Picard - Staffel 3

von Matthias Kastl / 20. April 2023

So schön neue Ideen auch sind, die Kino- und Serienbranche hat schon vor langer Zeit begriffen, dass das Wiederaufleben von bereits publikumserprobten Marken und Figuren ein deutlich geringeres finanzielles Risiko birgt. In den letzten Jahren hat man allerdings ebenfalls eingesehen, dass ein kompletter Reboot Fans oft nur bedingt in Verzückung geraten läßt und im Extremfall sogar in puren Hass umschlagen kann (Stichwort "Ghostbusters"-Remake). Viel überzeugender läßt sich dagegen die Nostalgie-Karte ausspielen, wenn man für das Projekt die Originalschauspieler auch in ihren einstigen Rollen zurückholt – egal wie "in die Jahre gekommen" die Damen und Herren auch sind. Und so durften in den letzen Jahren sowohl im Kino ("Star Wars - Das Erwachen der Macht", "Ghostbusters: Legacy", "Jurassic World: Ein neues Zeitalter") als auch in Serien ("Cobra Kai", "Obi-Wan Kenobi", "And Just Like That”) so manche Schauspieler und Schauspielerinnen ihre alte Paraderolle wieder ausbuddeln.

Gerade im harten Kampf der wie Pilze aus dem Boden sprießenden Streaming-Anbieter gewinnt man so natürlich schnell die Aufmerksamkeit potentieller neuer Abonnenten. Für "Star Trek: Picard" sicherte sich Amazon Prime Video darum vor einiger Zeit die Dienste eines der wohl berühmtesten Serienhelden der späten 1980er und frühen 1990er Jahre. Knapp 30 Jahre nach dem Ende von "Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert" und gut 20 Jahre nach seinem letzten Auftritt in einem "Star Trek"-Kinofilm ("Star Trek: Nemesis") schlüpft Patrick Stewart für drei Staffeln wieder in die Rolle des legendären Raumschiffkapitäns Jean-Luc Picard. Dabei versuchte man anfangs weniger die Original-Serie zu kopieren und stattdessen lieber seinen eigenen Weg zu gehen. Eigentlich löblich, doch leider entpuppten sich die ersten beiden Staffeln als nur wenig überzeugend umgesetzte Ansammlung von Science-Fiction-Ideen und auch viele der neu eingeführten Figuren mochten nie so richtig emotional zünden. Mangels Cleverness und emotionaler Wärme auf dem Bildschirm stellte sich so, trotz zahlreicher Cameo-Auftritte alter Bekannter, nie wirklich die Faszination oder gar der Charme der Originalserie ein.


Für die dritte Staffel vollzieht man nun aber eine komplette Kehrtwende, stellt die Original-Crew in den Vordergrund und verwandelt viele Folgen in sentimentale Nostalgiefeste. Eine Entscheidung, die sich bei allem Verlust kreativer Eigenständigkeit am Ende doch als ziemlicher Glücksgriff entpuppt. Auch wenn die Story noch immer teilweise recht schlampig geschrieben daherkommt, dank der großartigen Chemie zwischen den alten Crewmitgliedern und vielen wirklich schön umgesetzten Liebeserklärungen an die alten Zeiten dürften sich gerade Fans der Original-Serie nun endlich emotional ordentlich abgeholt fühlen.

"Vertrauen Sie niemandem!" – diese mysteriöse Botschaft eines Notrufs ist der Startpunkt für die dritte Staffel von "Star Trek: Picard". Eigentlich hat der Empfänger der Botschaft, Admiral Jean-Luc Picard (Patrick Stewart, "X-Men", "Green Room"), nur wenig Lust sich in weitere Abenteuer zu stürzen. Doch da der Absender niemand geringeres als die alte Enterprise-Kollegin Dr. Beverly Crusher (Gates McFadden) ist, überlegt sich Picard das nicht zweimal. Gemeinsam mit seinem früheren ersten Offizier William Riker nutzt er einen Aufenthalt an Bord des Raumschiffs USS-Titan des ihm nicht gerade wohlgesinnten Captain Shaws (Todd Stashwick), um den Ursprung der Quelle zu finden. Schon bald stelle sich dabei heraus, dass Picard einer großen Verschwörung auf der Spur ist, bei der Beverlys Sohn Jack (Ed Speleers) eine große Rolle spielt. Dieser hat allerdings auch das Interesse der skrupellosen und mit einer scheinbar übermächtigen Waffe ausgestatteten Vadic (Amanda Plummer, "Seven Days to Live") geweckt. Klingt nach einer schier unlösbaren Aufgabe für den eigentlich im Ruhestand befindlichen Picard, doch glücklicherweise gibt es da noch einige weitere alte Bekannte, auf deren Hilfe er sich schon vor über 30 Jahren verlassen konnte.


Patrick Stewart hatte sich ja zu Beginn explizit gewünscht, dass "Star Trek: Picard" keine große Reunion der alten Crew, sondern eine komplett eigenständige Serie wird. Nach dem Unmut über die schlampig geschriebenen und uninspiriert umgesetzten ersten beiden Staffeln wurde dieser Vorsatz aber nun über Bord geworfen. Gleich zu Beginn der dritten und letzten Staffel werden die alten Zöpfe der Vorgängerstaffeln daher ziemlich abrupt abgeschnitten und auch im weiteren Verlauf viele der dort stattgefundenen Entwicklungen entweder komplett ignoriert oder teilweise sogar wieder rückgängig gemacht. Gleich geblieben ist allerdings der etwas düsterere Look der Serie, was sich vor allem in den dunklen Sets an Bord der Raumschiffe widerspiegelt. Das soll modern und cool wirken, wirft aber weiterhin eher die Frage auf, wie man dort arbeiten kann ohne nach spätestens einem Monat in Depressionen zu versinken.

Die Spezialeffekte sind dagegen ziemlich überzeugend gelungen, was bei dem etwas knappen Budget der Serie dann aber für Probleme an anderen Stellen sorgt. Es ist schon auffällig, wie oft in "Star Trek: Picard" Sets recycelt werden, was teilweise schon ein wenig nervt. So findet die Jagd auf ein paar Kriminelle gefühlt über mehrere Folgen lediglich an einer einzigen Straßenecke statt und auf der USS-Titan zieht man sich für jedes halbwegs ernsthafte Gespräch immer in die gleiche Bar auf dem Holodeck zurück. Diese Schwächen sind allerdings noch relativ leicht zu verzeihen. Etwas schwieriger verhält es sich mit den Storymängeln, die auch die dritte Staffel durchziehen. Zwar ist die zentrale Storyline diesmal deutlich fokussierter, allerdings nimmt die Logik und die Konsistenz im Entscheidungsprozess mancher Figuren dann doch hier und da eine deutliche Auszeit. Ironischerweise schneidet dabei die eigentliche Hauptfigur der Serie am schlechtesten ab. Picard ist zwar weiterhin der emotionale Anker der Serie, entpuppt sich aber trotz famos aufspielendem Patrick Stewart als überraschend inkonsistente Figur, die teilweise irritierende und auch haarsträubende Fehlentscheidungen trifft, die man sonst so nicht von ihr gewohnt ist.

Mit Vadic gönnt man sich aber zumindest eine ordentliche und gut gespielte Bösewichtin, opfert deren vielversprechendes Potential aber am Ende zu Gunsten einer deutlich konventionelleren und klassischeren "Star Trek"-Lösung. Ähnlich verhält es sich mit der wichtigsten neuen Nebenfigur der Staffel, Beverlys Sohn Jack. In einer Art "Han Solo"-Gedächtnisrolle gibt Darsteller Ed Speleers zwar eine ordentliche Figur ab, das emotionale und dramatische Potential seiner Figur wird aber nur zu Teilen genutzt. Das liegt vor allem auch daran, dass man ihm einen Storystrang mit "Stranger Things"-Vibe an die Hand gibt, der nur bedingt fesselt und in der zweiten Hälfte der Staffel viel zu sehr künstlich in die Länge gezogen wird.  


Eine der großen Stärken von "Star Trek" war es ja immer spannende philosophische und moralische Fragen aufzuwerfen und zu behandeln. Das gelingt "Star Trek: Picard" auch im dritten Anlauf leider nicht wirklich. Doch wie es sich ja auch mit den Schwächen auf einem Raumschiff verhält, eine gute Crew kann diese schon irgendwie ausbügeln. Und damit kommen wir zur zweiten großen Stärke, die gerade die alten "Star Trek"-Serien so großartig ausspielen konnten: die wundervolle Chemie zwischen den Hauptfiguren, die trotz Konflikten am Ende immer gemeinsam an einem Strang zogen – die ein oder andere liebevolle kleine Neckerei natürlich inklusive. Und genau hier gelingt der dritten Staffel ein absoluter Home Run.

Wie mühelos die alte Garde hier in ihre Rollen schlüpft ist schon beeindruckend. Es fühlt sich wie ein Treffen mit alten Freunden an, die man zwar lange nicht gesehen hat, bei dem aber sofort wieder die alte Chemie zu spüren ist und man nach fünf Minuten das Gefühl hat, eigentlich nie weggewesen zu sein. Gleichzeitig verleiht die Serie aber jeder Figur auch ein paar neue Facetten, so dass sich all das auch wirklich wie eine Weiterentwicklung anfühlt und nicht wie das simple Auftauen alter Figuren. Exemplarisch dafür steht die Beziehung zwischen Picard und Riker in den ersten Folgen, auch wenn unser ehemaliger erster Offizier natürlich schon in den vorherigen Staffeln auftreten durfte. Aber gerade in den ersten Folgen der dritten Staffel gelingt hier endlich ein perfekte Mix aus alter Freundschaft, vertrauter Wärme und neuen Konflikten. Das ist sicher auch Jonathan Frakes zu verdanken, der in einigen dieser Folgen die Regie führt und genau das richtige Feingefühl für die Inszenierung dieser Szenen mitbringt.

Eine der besten Entscheidungen der Macher ist dabei, dass die anderen alten Recken erst Stück für Stück eintrudeln. So erhält jedes alte Teammitglied der Enterprise-D die nötige Zeit, um sich zu etablieren und den eigenen Groove zu finden, was dank vieler liebevoll geschriebener Dialoge allen nahezu perfekt gelingt. Die größte Freude sind dabei meist kleine Sticheleien, die oft nur aus einem kurzen Nebensatz bestehen, Fans der Originalserie aber immer wieder ein riesiges Lächeln auf die Lippen zaubern. Auch weil die Serie alte Freundschaften (Date und Geordi) und Rivalitäten (Riker und Worf) einfach herrlich aufgreift und auf witzige Weise gekonnt wiederaufleben läßt. So wird die Rückkehr der alten Crew hier tatsächlich auf emotionaler Ebene zu einem Triumph und genau der würdigen Abschiedsrunde, die sich Fans nach dem Trauerspiel von "Star Trek: Nemesis" erhofft haben.


Angereichert wird all dies mit einer riesigen Anzahl nostalgischer Querverweise und Anspielungen auf das "Star Trek"-Universum (bei dem "Voyager"-Fans etwas mehr auf ihre Kosten kommen als die Anhänger von "DS9") und zahlreichen Gastauftritten weiterer alter Begleiter und Begleiterinnen. Diese Auftritte wären sogar noch zahlreicher ausgefallen, wenn man noch mehr Budget gehabt hätte (wie Showrunner Terry Matalas gerade in einem Interview zugab). Stellenweise ist das, wie in Folge 6 "Die Bounty", dann schon fast wieder ein Stück zu viel des Guten. Aber immer wenn man sich über diese so offensichtliche emotionale Manipulation aufregen möchte, kommt gleich schon die nächste daher und man schwelgt schon wieder in weiteren alten Erinnerungen. Und spätestens, wenn gegen Ende der Staffel die ganze alte Crew an einem Tisch sitzt und wie früher einen gemeinsamen Schlachtplan entwirft, möchte man (zumindest als ehemaliger Fan) diese Nostalgiewelle einfach nur weiter reiten.

Und Junge, darf man diese Welle weiter reiten. Was sich die Macher als Twist für die letzten beiden Folgen ausgedacht haben, ist mit dem Begriff Fanservice noch unzureichend beschrieben. Es ist der feuchte Traum eines jeden "Star Trek: Das nächste Jahrhundert"-Fans und einer der gleichzeitig schamlos-manipulativsten und doch auch am schönsten umgesetzten Nostalgie-Momente der Seriengeschichte. Und irgendwie passt es dann auch, dass die letzte Folge auch in Sachen Storyline einen unglaublichen Retro-Charme ausstrahlt. So simpel das Finale aber auch gestrickt ist, so deutlich zeigt sich auch hier wieder die Fähigkeit dieser Staffel das emotionale Herz der Original-Serie und die damit verbundenen Gefühle der Fans einzufangen. Alle Figuren bekommen in der letzten Folge ihren großen Moment, ein Haufen netter und freundschaftlicher Sticheleien lockert das Geschehen wundervoll auf und schließlich bekommt man auch noch das perfekte Schlussbild serviert. So und nicht anders möchte man diese Crew in Erinnerung behalten. Und es ist bezeichnend, dass dieser Moment sich zwar wieder schamlos an alten Vorbildern bedient, aber trotzdem einfach wundervoll funktioniert. "Star Trek: Picard" gewinnt zwar auch in seiner dritten Staffel keinen Preis für Kreativität oder Cleverness, doch er liefert nicht trotz sondern dank seinem emotionalen Nostalgieoverkill und dem Fokus auf die alten Haudegen eine würdige und hochemotionale Abschiedsvorstellung der alten TNG-Crew. Ohne ein gutes Team kann eben auch ein Captain nicht wirklich glänzen.

Die dritte Staffel von "Picard" ist seit 21. April 2023 komplett bei Amazon Prime Video verfügbar.

Bilder: Copyright

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