
Josh (Derek Richardson) und Paxton (Jay Hernandez) sind typische Jungamerikaner auf Europa-Rundreise. Was sie und ihren unterwegs aufgelesenen isländischen Kumpel Oli (Eythor Gudjonsson) antreiben sind Alkohol, Gras und Sex. In Amsterdam bekommen sie einen Tipp, wo es die willigsten der willigen Frauen gibt, nämlich in einer Jugendherberge in der Slowakei. Flugs machen sich die drei geistig eher minderbemittelten Mannsbilder auf den Weg dorthin. In der Slowakei aber erwartet sie ein Horrortrip ungeahnten Ausmaßes....
Über "Hostel" kursieren so viele (Werbe-)Gerüchte, dass es an der Zeit ist, im Nachfolgenden Fiktion von Wahrheit zu trennen.
PR-Hype: "Hostel" ist eigentlich der neue Film von Tarantino.
Wahrheit: Zumindest legen einem der Verleih und sogar Eli Roth selbst zu Werbezwecken diesen Verdacht mutwillig nah. Tarantinos Name ist auf dem Plakat prominenter vertreten als der von Drehbuchautor und Regisseur Roth selbst. Und ausgerechnet Selbstdarsteller und Großmaul Eli verringert die Rolle seiner Verdienste, indem er erklärt, Tarantino habe die Ausgangsidee geliefert und sogar heimlich am Drehbuch mitgeschrieben. Da stimmt doch was nicht? Es liegt der Verdacht nah, dass hier mit dem berühmteren Namen Aufmerksamkeit und Kasse gemacht werden soll. Zumindest, dass beide sich verstehen, verwundert nicht, können sie sich doch bei Bier und Exploitationfilmen darüber streiten, wer nun das größere Ego und noch größere Mundwerk hat. Zumindest Tarantinos Mitarbeit am Drehbuch ist kaum erkenntlich: keine Popkulturzitate, kein einziger Dialog mit Witz oder Intelligenz. Einzig seine Gewaltästhetik mag noch durchscheinen, und die ist ja eher Tarantinos verzichtbarstes Merkmal.
PR-Hype: "Hostel" ist einer der brutalsten Filme, die je gedreht wurden.
Wahrheit: Für einen amerikanischen Mainstream-Film geht es hier zwar ziemlich brutal zu, aber im weltweiten Vergleich gewinnt Roth in Sachen Konsequenz oder abgefahrener Gore keinen Blumentopf. Gegen das Extremkino eines Lucio Fulci oder gar eines Takashi Miike (der hier einen überflüssigen Cameo-Auftritt hat) nimmt sich "Hostel" aber fast anämisch aus. Natürlich geht's hier schon derbe zur Sache, da fliegen Finger und andere Körperteile. Aber hier gibt es nichts, was man als halbwegs informierter Genrefan nicht schon gesehen hätte, und die Filme eines Miike etwa sind, was Schockgehalt und "DAS hab ich echt noch nicht gesehen"-Effekte betrifft, von "Hostel" etwa so weit entfernt wie die Rucksackurlauber im Film von ihrer Heimat.
Roth kann sich nicht entscheiden, ob er nun doch voll draufhalten oder geschickt wegschwenken und die grausigen Details den Köpfen der Zuschauer überlassen soll. Er versucht beides und gewinnt dadurch nichts. Nach den vollmundigen Ankündigungen ist der Film für Gorehounds eine Enttäuschung, Nicht-Fans des extremen Horrors wird es wohl trotzdem zuviel sein. Fest steht: Aus der durch das Thema vorgegebenen Boshaftigkeit und der durch die PR- und Posterkampagne aufgebauten Erwartungshaltung schleicht sich Roth dann doch relativ feige heraus. "Hostel" geht für viele Zuschauer zu weit und doch nicht halb so weit, wie er eigentlich müsste. Ob das Ganze nun so oder so in den Bereich "Unterhaltung" fällt, muss eh jeder für sich entscheiden. Aber auch hier ist es wieder eine vergebene Gelegenheit, wie so viele.
PR-Hype: "Hostel" beruht auf wahren Begebenheiten.
Wahrheit: Humbug. Roth und Tarantino behaupten, vor Jahren auf eine asiatische Webseite gestoßen zu sein, die ähnliche Serviceleistungen anbietet wie die ominöse "Jagdgesellschaft" im Film. Beide geben zu, dass sie keine Ahnung haben, ob die Seite real war oder nicht. Soweit also die ‚wahren Begebenheiten'. Realer sind da schon die Reaktionen der slowakischen Tourismusbehörde. Die protestierte offiziell gegen den Film und seine Darstellung der Slowakei und seiner Bewohner. Man kann schon verstehen, was die Osteuropäer sauer macht, denn hier ist jeder Slowake mindestens merkwürdig und zumeist böse, jede Frau unter 25 eine verdorbene Hure, und generell scheint die friedliche Slowakei die Hölle auf Erden zu sein. Die Verschwörung, die hier porträtiert wird, würde sogar Fox Mulder staunen lassen. Auch alles ganz großer Unsinn. Abgesehen davon, dass auch wir Deutschen Grund hätten uns zu beschweren, denn auch dieser Film mag nicht ohne den perversen deutschen Doktor als Bösewicht auskommen.
Zwar ist der Film vorher auch schon teilweise strunzdumm und hat Logiklöcher von der Größe osteuropäischer Kleinstaaten, aber die letzten zwanzig Minuten schubsen ihn dann vollkommen ins Lächerliche. Hier wirkt "Hostel" dann nur noch albern und Comic-haft überzogen, wenn nicht nur Standardklischees wie eine Autoverfolgungsjagd aufgeboten werden, sondern auch noch im Rahmen der gerecht(fertigt)en Rache ein lächerlicher und unglaubwürdiger Zufall an den anderen gehängt wird. Spätestens hier kann man dann alle für Werbezwecke beschworenen Parallelen zum wirklichen Leben komplett vergessen, und auch diesen Film.
"Hostel" merzt leider nicht die Fehler von Roths Vorgängerfilm "Cabin Fever" aus, sondern verschlimmert sie eher noch. Denn wo der Erstling noch bisweilen durch seine Einschübe absurden Humors bestach, ist die ziemlich schleppende erste Hälfte von "Hostel", der an Filme wie "Road Trip" erinnernde Sexcomedy-Teil, schlicht weder witzig noch sonderlich unterhaltsam, woran auch die zahlreichen nackten Frauen nichts ändern können. Die zweite Hälfte, der Horrorteil, wirkt dann quasi als (negativer) Ausgleich nach einem brutalen Intermezzo oftmals unfreiwillig komisch. Kaum etwas passt hier, es hinkt eben schon von Anfang an: an der Auswahl der Geschichte und Protagonisten, an Roths frat boy-Sensibilität (sprich: ordentlich Schwulenfeindlichkeit und Frauenverachtung, aber kein Funke Menschenverstand), an seinem Faible für Titten und Kunstblut, welches durch keinerlei künstlerische Ambition ausgeglichen wird.
Nicht, dass man grundsätzlich etwas gegen Filme hat, deren Hauptzutaten Titten und Kunstblut sind, aber es muss eben doch noch ein kleines bisschen mehr sein. Weil dies so ist, kann natürlich auch kein sich selbst respektierender Kritiker erklären, ihm hätten vor allem die Brüste und das Gemetzel gefallen, und so haben sich diverse Kollegen aufgemacht, verborgene Deutungen zu suchen. Von der Fremdenfeindlichkeit der Amerikaner bis hin zum Folterskandal von Abu Graibh wird da einiges bemüht. Dass die männlichen Hautdarsteller allesamt ziemliche Idioten sind, wird Roth als kritische Betrachtungsweise seiner Landsleute positiv angerechnet, man kann aber genauso vermuten, Roth dachte tatsächlich, dass seine Figuren witzig und cool wären.
Dem Film wegen möglicher Subtexte Intelligenz zu bescheinigen, ist dann doch zuviel des Guten. Eher durch Zufall endet Roth bei einer (bei gutem Willen) nicht ganz doofen Abhandlung darüber, in welcher Art und Weise Menschen die Körper Anderer missbrauchen.
Vorhandene oder nicht vorhandene Subtexte hin oder her, das größte Problem des Films und sein endgültiges Aus als Horrorfilm ist und bleibt der Mangel an Spannung oder Aufregung. Nichts hier macht richtig Angst, ist beklemmend, ist wirklich schockierend, dazu ist alles zu offensichtlich und einfältig. Wenn man diesen Film mal mit dem letztjährigen "The Descent" vergleicht, wird klar, was einen guten Horrorfilm von einem schlechten trennt. Und so vermisst man letztendlich auch einen guten Grund für diesen Film.
Daher gilt es, noch einen letzten Hype zu entkräften:
PR-Hype: "Eli Roth ist die Zukunft des Horrorfilms." (Quentin Tarantino)
Wahrheit: Nein. Das ist er nicht.
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