
Australien ist wohl von Natur aus schon eines der gefährlichsten Länder unseres Erdballs. Es gibt dort mehr Lebewesen, die einen umbringen könnten, als irgendwo sonst, zumindest im Tierreich: Die zehn giftigsten Schlangen leben alle in Australien, und auch sonst sind viele seiner tierischen Mitbewohner tödlich für den Menschen. Und in deren weitläufigem, menschenleeren Lebensraum gibt es auch viel Platz, um einfach so zu verschwinden. Warum der fünfte Kontinent also als Location für Horrorfilme bisher nur spärlich und zaghaft eingesetzt worden ist, bleibt ein kleines Rätsel. Der junge Australier Greg McLean will das jetzt ändern und setzt der Legende vom einsamen, im Outback lebenden Einsiedler ein blutiges und vor allem schauriges Denkmal.
Die drei jungen Leute Kirsty, Ben und Liz wollen ihre freie Zeit ordentlich feiern. Mit einem alten Ford fahren sie quer durch Australien von einer Party zur anderen. Auf dem Weg durchs weite, leere Land kommen sie schließlich am Wolf Creek vorbei: Ein riesiger, unheimlich wirkender Krater. Hier bleiben auch ihre Uhren stehen und das alte Auto springt nicht mehr an. Doch die Hilfe kommt in Gestalt von Mick. Der alte Mann schleppt sie mit seinem Truck ab. Er versorgt sie und die drei schlafen beruhigt ein. Doch als sie wieder ihre Augen öffnen, hat der Horror schon begonnen. Mick entpuppt sich als perverser Killer, der die jungen Leute sicher nicht lebend gehen lassen wird.
Greg McLean lässt sich in seinem Debütfilm viel Zeit, bis er zum brutalen Horror kommt. Er zeigt äußerst detailliert, wie Ben, Liz und Kirsty sich sorglos von Party zur Party vorfeiern, und wie sich Ben dabei langsam und fast schon verschüchtert Kirsty nähert. Es sind Szenen ihres Alltags. Und doch liegt über den leicht verwackelten Bildern eine suggestive Spannung, eine ungeahnte Furcht, die sich immer wieder an der wilden Natur Australiens spiegelt. Die erdrückende Hitze der Wüste oder die verschreckten Vogelschwärme, die aus den hohen Bäumen zu flüchten scheinen. Diese bedrückende Atmosphäre, unterstützt durch den reduzierten Soundtrack, gipfelt in einer erhabenen Flugaufnahme des titelgebenden Wolf Creek.
Wenn der Regisseur nach einer wunderbar montierten Blende diese Stimmung schließlich explodieren lässt, kommen nicht nur eingefleischte Horrorfans auf ihre Kosten. Wenn Mick die drei getrennt voneinander auf brutalste Weise quält, bleibt der Film seinem ruhigen Tempo treu. Die Kamera verfällt nicht in ein hektisches Gewackel. Sie zeigt dabei nicht alles, was den Eindruck der Qual vielleicht noch viel erheblicher macht. Es wird hier glücklicherweise nicht an die explizite Zurschaustellung von Gewalt der Splatterfilme angeknüpft.
Mick als unauffindbarer Killer im australischen Hinterland stellt einen Antihelden zu dem meistens mit dem australischen Kino assoziierten Crocodile-Dundee-Typ dar. Wenn der Film sich schließlich auf eine wahre Begebenheit beruft, wird eine zusätzliche Horrorkomponente clever in das Drehbuch integriert, indem man dem Zuschauer suggeriert, dass der gezeigte Schrecken nicht "nur ein Film" ist. Beruhigt wird also keiner aus dem Kino entlassen.
Greg McLean hat den Horrorfilm mit "Wolf Creek" sicherlich nicht neu erfunden. Aber in einer Zeit, in der das Horrorgenre wieder in Konjunktur kommt, gelingt dem Australier eine durchaus gelungene Variation verschiedener Elemente der Gattung, und ein erfolgreicher Import des amerikanischen "Hinterwäldler-Horrors" in die öden Weiten des Outback. Der interessant verfilmte Stoff ist auf jeden Fall ein erster Beweis für das Talent des Regisseurs. Man wird sehen, ob sich McLean wird weiter profilieren können.
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