Nachdem der letzte Spider-Man-Film bei Kritik und Publikum unglaublich gut ankam sind die Erwartungen für den inhaltlichen Nachfolger „Doctor Strange and the Multiverse of Madness“ noch einmal gestiegen. Schließlich war Benedict Cumberbatch in seiner neuen Paraderolle ebenfalls ein elementarer Bestandteil von „No Way Home“ und zudem wurde dort das Spiel mit dem Multiversum schließlich erst angeteasert, welches nun zur vollen Entfaltung kommen soll wie schon der Titel des Films deutlich macht. Doch derart enthusiastische Reaktionen dürften sich diesmal eher nicht einstellen, denn das von Altmeister Sam Raimi inszenierte Werk erweist sich als eine erstaunlich konventionelle und mitunter regelrecht ermüdende Aneinanderreihung von Kampfszenen und CGI-Effekten.
Zwar öffnete Doctor Strange gemeinsam mit Peter Parker die Tür zum Multiversum, doch mit dem, was nun auf ihn zukommt, haben diese Ereignisse nur indirekt zu tun. Denn was ihm hier inmitten der Hochzeitsfeier seiner Ex-Freundin Christine (Rachel McAdams) quasi vor die Füße fällt, ist die aktiv und bewusst zwischen den verschiedenen Universen umher wandernde America Chavez (Xochitll Gomez), die in einer anderen Realität von dem dortigen Doctor Strange verraten wurde und vor einer Macht flieht, die ihr mit aller Gewalt ihre besondere Fähigkeit nehmen möchte.
Trotz der schlechten Erfahrung fasst America schließlich Vertrauen zu „unserem“ Doctor Strange, der erkennt, dass es sich in diesem Fall weniger um Magie als um Hexerei handelt und daher diejenige aufsucht und um Hilfe bittet, die in diesem Metier zuhause ist: Das frühere Avengers-Mitglied Wanda Maximoff (Elisabeth Olsen), die allerdings erst vor kurzem ihre Macht missbrauchte, indem sie eine ganze Kleinstadt unter ihre geistige Kontrolle zwang.
Diese Ereignisse gab es in der ersten Marvel-Serie auf Disney+ zu sehen, womit hier also auch die Verzahnung des Spielfilm- und Serien-Universums voranschreitet. Wobei man „WandaVision“ nicht unbedingt gesehen haben muss um hier folgen zu können, das dortige Geschehen wird im Grunde in zwei Sätzen zusammengefasst und wiederholt sich zudem noch einmal, da die gebrochene Wanda auch jetzt wieder versucht sich das private Familienglück zurückzuholen, dass ihr aufgrund früherer Schicksalsschläge eben nicht mehr möglich ist.
Kurz nach dem Treffen von Magier und Hexe haben wir aber bereits drei große Schlachten gesehen. Und so wird das in kurzen Abständen auch die ganze Zeit weitergehen, denn dies ist der Marvel-Film, der sich so sehr auf bombastische Action und Effekte fixiert wie noch keiner zuvor.
Angesichts der allgemein verbreiteten Erkenntnis, dass sich der Erfolg des MCU doch vor allem auch darauf stützt, dass diese Filme eben nicht nur reine Materialschlachten sind, sondern noch mehr von ihren gut gezeichneten Figuren zehren, von deren Interaktion untereinander, packenden Emotionen und dem stets präsenten Humor, der für eine entsprechende Leichtigkeit sorgt – ja, angesichts all dessen muss man sich schon etwas wundern, dass man nun auf recht viele dieser Bestandteile der Erfolgsformel einfach verzichtet. Und sich zwangsläufig fragen ob denn ein Sam Raimi tatsächlich der richtige für diese Aufgabe war.
Raimi hat sich in der Marvel-Welt mit seiner Spider-Man-Trilogie einst zweifellos große Meriten erworben, scheint seine Rückkehr ins Superhelden-Genre aber nun eher nutzen zu wollen um seine eigentlichen Wurzeln wieder aufleben zu lassen, die ja eher im Horror-Genre liegen. Und so ist seine Multiversum-Welt nun von Zombies bevölkert und bei den Schlachten in Tempeln und Palästen kommt man sich zeitweise vor wie bei einem Remake von „Army of Darkness“ mit deutlich besserer Tricktechnik.
Es gibt zu Beginn der Reise ins Multiversum eine fantastische Sequenz, in der Strange und America durch ein ganzes Dutzend Welten purzeln, die stets nur wenige Sekunden zu sehen sind. Doch allein in diesen kurzen Eindrücken deutet sich eine bunte Vielfalt von Möglichkeiten (inklusive einer komplett animierten Welt) an, die im restlichen Film leider so gut wie gar nicht genutzt wird, da man sich eben auf Raimis Horror-Variante beschränkt. Ein Konstrukt, in dem Bendict Cumberbatch zudem meist die Ansprechpartner und Gegenspieler fehlen, um seine köstliche Arroganz und lässigen Oneliner auszuspielen. Mit einem Hauptbösewicht, dessen Motive derart egoistisch und unangemessen sind, dass man im Grunde auch keine Enpathie mehr aufbringen kann, obwohl auch das sonst ja durchaus eine Stärke der Antagonisten bei Marvel ist.
Und so macht dann die Sequenz am meisten Freude, in der die „Illuminati“ vorgestellt werden, eine in der Parallelwelt agierende Gruppe von Superhelden, die sowohl einige dem Comic-Leser bekannte Namen als auch einige bemerkenswerte Darsteller beinhaltet. Eine Parade der Anspielungen, die man an sich für ihren massiven Fanservice auch kritisieren könnte, zumal sie nichts von bleibendem Wert bietet. Inmitten des pompösen Gekröses aus Zombies und Dämonen stellen diese Momente aber tatsächlich eine echte Labsal und amüsante Erholung dar.
Es bleibt natürlich letztlich ein Stück weit eine Geschmacksfrage, ob einem das nicht doch recht gut gefällt und man sich gut genug unterhalten fühlt mit der erwähnten Material- und CGI-Schlacht, denn selbstverständlich lässt sich die Produktion nicht lumpen und fährt fürs Auge ordentlich auf. Doch wer die Marvel-Filme immer gern gegen die Kritik verteidigt hat, sie seien so gleichförmig und simpel, und darauf hinwies, dass in Wahrheit doch viel mehr drin steckt – dem fehlen beim „Multiverse of Madness“ nun leider ein wenig die Argumente.
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