
Die Buchvorlage von „Ein ganzes halbes Jahr“ entwickelte sich auch in Deutschland zum Bestseller und seit diesem Erfolg findet sich mittlerweile jedes neue Werk der Autorin Jojo Moyes auf den vorderen Plätzen der Verkaufslisten. Obwohl sich die Geschichte vom ungleichen Paar, das sich trotz widriger Umstände einander annähert, auf den ersten Blick nicht von tausendfach ähnlich gestrickten Liebesgeschichten unterscheidet, gelang es der Schriftstellerin doch mit ihrer Art der Schilderung die vorwiegend weibliche Leserschaft zu bewegen. Umso erstaunlicher, dass Frau Moyes trotz persönlicher Mitwirkung als Drehbuchautorin der Filmadaption nicht verhindern konnte oder wollte, dass diese nun so arg uninspiriert daher kommt.
Da sie gerade (mal wieder) ihren Job verloren hat, ist die wenig ehrgeizige Louisa Clark (Emilia Clarke) heilfroh, als sie das Angebot bekommt als eine Art Hausmädchen im Anwesen der wohlhabenden Familie Traynor arbeiten zu können. Doch die Aufgabe erweist sich als schwieriger als gedacht, soll Louisa doch im Prinzip eine Art „Spielgefährte“ für den im Rollstuhl sitzenden Will Traynor (Sam Claflin) sein. Ihre Versuche, den nach einem Unfall fast vollständig Gelähmten aufzuheitern, scheitern jedoch zunächst auf ganzer Linie, denn Will hat für die unbeholfene junge Frau nur Spott übrig. Aber durch das tägliche Zusammensein bleibt es einfach nicht aus, dass man sich irgendwann besser kennenlernt und langsam findet Will schließlich Gefallen an der forsch und unbeirrbar weiter ihre Aufgabe erfüllenden Louisa. Sowohl seine Laune, als auch sein Lebenswille scheinen sich zu bessern, bis Louisa schließlich erfährt, warum ihre Stelle von vornherein nur auf sechs Monate begrenzt war.
Wird die aufrichtig liebende junge Frau ihren Auserwählten davor bewahren können eine fatale Entscheidung zu treffen? Und wird dieser schließlich erkennen, dass es sich für die wahre Liebe doch zu leben lohnt? Die Grundkonstellation von „Ein ganzes halbes Jahr“ ist an sich die einer Schmonzette auf Groschenheft-Niveau und könnte in dieser Form auch den Silvia-Roman Nr. 1483 füllen. Um damit hervorzustechen muss man so eine Story also schon mit etwas mehr anreichern. Und obwohl der Autor dieses Textes hier nicht vorgeben will, er hätte den Roman gelesen, so scheint das doch Joyo Moyes nach allem was man hört und liest in ihrem Werk gelungen zu sein.
Insbesondere das harte Los des unterhalb des Kopfes Gelähmten, dessen permanente körperliche Schwierigkeiten und Schmerzen werden darin jedenfalls ausführlich und seitenweise beschrieben und erzielten damit ganz offenbar eine entsprechende Wirkung. Der Will Traynor in diesem Hollywood-Film sieht jedoch nicht nur unverschämt gut aus und besitzt dazu ein entwaffnendes Lächeln, man bekommt auch nur noch am Rande etwas davon mit wie hart sich vor allem der physische Alltag für ihn gestaltet. Dass geht sogar so weit, dass man sich mittendrin plötzlich wundert, dass Will ja seine Arme gar nicht bewegen und damit Hände schütteln kann – wurde das doch bis dahin überhaupt nicht thematisiert.
Auch der Ablauf der Geschichte stammt aus dem Setzbaukasten für Romantik-Streifen, mit einem wohl austarierten Verhältnis von Drama und Komödie, bei dem Letztere das Erstere immer genau dann auflöst, wenn es droht allzu ernst zu werden. Vom Witz und der zeitweisen Anarchie eines „Ziemlich beste Freunde“, der im Prinzip eine ganz ähnliche Geschichte der Annäherung, nur halt ohne die Lovestory erzählt, ist hier jedenfalls nichts zu spüren. Dass „Ein ganzes halbes Jahr“ trotzdem noch halbwegs ungeschoren davonkommt verdankt der Film letztlich einzig und allein seinen beiden Hauptdarstellern. Denn trotz der mangelhaften Ausgestaltung seiner Figur durch das Drehbuch gelingt es Sam Claflin („Snow White & The Huntsman“, „Tribute von Panem“) in seiner ersten großen Kino-Hauptrolle eine starke Präsenz zu entwickeln und ihr Einiges an Charme zu verleihen. Noch überraschender gilt das auch für Emilia Clarke, eine Schauspielerin der man ja gelegentlich vorwirft nicht die Autorität und Ausstrahlung zu besitzen um ihre in der Popkultur mittlerweile äußerst bedeutende Figur der „Drachenmutter“ Daenerys Targaryen angemessen verkörpern zu können. Im Fach romantische Komödie sieht das aber ganz anders aus, denn hier erleben wir eine völlig andere Emilia Clarke, die mit schwer britischem Akzent, entwaffnender Natürlichkeit und einigem Witz verblüfft und es dem Betrachter schwer macht sie als Louisa nicht umgehend ins Herz zu schließen.
Somit liefert dieser Film also immerhin den Nachweis für das Talent einer bisher etwas unterschätzten Schauspielerin, bleibt ansonsten aber leider allzu sehr in den abgenutzten Konventionen des Genres stecken.
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