
Propaganda hat wohl selten so gut ausgesehen wie hier. "Act of Valor" ist der schamloseste Werbeclip-in-Kinoformat für die US-Army seit den seligen Tagen von "Top Gun", so dermaßen offensichtlich in seinen Absichten, dass die Armee sich diesmal nicht nur auf großzügige und äußerst wohlwollende Produktionsunterstützung beschränkte, sondern sogar echte Mitglieder ihrer in diesem Film bejubelten Eliteeinheit der "Navy Seals" als Darsteller zur Verfügung stellte - für größtmögliche "Authentizität". Vornehmliches Resultat dieser einmaligen Besetzungs-Strategie ist zum einen, dass die "Hauptdarsteller" dieses Films in den Credits nicht mit vollem Namen genannt werden (Geheimhaltung und so), und zum anderen, dass man jegliche Erwartungen in Bezug auf erkennbare Schauspielkunst hier von vornherein abhaken sollte.
Schauspielkunst ist natürlich auch ein komplett zu vernachlässigender Faktor, wenn man sich aufmacht ein 110-minütiges Rekrutierungsvideo zu produzieren. Ein ebenfalls komplett zu vernachlässigender Faktor ist erzählerische Komplexität sowie ein halbwegs realgetreuer Blick auf die Ambivalenz der Krisenherde, in denen die hier porträtierten Elitesoldaten aktiv sind. Dementsprechend zeichnet "Act of Valor" ("Valor" bedeutet "Heldenmut") nach dem eröffnenden Hinweis, dass dieser Film ja auf "wahren Fällen von Heldenmut" basiere, schon in seinen ersten Minuten ein dermaßen drastisches Schwarz/Weiß-Bild wie es kontrastreicher nicht sein könnte. Während per Voice-Over von einem Soldaten der ihm von seinem Vater indoktrinierte Ehrenkodex beschworen wird, "die Dinge zu beschützen, die wirklich zählen - Ehre, Freiheit, Gerechtigkeit und Familie", bevor sich dieser Soldat im aufregenden Alltag eines Vaterlandsverteidigers für einen Trainingssprung aus einem Flugzeug schmeißt, fährt in einer Parallelmontage der Bösewicht dieser Geschichte, ein islamischer Terrorist namens Abu Shabal ein verängstigtes junges Mädchen zu seinem aufgezwungenen Einsatz als Selbstmordattentäterin: das Mädchen muss sich inmitten einer Grundschule in die Luft jagen, um einen amerikanischen Diplomaten und seinen kleinen Sohn zu erwischen - nebst diverser anderer unschuldiger kleiner Kinder. Quasi: Verachtenswerter geht's nicht.
Präziser kann man die Verhältnisse "Hier sind die Guten, da die Bösen" wohl kaum abstecken, und mit ähnlicher Subtilität geht dann auch der Rest dieses Films vor. Der Voice-Over-Erzähler stellt während eines kameradschaftlichen Strand-Barbecues seine komplette Einheit einmal kurz vor, wirklich merken brauch man sich Namen und Funktion der einzelnen Akteure aber nicht, da sich der Film im weiteren Verlauf ohnehin nicht darum schert, sie irgendwie als differenzierte Charaktere zu behandeln. Der einzige Hauch von Individualität wird einem Soldaten zugestanden, der seinen Kameraden preisgibt, dass er demnächst Vater wird - was ihn aber natürlich nicht davon abhält, mit den Jungs auf ihren nächsten gefährlichen Einsatz aufzubrechen, während seine ihm treu ergebene Ehefrau ihm schön Mut macht und erst dann ihre Tränen der Angst fließen lässt, nachdem sie die Haustür hinter ihm geschlossen hat. Vorbildliche Soldatenfrau, das.
Die "Handlung" von "Act of Valor" verfolgt zum einen die Vorbereitungen von Abu Shabal für eine Reihe von Selbstmordanschlägen innerhalb der USA, für die er willfährige Attentäter sowie den nötigen Sprengstoff beschaffen und über die Grenze kriegen muss, zum anderen die Bemühungen der Navy Seals, diesen Plänen auf die Schliche zu kommen und sie letztendlich zu zerschlagen. Der Film bewegt sich dabei mit der Dramaturgie eines Videospiels - soll heißen: Es gibt keinerlei nennenswerte dramatische Wendungen, keine fühlbare Zuspitzung von Tempo und Spannung. Stattdessen begibt man sich nur von Level zu Level, also von einer größeren Actionsequenz zur nächsten, jeweils verbunden durch möglichst knapp und funktional gehaltene Spielszenen, in denen das nächste zu bewältigende Szenario etabliert wird.
Diese großzügig ausgebreiteten Actionsequenzen sind dann auch das wahre Kernstück von "Act of Valor" und treiben die Videospiel-Ähnlichkeiten endgültig auf die Spitze. Als durchgängiges Stilmittel wechselt die Inszenierung mitten im Kampfgetümmel immer wieder in die Ich-Perspektive eines der Soldaten inklusive Gewehr im Anschlag und imitiert damit den typischen Look eines Ego-Shooters. Dies kombiniert mit dem Teamplay-Feeling, dass hier eine perfekt aufeinander abgestimmte Gruppe mit überlegener Technologie seine Gegner ausschaltet, dürfte bei nicht wenigen Zuschauern überdeutliche Erinnerungen an glorreiche "Battlefield"-Schlachten auf der Spielkonsole wachrufen. Und natürlich ist genau das beabsichtigt, denn das ist der überoffensichtliche Grundtenor von "Act of Valor": Komm zur Army, werde einer von uns, denn unser Alltag ist genauso aufregend wie "Battlefield 3". Nur in echt.
Konsequenz einer solch rein propagandistischen Erzählung ist selbstverständlich auch, dass die wahre Gefahr für die "Guten" hier weitestgehend verharmlost wird. Dank absolut überlegener Technik und dem Zusammenhalt der Truppe, die vorbildlich gegenseitig auf sich acht gibt, ist es quasi ausgeschlossen, dass ein guter amerikanischer Soldat einfach so im Kampfgetümmel einen plötzlichen und sinnlosen Tod stirbt. Der Tod kommt für einen echten Navy Seal nur als bewusster und freiwilliger Akt der Selbstaufopferung - wie es der Filmtitel schon sagt, wahrlich heldenhaft.
Man kann nicht behaupten, dass "Act of Valor" ernsthaft langweilig wäre, auch wenn die eindeutige Überlegenheit der amerikanischen Soldaten nie auch nur den Hauch von Zweifel aufkommen lässt, sie könnten in ihrer Mission nicht erfolgreich sein, und die Jagd auf Abu Shabal entsprechend schnell in kompletter Spannungsarmut versackt. Denn gegen ein Wegdösen im Kinositz helfen die fraglos packenden Action-Sequenzen, deren handwerklich gekonnte und höchst wirksame Ausführung nicht von der Hand zu weisen ist. Da, wo dieser Film wirklich aufregend sein will, da ist er es auch.
Doch dieses wirkungsmächtige Blendwerk ist eben eingerahmt in ein Konstrukt, dass in seiner propagandistischen Absicht so offensichtlich und in seiner "Kümmert uns nicht"-Vernachlässigung sämtlicher anderer Aspekte überzeugenden filmischen Erzählens so durchschaubar ist, dass man es als Film einfach nicht ernst nehmen kann bzw. auf keinen Fall ernst nehmen sollte. Eine unreflektierte, einseitige und in ihrer Verharmlosung fast schon gefährliche Lobeshymne auf Loyalität, Zusammenhalt, Vaterlandsliebe und die übermächtige Stärke der best-ausgerüsteten Armee der Welt, die sich in ihren letzten Momenten sogar noch erdreistet, quasi einen direkten Rekrutierungsaufruf an ihr Publikum zu richten. Für manche "Battlefield"-Fanatiker vielleicht der Film des Jahres. Aber auch ein Streifen, der zur direkten cineastischen Nachkommenschaft von Leni Riefenstahl gehört.
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