

Mit "Meeresfrüchte" kommt der bis jetzt sommerlichste Film dieses Jahres in unsere heimischen Kinos, und erfreut als munterer Reigen mit Chanson-Einlagen ein Publikum, das sich wie Gott in Frankreich fühlen kann. Sommer, Strand, sexuelle Selbstfindung und eine kunterbunte Familie, in der alle mal lustige und peinliche Momente erleben, sind feine Zutaten für leichtes französisches Entertainment - das sich selbst jedoch ein wenig zu wichtig nimmt.

Marc (Gilbert Melki, Momos Vater aus "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran") fährt mit seiner hübschen Frau Béatrix (Valeria Bruni-Tedeschi), Tochter Laura (Sabrina Seyveou) und Sohn Charly (Romain Torres) nach Südfrankreich in das Haus, in dem er das letzte Mal vor etwa zwanzig Jahren Urlaub gemacht hat, um nun die Sommerferien entspannt mit dem Schlemmen feinster Meeresfrüchte zu verbringen. Doch dieser kuschelige Familienurlaub verläuft anders als geplant. Die Tochter setzt sich im Eiltempo mit ihrem Biker-Freund nach Portugal ab und Sohn Charly erhält Besuch von seinem besten Kumpel Martin (Èdouard Collin), was die Eltern darüber spekulieren lässt, ob ihr Sohn vielleicht schwul sei. Als dann noch der Geliebte der Mutter anreist und eine alte Bekanntschaft des Vaters, der Klempner Didier (Jean-Marc Barr) auftaucht, beginnt das Chaos mit all seinen Verstrickungen und Missverständnissen.

"Meeresfrüchte" ist der vierte Film des Gespannes Ducastel und Martineau, die beide große Fans des französischen Regisseurs Eric Rohmer (z.B. "Pauline am Strand") sind - einer der Gründerväter der französischen Nouvelle Vague der 60er Jahre, der mit klaren Leitlinien und präziser Farben- und Bildersprache glänzte, und dessen Inszenierungsspiel Ducastel und Martineau in ihren Werken huldigen. Die beiden Regisseure lernten sich 1995 kennen und brachten seitdem untypische Filme über Homosexualität und Aids auf die Leinwand ("Jeanne et le garçon formidable", "Felix", "Mein wahres Leben in der Provinz"). Das Duo vermischt dabei ernste Thematik mit Witz und Humor und wandert dabei natürlich auf einem schmalen Grat.
"Meeresfrüchte" reiht sich hier nahtlos ein als Film, der Selbstfindung, sexuelle Identität und Pubertätsprobleme in ein Gerüst aus Chansons und rhythmischen, witzigen Dialogen einbaut - was an manchen Stellen jedoch etwas zu gewollt und moralisierend erscheint. Dass jeder nach seiner Façon glücklich werden sollte, ist keine wirklich neue Idee, die auch noch mit klischeehaften Figurenhintergründen kombiniert wird (der wilde Bikerfreund der Tochter, der schwule Klempner und die Mutter niederländischer Herkunft, die dadurch automatisch völlig liberal und sexuell befreit ist).
Dass solche Figuren trotzdem im Gedächtnis bleiben, liegt besonders an den schauspielerischen Leistungen von Valeria Bruni-Tedeschi (zuletzt zu sehen in "5x2" von François Ozon) und dem unglaublichen Jean-Marc Barr, international bekannt aus Luc Bessons "Im Rausch der Tiefe", der sich nach seinem großen Durchbruch von der plötzlichen Berühmtheit geschockt ans Theater zurückzog und erst vom hartnäckigen dänischen Regisseur Lars von Trier wieder vor die Kamera gebracht werden konnte.

Wer also Realismus sucht, ist in "Meeresfrüchte" nicht gut aufgehoben. Schamlos und vor allem scheinbar unbeachtet fallen Mutter und Geliebter unterm ersten Baum am Bahnhof, vor der Haustür und am Strand nackert übereinander her. Dass der Vater hingegen eine Erektion bekommt, als er seinen Sohn und dessen Kumpel beim Baden beobachtet, wäre wirklich nicht nötig gewesen. Das Ende setzt hier aber allem noch die Krone auf und löst Kitsch-Alarm aus.

Auf der anderen Seite muss dieser Film dafür gelobt werden, dass er sich mit seinem Humor nicht auf "American Pie"-Niveau begibt, sondern auf witzig-einfühlsame Weise ein Gefühl davon vermittelt, wie schwierig sich das Sexleben darstellen kann. Es werden jedoch manchmal Stilmittel so oft wiederholt, dass sie sich abnutzen. Da wird hundertfach mit Türen geknallt, jeder zur Abkühlung unter die Dusche gestellt und die titelgebenden Meeresfrüchte an jeder Ecke wieder hervorgeholt. Gleichzeitig jedoch versöhnen die wunderbaren Schauspieler, Chansons und Bilder den Zuschauer genug, um den Film als gelungenes Entertainment zu empfinden.

So ist "Meeresfrüchte" am Ende ein hübsches Sommerfilmchen geworden, bei dem man manchmal fast das Meer und die Schalentiere auf der Zunge schmeckt, aber doch ein Beigeschmack von moralischer Vereinfachung das Schmankerl ein wenig verderben kann. Eine aphrodisierende Wirkung wird Austern ja gern nachgesagt -ob diese tatsächlich beim Zuschauer anschlägt, kann jeder hier selbst herausfinden.


2
2/10

Meeresfrüchte

Es geht nur um das Eine und das 90 Minuten lang. Die meisten Aktivitäten dieses Films beschreibt man eher mit dem Verb aus der Wortfamilie unserer singenden, gefiederten Freunde. Und dabei geht es homo- und heterosexuell zu, alt, jung, drinnen und draußen. Das einzig bemerkenswerte ist das vorhersehbare Coming-out, vom Vater zweier erwachsener Kinder.
Die Handlung ist schicht und spannungsarm: eine vierköpfigen Familie macht Urlaub am Meer. Die Dialoge sind flach, die Schauspieler allen voran Valeria Bruni-Tedeschi geben sich Mühe. Aber sonst?! Und weil den beiden Regisseuren und Drehbuchautoren nichts mehr einfiel, müssen die Akteure am Ende völlig losgelöst und sinnfrei unter Lichterketten im Kreise Ringelreihen tanzen. Schade für die vertane Zeit.

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