"Alda, wir machen jetzn Spiel. Wir rauchen jetzt das Teil hier, und wem als
erstes die Asche runnerfällt, weissu, der kriegt aufs Maul."
"Ey aber Alda weissu so - der kriegt dann aber RICHTIG eine aufs Maul!"
"Genau! Der kricht ann RICHTIG ein aufs Maul."
(,Kurz und Schmerzlos')
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Fatih Akin lebt in Hamburg und macht Filme. Fatih Akin ist Türke. Und der für viele hoffnungsvollste Vertreter des jungen deutschen Kinos. Oder des jungen türkischen, wie auch immer. Seine Milieustudie "Kurz und Schmerzlos" war ein kleines Meisterwerk. "Im Juli", der neue Akin, wird sich an diesem genialen Vorgänger messen lassen müssen.
Dabei ist "Im Juli" doch so anders: Eigentlich eine ganz simple Liebesgeschichte, ein Road-Movie. Die Story beginnt in Akins Hamburg: Daniel (Moritz Bleibtreu) ist ein spießiger Junglehrer - die Sorte unfähiger Referendar, wie ihn wohl jeder aus der Schulzeit kennt. Manchmal wirft aber den Menschen ein einziger Abend, eine einzige Nacht aus der Bahn, und so geht es auch Daniel: Seine Wege kreuzen sich mit denen von Melek (Idil Üner), einer feurigen Türkin - unser Referendar findet unvermittelt die Liebe seines Lebens. Dumm nur, daß Melek am nächsten Tag in die Türkei entschwindet. Daniel, schwer verschossen, muß sie wiedersehen und folgt ihr - wenn nötig, bis runter nach Istanbul. 2700 Kilometer schlägt er sich durch, gemeinsam mit der Tramperin Juli (Christiane Paul). Die wiederum findet Daniel toll, aber der denkt natürlich nur an Melek, seine ebenso mystische wie verreiste Traumfrau. Weil - sonst wär´s ja nicht spannend - auf dem Weg alles mögliche schief geht, landen die beiden nacheinander in diversen Schlägereien, in der Donau, in einer Verfolgungsjagd durch Budapest, im Knast ... Daniel bleibt schon recht bald nur noch die Verzweiflung und seine Erinnerung an Melek, während Juli in ihrer Zuneigung unbedingt bei ihm bleiben will.
Wer Fatih Akin kennt und mag, weiß, was dieser Dönerschmied des Kinofilms am besten kann: geniale Dialoge inszenieren. Die Worte, die er seinen Charakteren in den Mund legt, sind voller Leben. Was er offensichtlich nicht so gut beherrscht, ist die Darstellung von Romantischem. Denn in diesem Punkt ist "Im Juli" allenfalls mäßig: Besonders das erste Viertel des Films übersteuert den Kitschpegel deutlich. Als Entschuldigung zählt da auch nicht die märchenhafte Erzählweise, die Akin wählt: Türkische Liebes-Schmonzetten beim Lagerfeuer am Elbstrand mit Lenor-Weichzeichner, das hat einfach tabu zu sein.
Auch, wenn die Geschichte bei der Abfahrt aus Hamburg an Tempo gewinnt, bleibt dieses Steinchen doch bis zum Ende im Schuh - und bis Istanbul ist es ein weiter Weg zu Fuß.
Wie auch immer: Wo "Im Juli" Road Movie ist, wo gesprochen wird und Akins skurrile Charaktere Platz haben, da findet man die alten Stärken wieder. Die Szenen in einer Budapester Nachtbar oder in einem Truck-Stop in Österreich sind absolute Highlights. Und eine Szene überragt sie dann alle: Fatih Akins eigener kleiner Auftritt als rumänischer Grenzbeamter: "No Pasaport, no Romania". Sensationell.
Weitere Regieideen sind kleine, aber unschätzbare Ornamente in einem sonst eher soliden Film. Daniel und Juli, buchstäblich "high" - diese Inszenierung läßt sich nicht in Gold aufwiegen.
Bei all dem ist die Besetzung gelungen gewählt: Moritz Bleibtreu kann man die zurückgelegten Kilometer in jeder Szene vom Gesicht ablesen wie von einer Tachoscheibe, und "Kurz und Schmerzlos"-Koryphäen wie Mehmet Kurtulus (völlig genial) und Idil Üner tun ihr übriges. Einziger Schwachpunkt: Christiane Paul, eigentlich eine der besseren deutschen Darstellerinnen, schafft es bis zum Schluß nicht, als Juli Sympathiepunkte für sich zu sammeln. Und das ist gar nicht gut - Mensch, wenn der Film doch schon "Im Juli" heißt!
Alles in allem bleibt Fatih Akins neuer Film hinter den von "Kurz und Schmerzlos" hochgeschraubten Erwartungen zurück. Das ist schade für einen Streifen, in dem die Handschrift des Regisseurs selten, dann aber richtig aufblitzt, der als Road-Movie fantastisch ist, aber als Romanze versagt.
Trotz allem: Sehenswert ist "Im Juli" auf jeden Fall. Manches in diesem Film entschädigt für die zweifellos vorhandenen Schwächen. Für den, der ein Auge zudrückt, bleibt eine laaange Geschichte über das, was man alles für seine Liebe, eigentlich aber für sein eigenes Leben tut. Und diese Story erzählt man am besten auf dem Beifahrersitz einer alten S-Klasse, auf dem Weg zur türkischen Grenze.
Originaltitel
Im Juli
Land
Jahr
1999
Laufzeit
110 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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