The Big Short

Originaltitel
The Big Short
Land
Jahr
2015
Laufzeit
130 min
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 27. November 2015

Adam McKay? Dieser Name löst hier erstmal ziemliche Verwunderung aus. Da kommt ein groß angelegtes Drama um die wahnwitzige Entstehung der Weltfinanzkrise von 2008 daher, gespickt mit namhaften Stars und auch angesichts seines Starttermins klar positioniert, um im Rennen um diverse Filmpreise im Laufe der diesjährigen Oscar-Saison mitzumischen. Und der hauptverantwortliche Mann hinter diesem Projekt ist... Adam McKay?! Der bislang nur in kreativer Paarung mit Will Ferrell in Erscheinung getreten ist, als Autor und Regisseur Klamauk-Komödien wie "Ricky Bobby - König der Rennfahrer" oder den in den USA Kultstatus genießenden "Anchorman - Die Legende von Ron Burgundy" verantwortete und entsprechend noch nie etwas produziert hat, was auch nur in die Nähe von Ernsthaftigkeit kommen wollte. Und dieser Herr will sich nun anschicken, uns die Weltfinanzkrise näherzubringen? 

The Big ShortDas will er, und zwar aus gutem Grund: Er ist mächtig angepisst. Darüber, dass sich an den Grundstrukturen, welche die Katastrophe heraufbeschworen, eigentlich kaum etwas geändert hat. Darüber dass es noch immer eine Riesenschweinerei ist, dass die hauptschuldigen Institutionen im Prinzip ungeschoren davon kamen und nun munter dabei sind, denselben Mist noch einmal zu verursachen. Und darüber, dass die Gesellschaft im Allgemeinen zu bequem und eingelullt ist, um genau hinzusehen, was passiert ist und sich angemessen dagegen aufzulehnen. Und damit ein paar mehr Leute endlich kapieren, was damals wirklich gelaufen ist, hat McKay einen Film darüber gemacht. 

Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Michael Lewis macht McKay ein paar kluge Köpfe der Finanzwelt zu seinen Helden, die im Gegensatz zum gesamten Rest der Wirtschaftswelt die Augen nicht vor der Realität verschlossen, sondern den Zusammenbruch des amerikanischen Hypothekenmarkts, der die gesamte Weltfinanzkrise auslösen sollte, kommen sahen. Und so zu den sehr wenigen Menschen gehörten, die durch diese Krise sehr reich geworden sind. Menschen wie Michael Burry (Christian Bale), ein fast schon autistisch veranlagter Super-Nerd von einem Fonds-Manager, der unfähig zu normalem Sozialleben ist, aber ein derart brillanter Finanzanalytiker, dass er Art und Zeitpunkt der Katastrophe haargenau voraussagen konnte. Seine Prophezeiung (und die darauf aufbauenden Wetten gegen ein vermeintlich unerschütterliches Finanzsystem) zieht ihre Kreise, doch nur wenige begreifen, wie richtig Burrys Analyse tatsächlich liegt. Darunter: Der bei der Deutschen Bank an der Wall Street arbeitende Analyst Jared Vennett (Ryan Gosling), der zutiefst desillusionierte Hedgefonds-Manager Mark Baum (Steve Carell), sowie die Nachwuchs-Finanzjongleure Jamie Shipley und Charlie Geller (Finn Wittrock und John Magaro), die mithilfe des Finanzmarkt-Aussteigers Ben Rickert (Co-Produzent Brad Pitt) versuchen, ebenfalls aus dem drohenden Untergang Kapital zu schlagen. 

The Big ShortMcKay hat sich mit diesem Film ziemlich hohe Ziele gesetzt. Er will seinem Publikum die Hintergründe einer Finanzkrise erklären, über die gemeinhin der Eindruck kursiert, sie wäre in ihrer Entstehung so komplex gewesen, dass selbst Fachmänner es nicht richtig erklären können. Und er will dabei möglichst gut unterhalten, wohl wissend, dass die meisten Leute bei so einem schwierigen und komplizierten Thema innerlich ganz schnell abschalten. Es gibt hier entsprechend so einiges zu lachen, denn McKay tut was er kann, um das potenziell dröge Thema abwechslungs- und temporeich aufzubereiten und zentrale Aspekte in möglichst amüsanter Verpackung zu erläutern. So wählt er zum Beispiel einen ziemlich überraschenden und unterhaltsamen Weg, um seinen Zuschauern einige Kernbegriffe der Krise wie "Subprime" oder "Collaterized Debt Obligation" zu erklären. Ohne den Gag vorweg zu nehmen, sei nur soviel gesagt: Es ist eine von vielen Gelegenheiten, in denen der Film die "vierte Wand" durchbricht und direkt zu seinen Zuschauern spricht. Das bietet Gelegenheit für weitere Lacher, wie wenn der Film auf seine eigene Konstruiertheit aufmerksam macht an Stellen, wo aus Gründen der filmischen Dramatisierung ein Ereignis anders dargestellt wird, als es in der wahren Geschichte tatsächlich passiert ist. All dies ist aber auch Zeugnis der zentralen Bemühung des Films: "The Big Short" tut alles, damit seine Zuschauer nicht von der Spur abkommen, sondern zu jedem Zeitpunkt begreifen, was vor sich ging und dass sich hinter all dem vermeintlich komplizierten Fachjargon ein paar ziemlich simple Wahrheiten verbargen: Hier wurde auf jeder Ebene Scheiße immer wieder in neues Goldpapier verpackt, um sie weiter verkaufen zu können. Und alle haben mitgemacht.

The Big ShortBei all seinen lobenswerten Absichten, den Zuschauern die Augen zu öffnen und in rechtschaffene Empörung zu versetzen durch eine unterhaltsame Lehrstunde zum Thema Weltfinanzkrise leidet "The Big Short" als Film jedoch auch unter den Beschränkungen und Problemen, die diese Absichten mit sich bringen. Er will so komisch wie möglich sein, ohne in Klamauk zu verfallen, hat angesichts seines Themas aber nur bedingt Möglichkeiten für Humor, und der Witz der dramatischen Ironie, dass man als Zuschauer genau weiß, wie die Sache am Ende ausgehen wird, während die Protagonisten für ihre Weltuntergangswarnungen immer wieder ausgelacht werden, trägt auch nur für gewisse Zeit. Dieser sattsam bekannte Ausgang der Geschichte ist auch ein gehöriges dramaturgisches Problem für den Mittelteil des Films. Vorne wird die Lage analysiert und alle Wetten auf den Weltuntergang platziert, hinten tritt der Systemabsturz endlich ein, doch dazwischen muss ja auch noch irgendwas erzählt werden. Die Probleme und Sorgen, mit denen man sich auf den verschiedenen Handlungssträngen herumschlägt, scheinen angesichts des großen Ganzen und des bekannten Ausgangs aber ziemlich irrelevant und sorgen unvermeidlich für einige Längen. Und auch wenn es nun mal (so ungefähr) die Wahrheit ist, was der Film hier erzählt - dramaturgisch ist es wenig hilfreich, dass sich die Wege der verschiedenen Protagonisten nie überschneiden und z.B. Christian Bale als Michael Burry gefühlt nie sein Büro verlässt oder überhaupt von der Existenz der anderen "Helden" dieser Geschichte erfährt.

The Big ShortLetztlich wird man den Eindruck nicht los, dass dieses ganze Ding eine Nummer zu groß für McKays Fähigkeiten als Autor sowie als Regisseur ist. Er hat sich unverkennbar große Mühe gegeben und orientiert sich an den richtigen Vorbildern, um solch ein komplexes Thema in eine mitreißende Verpackung zu bekommen - vor allem die Einflüsse von Martin Scorsese sind unverkennbar, so wie McKay seinen Soundtrack mit Rockmusik spickt und mit der direkten Ansprache des Publikums spielt. Angesichts von Stil und Thematik fühlt man sich hier sicher nicht zufällig an den "Wolf of Wall Street" erinnert. Doch im Gegensatz zur unerschütterlichen handwerklichen Sicherheit eines Scorsese hat man bei "The Big Short" eher das Gefühl, als würde der ganze Aufbau gehörig wackeln, weil er auf keinem festen Fundament steht. Der Versuch, ein dialoglastiges und eher trockenes Finanzmarkt-Drama mitreißend und komisch zu machen, läuft permanent Gefahr, die eigentliche Absicht des Films zu untergraben und den wahren, hässlichen Ernst der Ereignisse zu verschleiern. 

Es ist McKays gerechtem Zorn und seiner passionierten Leidenschaft, vor allem aber auch den zum Teil grandios agierenden Darstellern (allen voran einmal mehr Christian Bale) zu verdanken, dass "The Big Short" dennoch halbwegs unversehrt das Ziel erreicht und am Ende schafft, was er schaffen wollte. Dieser Film möchte dich unterhalten, aber was er schlussendlich mehr will als alles andere ist, dass du wütend bist. Wütend und gewahr, dass das alles sehr bald noch einmal passieren könnte. 

Bilder: Copyright

Werter Herr Helmke, leider wieder einmal eine Rezension von Ihnen, in der Ihre Kritik sehr bemüht wirkt, so also hätten Sie eigentlich gar nichts Wirkliches gefunden, an dem man herummäkeln könnte. Sie sind offenbar mit einem festen (negativen) Bild des Regisseurs in die Vorführung gegangen und der konnte am Ende natürlich keinen (sehr) guten Film abliefern. By the way: Der von Ihnen angeführte großartige Martin Scorsese bekam von Ihnen für "Wolf of Wall Street" nur 5 Augen. Meinen Respekt aber, dass sie die Handlung (vermutlich sogar im englischen Original) so leicht durchschaut haben. Ich muss zugeben, selbst deutsch synchronisiert habe ich bei den ganzen Ausführungen rund um "Credit Default Swaps" etc. sicher nur die Hälfte verstanden.

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.