Satiren haben es nicht leicht, von bleibender Relevanz zu sein. Widmen sie sich doch zumeist aktuellen Phänomenen ihrer Zeit, die spätestens mit den in groben Fünf-Jahres-Zyklen ablaufenden Trendwenden unserer Welt viel von ihrer Gültigkeit verloren haben. Dass sich "Network" bis heute als eine der herausragenden und bedeutendsten Satiren der Filmgeschichte gehalten hat, ist vor allem das Ergebnis seiner anhaltenden Gültigkeit: Auch ein Vierteljahrhundert nach Erscheinen hat die Quotenkrieg-Schreckensvision von Sidney Lumets Meilenstein nichts von ihrer Aktualität verloren, und hat sich gleichzeitig bereits als prophetischer Volltreffer erwiesen.
Vordergründig ist "Network" die Geschichte von Howard Beale, Nahrichten-Anchorman des (fiktiven) TV-Senders UBS. Einstmals der große Star des News-Himmels, sind Beales Quoten seit Jahren auf absteigendem Ast, und auch sein Alkoholismus hat die Entscheidung des Managements, ihn vor die Tür zu setzen, nicht gerade erschwert. Howards bester Freund, der Nachrichten-Chefredakteur Max Schumacher, überbringt ihm die schlechte Nachricht, dann lassen sich die beiden voll laufen. Auf dem Heimweg scherzen sie darüber, dass sich Howard live im Fernsehen umbringen könnte - und am nächsten Tag kündigt er in seiner Sendung genau das an. Die Sendeleitung ist entsetzt, doch Schumacher gönnt seinem Freund einen erneuten Auftritt, um sich würdiger zu verabschieden. Stattdessen schwadroniert Beale gegen Gott und die Welt, wie es das Fernsehen noch nicht erlebt hat - und wird zum neuen Quotenknüller. Die karrieregeile Programmchefin Diana Christensen (Faye Dunaway) wittert den Hit und profiliert Howard als "zornigen Propheten" des Fernsehens. Auf Geheiß der gewinnorientierten Sendeleitung wird ihr das Kommando über die defizitäre Nachrichtenabteilung übergeben, sie modelt also Schumachers Sendungen zu billigstem Sensations-TV um. Dennoch beginnen die beiden eine Affäre. Doch die als auch Howard Beales neue Karriere bleibt nur so lange problemlos, wie auch die Quoten steigen.
Bei seiner Veröffentlichung ein regelrechter Skandalfilm ob seiner pessimistischen Version des Nachrichtenwesens, hat sich die damalige Horrorvision von "Network" heute vielerorts verwirklicht: In vielen Nachrichtenredaktionen geht es nicht mehr um die Vermittlung von Wahrheit, sondern um Stories. Diana definiert die News in einer ihrer Ansprachen als "Showbusiness", und sieht man sich das News-Programm mancher Privatsender an, ist das eine sehr treffende Beschreibung. Die Nachrichtenredaktion als Dorn im Auge der Geschäftsabteilung ist als permanenter Kostenfaktor aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht tragbar - und wird deshalb profitabler gestaltet. Wenn Nachrichten zum Geschäft werden, wird nicht mehr gezeigt, was wichtig ist, sondern was Quote und Geld bringt - der seriöse Journalismus geht vor die Hunde (angesichts dessen, dass alle amerikanischen TV-Sender zu irgendwelchen Industriekonzernen gehören, können wir in Deutschland sehr froh sein über die Existenz von staatlichen Sendern, die gesetzlich geschützt und damit journalistisch unabhängig sind. Die wirtschaftlichen Bindungen der Ami-Sender haben deren investigativen Biss längst zahnlos werden lassen).
Das Verkommen seriöser Nachrichten zu Sensationsjournalismus hat "Network", auch wenn es beim Erscheinen noch kaum einer glauben wollte, korrekt prophezeit, visionär bleibt der Film, weil uns die geschilderte Eskalierung noch bevor steht: Was Diane Christensen für die Quote tut, durchbricht die letzten moralischen Grenzen heutiger TV-Journalisten, ihr Konzept der "Mao Tse Tung Stunde", wo sie einer kommunistischen Untergrundbewegung frei verfügbare Sendezeit für Propagandazwecke anbietet, solange sie allwöchentlich Videomaterial von einem echten Akt politischen Terrorismus liefern, ist da nur der Anfang.
Dass "Network" so erschreckend wirkt, liegt an dem - trotz aller gezielten Übertreibung - geschickt eingeflochtenen Realismus. So hatte den kürzesten Job bei der Produktion der Komponist - nämlich gar keinen. Abgesehen von Sender- und Show-Jingles gibt es in "Network" nicht einen einzigen Takt Musik zu hören, das vielleicht wichtigste Hilfsmittel zur Erzeugung von Emotionen beim Publikum fällt weg, und gerade das vermittelt ein vorgetäuschtes Gefühl von Wahrhaftigkeit. In seiner Sachlichkeit erscheint "Network" streckenweise fast dokumentarisch, gerade die Taktik-Besprechungen der Sendeleitung wirken in ihrem rationalen Kalkül beinahe wie aus dem Leben gegriffen, abgesehen eben von ihrem unfassbaren Thema.
Und noch etwas macht aus "Network" mehr als eine plakative Satire: Wie auf einer unabhängigen Ebene entspinnt sich der Subplot um die Affäre von Max Schumacher und Diane Christensen, ein Handlungsstrang, der auf jedwede Überzeichnung verzichtet, stattdessen hautnahes und echtes Drama liefert und Charakterzeichnungen von seltener Genauigkeit: Diane als die ultimative Karrierefrau, die längst sämtliche Anflüge von Ethik, Moral oder Gefühl für eine bessere Quote über Bord geworfen hat, und dementsprechend auch nur noch durch Erfolg zu Emotionen fähig ist (pausenlos übers Geschäft quatschend, besteht ihr Vorspiel mit Max darin, ihm von ihren tollen Deals zu berichten). Max als Journalist alter Schule, der den Zusammenbruch von allem, wofür er sein Leben lang gearbeitet hat, resigniert hinnehmen muss, und sich seiner späten Leidenschaft für Diane ergibt, obwohl er weiß, dass es ein sinnloses und verzweifeltes Unterfangen ist. Und Beatrice Straight als Max' Ehefrau, die zwar eigentlich nur eine einzige große Szene hat, hier jedoch ein emotionales Spektrum abdeckt von berechtigter, verzweifelter Wut auf ihren Gatten bis hin zu leisem Verständnis für diesen Mann, den sie schon viel zu lange und viel zu gut kennt, um ihm wirklich böse zu sein, weil sie genau weiß und hinnimmt, was in ihm vorgeht.
Beatrice Straight bekam für weniger als zehn Minuten Leinwandpräsenz den Oscar als beste Nebendarstellerin (und das verdient), noch kürzer zu sehen ist ihr Kollege Ned Beatty als UBS-Besitzer Arthur Jensen, der für eine ähnlich prägnante Darbietung eines unvergesslichen Monologs als bester Nebendarsteller nominiert wurde. Seine Hochpredigt auf puren Kapitalismus ist in ihrer Kraft geradezu schockierend, und die treffende Analyse, dass die Welt nicht mehr aus Nationen, sondern aus Konzernen besteht, der visionärste Moment in einem Film, der vor einem Vierteljahrhundert geradezu unverschämt radikale Behauptungen aufstellte, die heute alle wahr geworden sind. Tatsächlich sind die zahlreichen, ebenso genial geschriebenen wie gespielten Monologe das Herzstück von "Network", und auch der Grund, warum Howard Beale zu einer der markantesten Figuren der Filmgeschichte wurde. Obwohl sich die eigentliche Handlung des Films weniger um ihn als um die Machenschaften in seinem Rücken dreht, überstrahlen Beales ebenso wahnsinnige wie wahrhaftige Warnpredigten alles andere (weshalb auch Peter Finch den Oscar als bester Darsteller bekam, und nicht der ebenfalls nominierte William Holden). Obwohl klar ist, dass Beale im Moment seines berühmt gewordenen "I'm mad as hell, and I'm not gonna take this anymore"-Ausrasters bereits irre ist, kann man nicht anders, als seine manischen Vorträge ernst zu nehmen, weil er mit fast allem was er sagt, recht hat. Ein Prophet, in dessen Tradition auch Tyler Durden aus "Fight Club" steht, und gerade wer sich von diesem Film angesprochen fühlte, wird in "Network" viel ähnliches Gedankengut finden.
Ohne Zweifel einer der bestgeschriebenen und bestgespielten Filme der Geschichte (auch Autor Chayefsky und Faye Dunaway als beste Hauptdarstellerin erhielten den Oscar), wurde "Network" schließlich auch die zweifelhafte Ehrenkrönung jedes subversiven Meisterwerks zuteil, als die Trophäe für den besten Film der erzkonservativen Oscar-Akademie an Sylvester Stallones konformistische Aufsteiger-Mär "Rocky" ging (und somit auch die nicht weniger außergewöhnlichen "Taxi Driver" und "All the President's Men" in einem der besten Filmjahre der Geschichte außen vor blieben). Wer da besser gealtert ist, steht außer Frage: Während sich Stallone in vier zusehends dümmlicheren Fortsetzungen die Birne zu Brei schlagen ließ, reifte "Network" zu einem der herausragenden Werke pessimistischer Gesellschaftsanalyse, weil er recht behielt. Ein Film, dessen Qualität ebenso sehr fasziniert, wie sein Inhalt Angst macht. Auch heute noch. Und bis Leute anfangen, für gute Quoten tatsächlich über Leichen zu gehen, wird sich daran auch nichts ändern.
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